Die Geschichte der Unterschiede beginnt bei den evolutionären Aspekten. »Es gilt nicht nur für den Menschen, aber für ihn ganz besonders, dass die Evolution sich viel Zeit gelassen hat, ihn hervorzubringen«, so schreibt Rüdiger Safranski in seinem Buch »Zeit«. Und wer den Darwinismus akzeptiert, weiß, dass die Entwicklung, vom ersten Keimen des Lebendigen bis zum Menschen, auf die Zufälligkeit von Mutation und Selektion angewiesen war. Dabei beeinflussten indes Anspruch und Bedingungen die Ausprägung von Fähigkeiten und Fertigkeiten.

NATURGEMACHTE UNTERSCHIEDE
Dass sich männlicher und weiblicher Körper von den Geschlechtsteilen abgesehen, anatomisch nach Körpergröße, Gewicht, Körperbau und Muskelmasse unterscheiden ist evident. Männer sind im Schnitt 12 cm größer und ca. 15 kg schwerer als Frauen. Der rumpfbetonte Körperbau der Frau unterscheidet sich von der Betonung der Extremitäten beim Mann. Frauen haben kleinere Atemwege, ihre Herzen und Lungen sind relativ kleiner, die Herzfrequenz relativ höher, die Blutmenge und der Wert des Sauerstofftransporteurs Hämoglobin relativ niedriger als bei Männern. Dafür haben Frauen einen höheren Anteil an Körperfett und weniger Muskelmasse. Selbst der Stoffwechsel ist bei beiden Geschlechtern unterschiedlich. Daraus folgt, dass Männer zwangsläufig eine höhere Leistungsfähigkeit bei muskulärem Einsatz haben. Während Frauen beim Wandern eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 4,3 km/h aufweisen, liegt dieser Durchschnitt bei Männern bei 5 km/h. Interessant ist allerdings, dass der höhere Fettstoffwechsel Frauen in extremen Ausdauerdisziplinen zum Vorteil gereicht.

Erstaunlich sind Erkenntnisse, die US-Psychologen beim Vergleich des visuellen Systems ermittelt haben. Während der sensibler ausgeprägte Tast- und Gehörsinn bei Frauen schon länger bekannt war, beschäftigte das Team um Israel Abramov von der City University of New York der Sehsinn von Mann und Frau. Bekannt war, dass im primären Sehzentrum die vermutlich höchste Dichte von Andockstellen für das männliche Geschlechtshormon Testosteron im gesamten Gehirn vorliegt. Das Ergebnis der im Journal »Biology of Sex Differences« veröffentlichen Ergebnisse lautete: Männer brauchen einige Nanometer Wellenlänge mehr als Frauen, um eindeutig einzelne Farben zu erkennen. Auffällig war auch, dass Männer dieselben Farbtöne etwas bläulicher interpretierten als die weiblichen Probanden. Dafür schnitten Frauen beim Differenzieren von bewegten Objekten und beim Kontast- und Schärfesehen signifikant schlechter ab. Die genauen Gründe liegen freilich noch im Dunkeln. Das bessere räumlich-zeitliche Sehen begründen die Forscher mit der Jäger-Sammler-Hypothese. Als Jäger hätte der Mann in den Savannen Afrikas einen schärferen Sehsinn entwickelt. Dass Frauen hingegen die Umgebungsfarben in einem grundsätzlich »wärmeren« Farbton wahrnehmen, führen die Forscher auf das Sexualhormon Testosteron zurück.

BEKLEIDUNG, SCHUHWERK, RUCKSÄCKE
Gut, offensichtlich sind in der Bekleidungs- und Ausrüstungsindustrie die »Unisex«-Zeiten vorbei. Ob clevere Differenzierungsstrategie zur Steigerung von Margen und Mengen oder notwendige Befriedigung einer realen Nachfrage – die Antwort wird wohl nicht ganz so eindeutig wie gedacht ausfallen. Einerseits unterscheiden sich sowohl die weibliche Leistenform für passgenaues Schuhwerk als auch die Anatomie bei Rucksäcken, Hemden und Hosen dramatisch. Also alles im Lot?

Die Skomer-Serie für Frauen des oberschwäbischen Vorzeige-Outdoorausrüsters VauDe im beschaulichen Tettnang umfasst modisch durchgestylte und funktionelle Bekleidungsstücke, die auf Wanderungen oder Reisen für Komfort und gute Laune sorgen sollen. Der bequeme, legere Schnitt, angenehmes und pflegeleichtes Material und eine natürlich-feminine Optik mit liebevollen und raffinierten Details bringen zusätzliche Wohlgefühle mit auf die Tour. Anja Fladerer, Produktmanagerin für den Bereich Trek&Hike im Hause VAUDE bringt es auf den Punkt: »Genusswandern liegt absolut im Trend, gerade bei der weiblichen Zielgruppe. Dabei sind nicht Bestzeiten oder Gipfelerfolge von Bedeutung, sondern ein genussvolles Naturerlebnis. Seele baumeln lassen, mit Freundinnen quatschen, einfach Frau sein und den Moment genießen. Unsere Skomer-Linie ist dafür das perfekte Outfit. Funktionell, vielseitig, unkompliziert, pflegeleicht und mit einem femininen, sehr natürlichen Look.« Womit ich bei den praktischen Unterschieden angelangt bin, wenn es sie denn gibt.

