Von meinem Schreibtisch im Bonner Stadtteil Lengsdorf blicke ich auf ein etwa ein Hektar großes Wäldchen. Darin liegen die Überreste einer städtischen Ringofen-Ziegelei, die von 1901 bis in die 1930er Jahre in Betrieb war und in den 1960er Jahren abgerissen wurde. Birken, Ahorn, Esche, Weiden und Hainbuchen haben sich seither darin prächtig entwickelt. Ein Mäusebussard- Pärchen baute darin vor fünf Jahren einen Horst. Nachtigallen betören uns in lauen Nächten mit himmlischem Gesang. Meisen, Spechte, Rot- und Braunkehlchen nutzen das üppige Angebot an Insekten und Würmern für den Nachwuchs. So erobern sich Flora und Fauna zurück, was der Mensch ihnen einst nahm.

Wildnis zwischen grauen Stadtmauern?

Freilich ist das nicht die ganze Wahrheit. In den kommenden zwei Jahren werden auch hier die Motorsägen kreischen, den jungen Wald niederlegen und Platz machen für 80 Wohneinheiten. Städtischer Wohnraum ist knapp, nicht nur in Bonn. Locker bebaute Areale werden verdichtet und Stück für Stück ersetzen Neubaugebiete die letzten landwirtschaftlichen Flächen und Wiesen in städtischer Nähe. Bezahlbarer Wohnraum in wachsenden urbanen Zentren setzt ein wachsendes Angebot an Grundstücken und Wohnungen voraus. Der Zuzug hat seine Gründe. Die Menschen folgen der Arbeit. Wer will es ihnen verdenken? Letzte Brachen, meist industrieller Natur, werden für die Bebauung erschlossen. Die vielen kleinen neuen „Wildnisse“ verschwinden, wie vermutlich unser Wäldchen.

Die Fledermäuse, Eichhörnchen, die Igel und Singvögel werden sich ein neues Zuhause, neue Futterplätze suchen müssen. Wo und wie kann Wildnis in der Stadt überleben, wie gedeihen? Da wären die alten Friedhöfe wie der 140 Jahre alte Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg. Biologen haben dort mehr als 450 Gehölzarten gezählt. Falken und Uhus sind im größten Parkfriedhof der Welt heimisch geworden. Auf dem 218 Jahre alten 44 Hektar großen Kölner Melatenfriedhof im Kölner Stadtteil Ehrenfeld zählten Biologen jüngst 40 verschiedene Vogelarten. Auch Füchse, Eichhörnchen und Fledermäuse haben hier einen Lebensraum. Mächtige Linden, über 200 Jahre alte Platanen, Ulmen, Ahorn und Birken dämpfen die Geräuschkulisse der Stadt, beschatten die rund 55.000 Gräber und die ungezählten Kleinlebewesen.

Urban-Gardening auf der Dachterrasse eines Hamburger Seniorenheimes © BUE/Isodora Tast

Die Bemühungen, mit Dach- und Fassadenbegrünung Kleinlebewesen Schutz und Herberge zu gewähren und gleichzeitig zur Kühlung der überhitzten Stein- und Betonwüsten beizutragen, sind noch rar. Das Beispiel der „Living Wall“ an einem sechsgeschossigen Wohnhaus in der Glogauer Straße in Berlin-Kreuzberg ist leider nur das Gänseblümchen im ansonsten winterlich grauen Garten. Hingegen entwickelt sich die Dachbegrünung in Hamburg, das Projekt wurde 2014 aufgelegt und mit Fördertöpfen und kostenlosen Planungs- und Beratungshilfen unterstützt, sehr erfolgreich. Ende 2017 waren 1,35 Millionen Quadratmeter von potentiell 27 Millionen Quadratmetern begrünbarer Dachfläche bereits begrünt. Unter den 40 eingereichten Dach- und Fassadenbegrünungsprojekten waren Tiefgaragen, Schulen, Gewerbedächer und Dächer von Ein- und Mehrfamilienhäusern vertreten. 

Rückkehr der Wildtiere?

Warum aber kehren Wildtiere wieder in städtische Ballungsgebiete zurück? Fuchs, Biber, Wildschwein, Rehwild, Greifvögel oder Waschbär werden häufiger in Grünanlagen, in Schreber- und Privatgärten gesichtet. Schwäne und Graugänse bauen ihre Nester in städtischen Parks und Kanälen, Graureiher und Kormorane besiedeln städtischen Lebensraum – ist alles wieder gut oder auf dem Weg der Besserung?...

Meister Reineke fühlt sich inzwischen in vielen Großstädten zuhause © pxhere

 

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Grüne Fakten

9 % grüner Anteil an der Siedlungsfläche in Deutschland

10 % der 1.400 innerstädtischen Autostellplätze will die Stadt Köln jährlich abbauen

45 % aller Wege werden in Kopenhagen mit dem Rad erledigt

1,5 Millionen Menschen besuchen das UNESCO Welterbe Zeche Zollverein jährlich

25.000 Biber leben in Deutschland (Stand 2013)

1.250 Seeadler sind in Deutschland heimisch (Stand 2013)

Um 16 – 18°C senkt Dach-begrünung die Temperatur

63 km lang ist der Grüngürtel- Wanderweg in Köln

64,6 km lang ist der GrünGürtel- Rundwanderweg in Frankfurt a.M.

27 qkm umfaßt der Stockholmer Nationalstadtpark

3,5 qkm groß ist der Central Park in New York

6,4 qkm ist die Eilenriede, Hannovers Volkspark

20.000 Sträucher und 900 Bäume wachsen am Mailänder Wohnkomplex Bosco Verticale

27 Millionen qm Dachfläche will die Stadt Hamburg begrünen

 

 

Weitere Infos unter: www.hamburg.de/gruendach/