OW: Kommen wir zum praktischen Teil. Es ist Ende November, es ist grau- schwarz, der erste Schnee fällt, keine Chance auf Sonne – was macht der Profi?

KPK: Er packt seine Ausrüstung ein, geht nach Hause und trinkt einen schönen heißen Kaffee. Gegebenenfalls würde er zur Dämme- rung wiederkommen, weil, darauf ist Verlass, in der Dämmerung die Sonne (auch wenn man sie nicht sieht) immer ein wundervolles Königsblau in die Landschaft zaubert. Die so genannte blaue Stunde ...

OW: Okay, dann frage ich anders. Wie geht man mit wenig Licht um?

KPK: Da sage ich nur: Man kämpft gegen das Verwackeln! Vor dem Auslösen des Auslösers muss man immer darüber nachdenken, kann es physikalisch überhaupt funktionieren ein verwacklungsfreies Foto zu erstellen? Die einfache Formel lautet dann: Eins durch Brennweite gleich Verschlusszeit. Die längste Verschlusszeit, die man noch aus der Hand bewerkstelligen kann ohne zu verwackeln, ist der Kehrwert der Brennweite. Nehmen wir ein 100 mm Objektiv, dann brauche ich eine Verschlusszeit von mindestens 1/100 oder kürzer. Im Winter, auch im November, Februar oder März haut das in der Regel nicht ohne Hilfen hin. Da hilft auch der Bildstabilisator nicht mehr. Also ist mein Rat: 1. eine Kamera benutzen, die wenig Pixel darstellt. Ich sage immer, je weniger Pixel umso besser die Aufnahmen, weil das Bildrauschen nicht so groß ist. Mit 12 MB kommt man allemal qualitativ hin. 2. Man muss immer ein Stativ dabei haben. Das neutralisiert eigene unmerkliche Wackeleien und zittrige Momente. Bei bewegten Motiven muss man zusätzlich mit höheren Isozahlen nachhelfen. Stative provozieren im übrigen auch stets eine sorgfältigere Bildvorbereitung.

OW: Bleiben wir bei der Isozahl, was ist die Empfehlung?

KPK: Grundsätzlich so niedrig wie möglich. Wenn es sein muss, dann drehe ich die auf 400 ISO hoch. Wie hoch, das ist letztlich auch abhängig von der Bewegungsgeschwindigkeit des sich bewegenden Motivs. Je höher die Isozahl umso schlechter ist die Qualität des Bildes, weil es zum sogenannten Bildrauschen kommt. Je niedriger umso qualitativ hochwertiger ist das Bild. Bei mir hängt es von der Situation ab. Besser ein verrauschtes Bild als ein unscharfes Bild. Je kälter es ist, umso höher kann man übrigens die ISO-Zahl einstellen. Das hängt von thermischen Aspekten der Sensoren (je wärmer der Sensor umso emfindlicher bei den ISO-Zahlen) ab. Bei großer Kälte kann man problemlos die ISO-Zahl hochschrauben, ohne dass das negative Auswirkungen hat. Die Bauart der Kamera (je neuer der Sensor, je weniger rausch- anfällig ...) ist natürlich auch ein Aspekt. Bei ganz knackigen Temperaturen und bestimmten Kameras kriegt man sogar im fünfstelligen ISO-Bereich perfekte Aufnahmen hin.

OW: Zum Beispiel bei welchen Kameras?

KPK: Pro geräte von Nikon wie die D3S, D4S, D5 oder Sony A7 S habe ich dazu schon getestet.

OW: Beim Stativ empfiehlt der Experte was?

KPK: Das Material des Stativs sollte im Winter aus Karbon sein. Am Alustativ können bei lausigen Temperaturen schon mal Finger anfrieren. Stative immer aus geschlossenen Röhren verwenden. Dazu für die Verlängerungsbeine immer auf Schraubverschlüsse achten, Inbusschlüssel bereiten bei niedrigen Temperaturen nur Ärger. Bei Stativen mit Klemmverschlüssen sollte man immer einen passenden Inbusschlüssel zum Nachjustieren dabei haben. Schraubverschlüsse sind bei niedrigen Temperaturen unproblematisch. Beim Stativkopf sollte die Nennbelastbarkeit deutlich höher sein, als Kamera und schwerstes Objektiv zusammen wiegen. Ich bin ein Freud von Kugelköpfen. Mein Tipp: je schwerer der Kopf, umso besser.

OW: Was ist von den auf handliche Koffermaße verkleinerbaren Stativen zu halten?

KPK: Nichts. Grundsätzlich gilt: je weniger Auszüge ein Stativ hat umso besser für die Stabilität. Die Qualität eines Stativs definiert sich über das dünnste Auszugselement. Das bestimmt die Stabilität des ganzen Statives. Wenn man nicht die volle Höhe benötigt, daher immer das dickste Rohr ausfahren. Die Mittelsäule ist meiner Meinung nach für die Naturfotografie völlig unbrauchbar und ein häufiger Grund für verwackelte Bilder.