Stimmt es, dass Frauen einen schwächer ausgeprägten Orientierungssinn haben? Es stimmt und stimmt doch wieder nicht. Nach Moshe Hoffmann, einem US-Forscher, haben Frauen tatsächlich einen schwächer ausgeprägteren Orientierungssinn. Wer in gemischten Wandergruppen unterwegs ist, wird vermutlich nicht nur die männliche Leithammelführungsriege an der Spitze der Gruppe sondern auch die männliche Hoheit bei der Lektüre von Wanderkarten einschließlich der Standortverortung bemerkt haben. Der US-Forscher kommt allerdings zu der Erkenntnis, dass in einer mehr weiblich dominierten Gesellschaft diese Unterschiede zwischen Mann und Frau verschwinden.

Auch Bildung, so ist in dem Aufsatz in dem Fachmagazin »Proceedings of the National Academy of Sciences« nachzulesen, verhelfe Frau zu einem verbesserten Orientierungssinn. Walter Schmidt (»Warum Männer nicht nebeneinander pinkeln wollen und andere Rätsel der räumlichen Psychologie«) sieht in Wandergruppen die Männer immer an der Spitze marschieren, mit gehörigem Abstand dahinter die Frauen. Laut Schmidt und Rainer Brämer (Natursoziologe und Wanderforscher) sei dies »ein altes Erbe (Evolution). Frauen überließen Männern gerne die potenziell gefährliche Aufklärungsposition an der Spitze.«

Auch die Tübinger Kulturwissenschaftlerinnen Christiane Pyka und Franziska Roller gelangten in ihrer Studie zu der Erkenntnis, dass Frauen Männern mit größter Selbstverständlichkeit die Führungsaufgabe überlassen würden. Für den Evolutionspsychologe Harald Euler hat das Voranlaufen einen anderen Grund: Männer gehen seiner Ansicht nach zielgerichteter. Ein Verhalten, das dem beim Einkaufen ähnelt. Während er es rasch hinter sich bringen möchte, schaut sie gerne mal links und rechts nach Angeboten. Frauen hätten es, so Euler, meist weniger eilig damit, anzukommen, für sie sei eher der Weg das Ziel. Nicht zuletzt sei die Wanderung für Frauen ein »soziales Ereignis«, bei dem man sich gerne unterhalte.

UND NOCH MEHR ERKENNTNISSE
Die Glücksstudie von GORE-TEX® vom April 2015, hier die Auswertung der weiblichen Studienteilnehmer in Deutschland, lieferte einige interessante Anhaltspunkte für die Diskussion. 42% der befragten Frauen haben ein Jahreseinkommen von mehr als 42.000 Euro, der Anteil liegt um 23% über dem der Männer! Heißt das, mehr Berufserfolg gleich mehr Wanderleidenschaft? Der Anteil der wandernden Frauen war signifikant höher. 37% der Teilnehmerinnen bezeichneten Wandern als entspannend und 34% umschrieben das Wandern mit dem Gefühl von Freiheit und Glück. Beide Ergebnisse lagen um rund 15% über den Ergebnissen der Männer. Befragt nach der Aktivität, bei der die Frauen am ehesten abschalten könnten, lag das Wandern mit 26% vor Zeit mit Familie und Freunden.

Im Februar 2016 veröffentlichte das Mitgliedermagazin das Deutschen Alpenvereins (DAV Panorama) einen Artikel über »Ladies Camps – Ghetto oder Schutzzone?« Darin kommt auch die Outdoor-Journalistin Johanna Stöckl zu Wort: »Mit Kerlen unterwegs am Berg, da gibt es oft mehr Gepose und mitunter eine Materialschlacht. Es geht um Höhenmeter (Gehzeiten) und Action, je höher und weiter, desto besser. Wir Frauen nehmen uns in gemischten Gruppen eher zurück, reagieren verhaltener. Die Mädels leben mehr im Moment, schätzen den Genuss, ohne hastigen Blick auf die Uhr.« Fehlender Vergleichsdruck, ein moderater Wettbewerbsdruck und »Frauen wollen nicht, dass »man« auf sie warten muss ...« scheinen die steigende Nachfrage nach rein weiblichen Gruppen beim Sport und natürlich auch beim Wandern zu beflügeln. Warum wohl?

Diese Erfahrung machte der Autor bei zwei Wanderungen mit jeweils zwei befreundeten Frauen. Antje und Frauke (Antje von Dewitz ist die Chefin im Hause VAUDE) treffen sich mehrfach im Jahr zur gemeinsamen Wanderung unter Frauen. »Wir schwatzen und schweigen im Wechsel. Wir können so herrlich spontan sein und Rast einlegen, wo es uns gefällt ...«. Offensichtlich sind Männer wirklich zielstrebiger, fixieren im Vorhinein die Picknickplätze, takten die Tour gedanklich durch und haben ein spürbar geringeres Wahrnehmungsspektrum für die »kleinen« Sensationen am Weg. »Schaut, die Akelei...« höre ich Antje noch rufen. Dann begeisterte die Beiden eine ziemlich hässliche, fette Kröte in einem Baumstumpf. Als wir dann bei sommerlicher Hitze, das Ziel (ein gemütlicher Landgasthof) vor Augen, die Donau queren wollten, fiel den Beiden plötzlich ein, ein kühlendes Bad in der blauen Donau zu nehmen. Praxiserlebnisse und Studien kommen mithin zum Ergebnis: Wandern ist weiblicher geworden. Stimmt, aber sie wandern eben etwas anders ...