1935 verliert Vitale Bramani, Bergführer und Alpinist aus Mailand, sechs seiner Freunde bei einem Unglück auf der 3305 Meter hohen Punta Rasica. Die Unfallursache? Sohlen aus Leder, lebensbedrohlich glatt und daher weder bergtauglich noch winterfest. Das Drama nehmen Bramani und sein Freund Ettore Castiglione zum Anlass, um nach rutschfesten Gummisohlen zu forschen. Unterstützt vom Know-how des Reifenherstellers Pirelli meldet Bramani 1937 mit dem Modell Carramato die erste Gummisohle zum Patent an. 80 Jahre ist das her. Mittlerweile produziert Vibram als Weltmarktführer 40 Millionen Paar Sohlen für etwa 1.000 Schuhmarken. Vibram erwirtschaftet 60 Prozent seines Umsatzes mit Sohlen für Sport- und Outdoorschuhe. Im Vibram Headquarter, es liegt 50 Kilometer nordwestlich von Mailand in Albizzate, konzentrieren sich 250 Mitarbeiter neben der Produktion in der firmeneigenen Fabrik auf Produktentwicklung und Design, Marketing, Sales und die strategische Ausrichtung des Unternehmens.

Der Name Vibram verbindet den verkürzten Vor- und Nachnamen des Gründers, Vitale Bramani. Heute leitet der zweifache Familienvater Marco Bramani das Unternehmen in dritter Generation. Ebenfalls vom Gründer eingeführt: das Vibram Oktagon hat sich unverändert bis heute als Markenzeichen gehalten. Wobei: 1969 wurde die Farbe von Gelb auf Gold geändert.

Vibram liefert keinen fertigen Schuh, sondern nur einen Baustein, allerdings den wichtigsten: die Sohle. Marketingdirektor Davide Canciani weiß um die Strahlkraft des goldenen Achtecks. Endverbraucher verbinden Vibram mit hoher Qualität, was Umfragen zufolge wesentlich zur Kaufentscheidung eines Schuhs beiträgt. Als Weltmarktführer ist Vibram mit seinen insgesamt 1.700 Mitarbeitern längst global aufgestellt und verfügt über Niederlassungen bzw. Produktionsstätten in Massachusetts, Brasilien und Asien. 2009 wurde das Vibram Technologie Zentrum (VTC) in Guangzhou/ China eröffnet. Auf dem 40.000 Quadratmeter großen Firmengelände forschen 50 Wissenschaftler an der perfekten Gummisohle und testen Prototypen. Auch die Komponenten für die »Arctic Grip« Sohle werden hier hergestellt. Die Vibram-Neuheit bietet – ohne Spikes – festen Halt auf nassem Eis. Die Zutaten des Wundergummis? Natürlich streng geheim!

Viele Firmen produzieren zwar im fernen China, bauen ihre Forschungszentren aber in der Heimat. Das Gegenteil macht Vibram. Die Entscheidung traf Marco Bramani höchstpersönlich. Vor zehn Jahren wurde er dafür belächelt. Jedoch: Die Investition hat sich gelohnt. 90 Prozent aller Schuhe weltweit werden in der Region produziert. Vibram ist mit seinem Standort also nah am Kunden. Außerdem wimmelt es in Guangzhou von Fachleuten aus dem Schuh-Business. In Europa sind Experten mittlerweile Mangelware.

Gummi kennt jeder. Aber was ist das eigentlich genau? Gummi bezeichnet Kautschuk oder ähnliche, natürliche Pflanzensäfte, die beim Erhitzen zu elastischen Feststoffen verhärten. Längst kann Gummi auch synthetisch hergestellt werden. Bei der Produktion greift Vibram unter Beigabe betriebsgeheimer Zusatzstoffe auf eine Mischung natürlicher und synthetischer Komponenten im Verhältnis 50:50 zurück. Kann die Konkurrenz das Geheimnis im Labor denn nicht entschlüsseln? Matteo Crovetto, General Manager im VTC, zieht einen Vergleich. Obwohl die Inhaltsstoffe von Coca Cola kein Geheimnis sind, schmecken Kopien anders. Offensichtlich kommt es auch bei Vibram auf die Mischung an. Reifengiganten wie Michelin, Continental oder Goodyear produzieren außerhalb ihres Kerngeschäfts ebenfalls Gummisohlen für Sportschuhe. Die größten Vibram Rivalen sind aber kurioserweise ganz andere, nämlich die besten Kunden. Jeder Schuhhersteller verwendet vor allem für preisgünstigere Modelle auch Sohlen aus eigener Produktion.

Einen Rekordumsatz von 200 Millionen Euro feierte man im Jahr 2011. 40 Prozent dieses Umsatzes erzielte man dabei mit der ersten Eigenmarke, den Vibram Five Fingers. Der minimalistische Zehenschuh wird wie eine zweite Haut über den Fuß gestülpt und imitiert das Barfußlaufen. Bis heute hat Vibram über sechs Millionen Paar davon verkauft. An den Erfolg der Five Fingers möchte man mit Furoshiki, dem jüngsten Vibram Produkt, anknüpfen und erneut beim Endverbraucher punkten. Konzept, Design und Name des Wickelschuhs, der in eine Handtasche passt, stammen aus Japan. Mit dem Lifestyle Modell will Vibram verstärkt Frauen als Kunden erreichen und in die Welt der Mode vordringen. (js)

 

MEHR INFOS
www.eu.vibram.com
www.vibram-fivefingers.de
www.vibram-fivefingers.de/vibram-fivefingers/furoshiki