OW: Schnee hat ja eine besondere Reflektionskraft. Wie bändige ich beleuchteten Schnee?

KPK: Am besten erst dann fotografieren, wenn die Sonne ganz tief steht. Hoch stehende Sonne im Winter ist öde. Für die Stimmung und für das Bildergebnis. Die Kontraste sind dann stets sehr hart, der Lichteinfall ist zu dominant. Das Zeitkontingent sollte man stattdessen für den nächsten Morgen oder Abend investieren.

OW: Hemmt das nicht die Spontanietät?

KPK: Die Frage lautet doch: Wie meistere ich die enormen Kontrastumfänge? Ich muss hohen technischen Aufwand und sogar Kon- trastmanagement betreiben. Dann muss man mit groß ächigen Aufhellern arbeiten. Je größer die Szene ist, umso dringlicher benötige ich eine große Blitzanlage. Also, für den normalen Hobbyfotografen bedeutet das: Finger davon lassen ... Es sei denn, man ist mit sauschlechten Shots zufrieden. Die harten Schatten müssen massiv ausgeleuchtet werden und die hellen Partien dürfen zugleich nicht ausbrennen. Sicherheitshalber immer im RAW-Format mit verschiedenen Belichtungsstufen und Verschlusszeiten probieren. Mit den so gewonnenen RAW-Daten kann ich dann am Computer nachhelfen. Für den Wanderer ist das aber auch dann in der Regel nicht lösbar ..

OW: Ich erinnere mich an eine tolle Winteraufnahme. Eine Gletschersituation im Hochgebirge, die Sonne als Stern über der Szene und zwei Tourenskigeher in leuchtenden Farben gekleidet im Nowhere...

KPK: Ja, diese Aufnahme stammt ja auch aus dem Hochgebirge. Da hilft einem die Natur. Wenn Du in der Nähe steile Wände voll Schnee hast, dann übernimmt die Natur das Aufhellen und Ausgleichen der Kontraste ... Wer jetzt gegen die Sonne fotografiert, der pro tiert von dem durch die senkrechten reflektierenden Flächen zurückgeworfenen Licht hinter dir oder neben Dir und hellt die harten Kontraste wundervoll auf.

OW: Also, wenn es um die Motive herum bzw. in der Szene natürliche Aufheller gibt, dann ist dem Wanderer geholfen?

KPK: Genau! Da reicht auch ein verschneiter Winterwald um dich herum bzw. hinter dir ...

OW: Was muss man beachten, wenn ich mit Teleobjektiven arbeiten möchte? Braucht man überhaupt das Tele im Winter?

KPK: Man braucht immer alle Objektive! Das Tele bestimmt ja vor allem das Verhältnis von Vorder- und Hintergrund. Wenn man den Hintergrund heranrücken will oder etwas freistellen möchte, dann ist das Tele genau richtig. Man muss bedenken, dass das Tele natürlich verwacklungsanfälliger ist, daher ist hier das stabile Stativ unverzichtbar.

OW: Winter ist eine Zeit mit langen Nächten. Was muss ich handwerklich beachten, um in den Winternächten fotografieren zu können.

KPK: Man sollte vor allen Dingen mit den Temperaturen zurechtkommen, die richtige Bekleidung, die richtigen Handschuhe sind daher wichtig. Der winterliche Sternenhimmel ist natürlich toll. Die klare Luft lässt den Sternenhimmel noch gigantischer als sonst erscheinen. Also, an die eigene Gesundheit denken. An der heutigen Fotoausrüstung gibt es eigentlich nur einen Schwachpunkt, das sind die Akkus. Die Akkus einiger Kameras sind schon bei leichten Plusgraden gefährdet, andere Kameras können auch minus 40 Grad ab. Da sollte man immer Ersatzakkus dabei haben und sie warm transportieren. Wenn man nun das wenige Licht einfangen muss, dann kann man nicht mehr wie sonst üblich mit Autofokus arbeiten. Daher gilt es manuell zu fokussieren, das müssen die Objektive können. Am besten ist es, wenn deren „unendlich“-Einstellung einen festen Anschlag hat. Beim Weitwinkel ist ab 10 Metern ohnehin alles unendlich. Sonst muss man leider tricksen. Variante 1: In der Umgebung einen hellen Punkt nden und darauf per Autofokus scharfstellen. Dann Au- tofokus ausstellen, dann auch nicht mehr an den Schärfering kommen. Auch nicht mehr zoomen. Variante 2: Das ist der Astrofotogra- fentrick. Man aktiviert den Liveview, zoomt da hinein und stellt auf die Sterne scharf, dabei muss man allerdings auch extrem gute Augen haben. Junge Leute schauen das. Das Stativ ist natürlich wieder Voraussetzung. Lange Verschlusszeiten erfordern eine Be- lichtungsmessung und da muss man im Dustern nun herumprobieren. Dabei sollte man bedenken, man steht im Dunkeln, das verleitet zum Unterbelichten. Lieber etwas überbelichten, in der üblichen Betrachtungssituation am Computer dürfte das dann genau passen. Dabei hilft auch das Histogramm. Im winterlichen Himmel hat man viel schwarz und das Histogramm ist natürlich linkslastig und dort mit Höhen ausgestattet.

