Wo kommen wir her, wo sind wir, wo gehen wir hin? Wer auf der Franz-Josefs-Höhe am Großglockner auf dem imposanten Startrondell des Alpe- Adria-Trails steht, wird mit grundlegenden Fragen des Menschseins konfrontiert. Das Informations-Triptychon wird den Wanderer insgesamt über 40mal daran erinnern. Dieser Weg ist nicht nur 750 km lang, sondern auch Jahrtausende »tief«. Wir haben uns eine Sedimentschicht ausgewählt, die k. und k.-Zeit, die sich von Start bis Ziel meist deutlich sichtbar präsentiert.

Am 7.9.1856 besuchte der 26-jährige Kaiser Franz-Josef mit seiner sportlichen Sisi die Pasterze. Er verharrte in gebührendem Abstand, sie ließ sich immerhin bis zur heutigen Elisabethruhe geleiten und ein paar Meter auf den Gletscher tragen bevor es ihr mulmig wurde. Bei klarer Sicht auf den Großglockner ist der Trubel erträglich, zumal mit der Swarovski- Beobachtungswarte und dem Besucherzentrum wirklich sehenswerte Einrichtungen zu besichtigen sind. Günter Mussnig, bergbegeisterter Geschäftsführer der »Trail Angels «, die Alpe-Adria-Trail Wanderungen als Pauschalen und individuelle Touren vermitteln, kennt nahezu alle Etappen und schlägt die Pfarrkirche von Heiligenblut als nächsten Zwischenstopp vor. Dem heiligen Vinzenz gewidmet, birgt die Krypta die Phiole mit dem Blut Jesu Christi, die der Legende nach in der Wade des Briccius eingenäht war, der unweit der Kirche von einer Lawine begraben wurde.

Wie eine Perlenschnur reiht der Alpe-Adria-Trail hier oben im Mölltal Sehenswertes auf: die Apriacher Stockmühlen, die Falkensteinbrücke bei Burg Falkenstein als spektakuläres Bauwerk der Tauernbahn, die 1909 von Kaiser Franz- Josef eingeweiht wurde. Für die Übernachtung bieten sich an: der Döllacher Dorfwirt, dessen massive Mauern aus der Zeit des Goldbergbaus in den Tauern stammen, oder das Oberbergmeisteramt mit geschmackvoll renovierten Räumen oder der hinreißende Herkuleshof bei Kolbnitz. Hannes Viehhauser und Shane Sansom haben das historische Gebäude zu einem sehr gut besuchten Wandererstützpunkt am Alpe-Adria-Trail gemacht. Frühstücksraum und Festsaal stammen originalgetreu aus der k. und k.-Zeit. Von den Wänden gru?ßen die Konterfeits der gekrönten Häupter.

Der Millstätter See empfängt uns mit einem »Weg der Liebe « und fordert zur Preisgabe privater Erinnerungen in Büchern auf. Am Granattor ist man am Ziel, und die Liebenden schreiten hoffentlich gemeinsam hindurch. Vielleicht hilft es der Beziehung, und der Blick in den sonnigen Süden ist ohnehin grandios. »Ein Klima wie an der Adria, bloß halb so weit«, meinte Mussnig tags zuvor, und Maria Wilhelm, die die touristischen Geschicke am Millstätter See lenkt lacht, als wir gemeinsam mit Alexander Tacoli den Blick von der Terrasse der Seevilla genießen. Ein Hotel mit der Grandezza der Sommerfrische-Kultur des 19. Jahrhunderts, als man noch drei Monate Verweildauer im Sommer- urlaub für den Wiener Adel veranschlagte. Es wurde promeniert und Karten gespielt, parliert und gustiert – genug der Kurzweil. An den Wörther See reiste man, um gesehen zu werden, an den Millstätter um seine Ruhe zu haben.

1884 öffnete die Seevilla als erstes zu diesem Zweck gebautes »Gästehaus« die Pforten. Heute noch in Familienbesitz lebt Alexander Marchese Tacoli dieses Vermächtnis. Die Gäste danken es und inhalieren das unnachahmliche Flair der Bell Epoque in der historischen Villa. Wer mehr sehen möchte, muss sich aufs Schiff begeben. Seerundfahrten sind eine gute Gelegenheit, die Geschichte der Sommerfrische und der Architektur der Region kennen zu lernen. Manche Gäste wollten schon damals hoch hinaus, und so errichtete Alexander Pupovac die Alexanderhütte mit großem Vorbau und Panoramafenstern, die deutlich vom Schema üblicher Almhütten abweichen. Die sehenswerte Einkehr am Alpe-Adria-Trail wird durch die benachbarte Biokäserei noch aufgewertet. Hier rasten und genießen, mit diesem Panorama – das könnte auch ein würdiges Finale sein. Aber wir sind noch mit dem Nachfahren des k. und k.-Hoffischers Franz Bacher verabredet. Peter Sichrowsky gehört zu den Reinankenwirten, die den seltenen Lachsfisch aus der Gattung der Coregonen mit Schwebenetzen nachhaltig fischen. Der Grundfisch kommt nur in glasklaren Gewässern ohne jegliche Schwankung vor. »Still ruht der See, und das mag die Reinanke«, sagt Peter Sichrowsky und zeigt uns die Ehrennadel, die der Kaiser dem Urgroßvater verlieh. Leider reicht die Zeit nicht, um einen der hochwertigsten Fische überhaupt zu probieren, als Ceviche zubereitet, laut Sichrowsky »ein Gedicht«.

Der Kärntner Landesarchivar Dr. Wilhelm Deuer wartet mit eher düsteren Details zum Alpe-Adria-Trail auf. Wir werden die Stätten der zwölf Isonzoschlachten zwischen 1915 bis 1918 kennenlernen und das ausgezeichnete Kobarid-Museum besuchen, wo die letzten Tage des sinnlosen Gemetzels in einer beklemmenden Animation dargestellt sind. Die Umgebung könnte schöner nicht sein. Wir folgen dem Söa- Tal, einem Paradies für Kajakfahrer aus aller Welt, und bestaunen die wilden Kalkbastionen der Julischen Alpen, Heimat des großen Schriftstellers und Alpinisten Julius Kugy. Und mitten in den grünen Hängen um Kobarid seltsame Linien und Schwellen. Es sind die zugewachsenen Schützengräben, von denen im Freilichtmuseum von Kolovrat ein Abschnitt im Originalzustand zu besichtigen ist.

Ihren über 100.000 Gefallenen haben die Italiener in Redipuglia ein gigantisches Mahnmal gewidmet. »Presente!« »Hier!« rufen die Seelen der zum letzten Appell Angetretenen den Nachlebenden zur Mahnung zu. Nur ein paar Kilometer weiter empfängt uns Gradisca d’Isonzo, das einstige Görz, mit einem herrlichen Park als Stadtzentrum. Bald liegt das Mittelmeer vor uns, mit Schloss Duino, wo Rainer Maria Rilke eine seiner Elegien verfasste. In Triest, dem einstigen Seehafen der k. und k.-Monarchie, schließt sich der Kreis unseres Trail-Themas. Nein, nicht ganz. Nach der letzten Etappe serviert man uns in Muggia »Kaiserwasser« mit dem Doppeladler. Welch eine Zeit- und Geschichtsreise! (lb)

 

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Italien, Tel. +39/04 28/23 92; consorzio@tarvisiano.org
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