Was ist schöne Landschaft?

KÜSTE

Die Küste vereint Trennlinien. Vom Land zum Wasser, vom Wasser zum Himmel. Was ist es aber, was den Anblick dieses Bildes zum »Bestaunen einer schönen Landschaft« macht? Was beeinflusst unsere Wahrnehmung? Was nehmen wir für wahr? Es ist sicher dies: Wahrnehmung ist immer schon durch Bedürfnisse, Gewohnheiten, Erfahrungen und vor allen Dingen von unseren Erwartungen beeinflusst, vielleicht sogar angeleitet. Die ästhetische Freude beim Anblick dieses Leuchtturms und der beiden Gehöfte auf einer künstlichen Erhöhung im Nationalpark Wattenmeer ist gewiss nicht alleine auf den wahrgenommenen Landschaftsausschnitt, die Wolkenstimmung, die untergehende Sonne und die Weite des Blickhorizontes begrenzt. Es liegt zum Gutteil auch am implizit aktivierten Wissen, an unseren Sehnsüchten, woran und warum wir ästhetische Freuden genießen.

 

WALDGEBIRGE

Eine Art Gegenpol zur Küste und zum Hochgebirge bilden die ausgedehnten Waldgebirgslandschaften. Die Schönheit der Landschaft, hier der Waldeinsamkeit im Zittauer Gebirge, hängt auch wesentlich von der symbolischen Bedeutung ab, die wir beeinflussen. »So ist Landschaft fast immer ein Sinnbild für Heimat und Frieden, für andere wiederum symbolisiert sie Freiheit und Unabhängigkeit. « (Werner Nohl, Landschaftsästhetik heute). Hier steht die Landschaft für die Versöhnung von Mensch und Natur, von Kultur und Natur, vom Mythos Wald und den stillen Meistern, den Bergen.

 

HOCHGEBIRGE

Was wir als schön empfinden wächst freilich nicht aus gefühlssinnlichen (endothymen) Gründen. Es ist nicht gleichbedeutend mit dem autonomen Bewusstsein des Menschen oder der gespürten Innerlichkeit. Schöne Landschaft unterliegt dem gesellschaftlichen Wandel. Die verinnerlichten gesellschaftlichen Normen kreieren in uns eine Art verbindlichen Landschafts- und Schönheitsgeschmack. Dabei definieren wir unsere Sehnsüchte in Form von Betrachtungs-Chiffren. Heute ist es vermutlich die sinnbildliche Gegenwelt zu den verbreiteten Beschleunigungsritualen, den Konsumzwängen, den ökonomischen Abhängigkeiten und der gefühlten technischen Aggressivität im Alltag. Der Anblick dieser gänzlich lebensfeindlichen, wilden Gipfellandschaft rund um den Hochkönig im Salzburgerland vermag »die Pforten der Wahrnehmung soweit zu öffnen, dass man eins wird mit dem Bild seiner Sehnsucht.« (Ulrich Grober, Vom Wandern – Neue Wege einer alten Kunst).