OW: Sollte ich mit Stirn- oder Taschenlampe arbeiten?

KPK: Alleine arbeite ich mit Stirnlampe. Im Konzert mit anderen Fotografen nutze ich die Taschenlampe.

OW: Wie weiß ist Schnee eigentlich?

KPK: Schnee ist eigentlich rein weiß als Fläche. Der Schnee reflektiert wie eine weiße Leinwand und wird immer das ihn umgeben- deLichtreproduzieren. Bei mir ist also in den Fotos der Schnee nie weiß. Im Winter ist die ganze Landschaft Projektionsfläche, daher nimmt er die Farbe des ihn beleuchtenden Lichtes an. Im Sommer ist das zum Beispiel nur an großen Wasserflächen möglich. Im Winter habe ich die gesamte Landschaft als Gemäldeunterlage.

OW: Wie gehe ich mit dem Akku im Winter um?

KPK: Akkus immer möglichst in der untersten Bekleidungsschicht tragen. Mindestens einen, besser zwei Ersatzakkus mitnehmen (ebenfalls körpernah transportieren). Wenn man nicht mit Überraschungen rechnet, dann alle Akkus warm verstauen, bis es zur Aufnahme kommen sollte. Wenn die Kamera den Akku bereits leer anzeigt, dann wieder in die Wärme zurück damit. Er gewinnt in der Regel wieder Ladung zurück. Das geht zwei bis dreimal.

OW: Was ist sonst noch kälteempfindlich an der Ausrüstung?

KPK: Bei den Objektivmotoren habe ich bislang noch keine Probleme gehabt. Das war auch bei allen mir bekannten Amateuraus- rüstungen so. Bei sehr preiswerten Kameras sind viele Teile aus Kunststo gefertigt. Da können dann sehr tiefe Temperaturen zum Springen oder Reißen von Kunststo elemen- ten (etwa Displays, wenn sie ausklappbar sind ...) bei Stößen führen.

OW: Was trage ich als Fotograf an den Fingern?

KPK: Bei knapp unter Null Grad trage ich gar keine Handschuhe. Bis minus 10 Grad habe ich dünne Windstopperhandschuhe (Finger- linge) an. Bei noch tieferen Temperaturen ziehe ich dann noch Fäustlinge darüber. Die Fotografenhandschuhe mit den abklappbaren Fingerspitzen sind großer Murks. Da fängt man sich eher Erfrierungen der Fingerkuppen ein.

OW: Sind Wärmeakkus, Wärmepads und -gelpäckchen für Schuhe und Handschuhe zu empfehlen?

KPK: Wer es mag!

OW: Zweiter Aspekt in der winterlichen Zeit ist die Feuchtigkeit. Wie muss ich mich gegen Feuchtigkeit schützen?

KPK: Hier gibt es mehrere Faktoren. Spritzwassergedichtete Kameras sind natürlich für solche Situationen optimiert. Hat man die nicht, dann muss man höllisch aufpassen. Feuchtigkeit, die in die Objektive eindringt und von innen die Linsen beschlägt, kriegt man so gut wie nicht mehr weg. Dann aufpassen, dass die Kamera oder die Objektive nicht mit Kondenswasser oder Nässe von außen in Berührung kommen. Luftfeuchtigkeit in der Kälte ist nicht das Problem. Nieselregen, Regen und Kondenswasser hingegen sind gefährlich. Dann gibt es noch den kritischen Moment, wenn man von der Kälte in die Wärme kommt, dann beschlagen die Kameras und Objektive schnell. Wenn sie also nicht spritzwassergedichtet sind, müssen sie permanent geschützt werden, beispielsweise mit den Duschhauben aus dem Hotelbadezimmer. Gegen das Kälteproblem (drinnen- draußen), sollte man die nicht spritzwasser- geschützten Kameras in einem Gefrierbeutel möglichst luftdicht und eng verpacken ...

OW: Was ist mit den Speicherkarten – reagieren die auf Kälte?

KPK: Habe noch von keinen Problemen dabei gehört.

OW: Wie sinnvoll ist es, mit einer 128 GB–Speicherkarte herumzulaufen?

KPK: Sehr gefährlich! Ich nehme immer mehrere kleinere Karten mit. Meine Kameras haben zwei Slots, da habe ich immer schon beim Erstellen der Bilder eine Sicherungskopie. Das Risiko, mit einer riesigen Speicherkarte zu lange Zeit ohne doppelten Boden zu agieren ist groß.

OW: Wie geht man mit den benutzten Karten um?

KPK: Sobald ich festen Grund habe, werden alle Daten auf den Rechner kopiert (einen Computer und zwei externe Platten), damit erstelle ich drei Kopien. Die Karte wird gelöscht und die Uhrzeit der Kamera synchronisiert. Ich archiviere die Daten nie auf der Speicherkarte.

Mit Klaus-Peter Kappest sprach OutdoorWelten-Redakteur Michael Sänger.