Mist. Da habe ich wohl mal wieder etwas nicht ganz bis zum Ende durchdacht. Einen Wanderstock in einem wirklich kleinen Bötchen aus Spezialnylon transportieren? Ich stehe in Lollar an der Lahn und will vom Land auf den Fluss umsatteln. Ich starte nahe der Lahnquelle am Bahnhof Feudingen an einem Samstag Ende September, der viel Sonne, aber auch Regen verspricht. Der Lahnwanderweg soll mir als Leitfaden für die Tour zu Land und zu Wasser dienen. Gut gelaunt schultre ich meinen altbewährten Rucksack mit allem drin, was sich bei vorherigen Wanderungen mit Zelt bewährt hat. Plus eben Minimi, wie ich mein Packraft oder Ultraleichtboot getauft habe: 84 cm breit, 210 cm lang und 1,7 kg leicht. Diese Mischung aus kompakten Gummiboot und Kanu ist so robust, dass sie meinen 60l-Rucksack allemal tragen kann. Zu Fuß unterwegs sein und wenn man will, einfach im Boot das Wasser runter? Für mich als Paddel- und Wanderbegeisterte einfach nur perfekt!

Vom Tal auf die Lahnhöhen hinauf, elektrisiert die Euphorie des „Es geht endlich los!“ alle Muskeln, die Sonne strahlt durch lichten Wald und weite Felder, so sollte jedes Abenteuer starten. Ziel ist in knapp 20 km Bad Laasphe, das ich fast trocken erreicht hätte. Fast. Tropfnass komme ich am Campingplatz an. Der Besitzer lächelt nur mild über mein Zelt und zeigt mir die Dachkammer: „Hier kannste bleiben für ‘ne Nacht. Issne Notunterkunft.“ Dankbar schmiede ich in der schönen Altstadt weitere Pläne. Auch Biedenkopf erlebe ich im Dauerregen und flüchte ausnahmsweise in ein Hotelzimmer. Am nächsten Tag wartet schon nach wenigen Minuten eine Zufallsbegegnung. 

Mark dreht in seinem Auto um, nur um zu fragen, wieso ich hier so mit dem Gepäck rumlaufe, und schenkt mir zum Abschied einen kleinen Glücksbringer. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie man andere Menschen begeistern kann, nur weil man durch die Gegend läuft! Beschwingt durch das herzliche Interesse erreiche ich den 17 km entfernten und wunderschön in den Lahnauen gelegenen Campingplatz Auenland bei Buchenau wie im Flug. Das liegt auch an der neuen Packordnung: Minimi ist in den Rucksack umgelagert, außen sind nun Zelt und Schlafsack fest verzurrt! So bringt mich der vierte Wandertag zur Studentenstadt Marburg. Das Wetter ist hervorragend angekündigt für die nächsten Tage – ich will aufs Wasser! Ich überstehe nach einem leckeren Essen in einem süßen bretonischen Bistro eine mit Temperaturen um die null Grad eisigkalte Nacht auf dem Campingplatz Lahnaue. Hätte ich mal den dickeren Schlafsack eingepackt…

Mit der Bahn geht es bis Lollar-Odenhausen, ab hier ist der Fluss momentan gut befahrbar. Mit kindlicher Vorfreude packe ich alles aus dem Rucksack und blase das Bötchen mit dem Luftsack auf. Auch das dreigeteilte Paddel, 365 g leicht, ist schnell zusammengesteckt, doch das Umpacken hält mich dann doch lange auf.

 

Hanna Engler: glücklich mit sich und dem Packrafting © Hanna Engler

Da wären zum einen meine Wanderschuhe, die ja auch irgendwie mit müssen. Ach ja, und der so hilfreiche Wanderstock der Oma, der erweist sich nun doch als etwas hinderlich. Zudem passt mein Rucksack zwar in den 70–100l großen wasserdichten Packsack, aber nicht mit der außen dran gepackten Ausrüstung. Was für ein Glück, dass ich mehr aus Zufall einen zweiten Packsack dabei habe, darin werden Zelt und Schuhe schließlich untergebracht. 

Puh! Am Ende sind der schwere große Rucksack vorn und das kleine Paket hinten sicher verstaut. Ich stehe vor dem überladen aussehenden Boot und grinse. Rosi, die an der Kanustation für die letzten Saisontage den Imbiss geöffnet hat, hilft mir, das Gefährt ins Wasser zu bugsieren. Ich steige wacklig ein und winke lachend in die Kamera: „Also sowas habe ich ja noch nie gesehen!“, verabschiedet sich Rosi, und ich mache grinsend die ersten Paddelschläge auf der Lahn.

Mit dem etwas schwankenden Rucksack und dazu dem Wanderstock an Bord komme ich mir wie ein Walross in einem zu kleinen, schwimmenden Fass vor! Doch das kurze Boot hält mit höherem Gewicht auf der Schnauze besser die Spur als mit wenig Gepäck, auch wenn es sich tendenziell zu drehen anfängt, sobald man aufhört zu paddeln – das macht das Vorwärtskommen an manchen Stellen etwas mühsam, aber ich bin ja nicht für ein Wettrennen hier.

 

Den vollständigen Artikel finden Sie in der OutdoorWelten Sommerausgabe 2019.

Hier geht's zur Online-Bestellung


Aktiv-Guide Packrafting an der Lahn

Tour am Lahnwanderweg

Länge: 295 km langer Prädikats-Fernwanderweg (19 Etappen) von der Quelle im Rothaargebirge in Netphen (bei Siegen) bis zur Mündung des Flusses in den Rhein bei Lahnstein-Niederlahnstein

Dauer der Wander-Paddel-Tour: 10 Tage, davon 5 Tage wandernd (19,6 km; 12,1 km; 17 km; 17,6 km; 14,5 km), 4 paddelnd (19,5 km; 10 km; 16 km; 17 km)

Stationen: Bahnhof Feudingen – Campingplatz Bad Laasphe – Bahnhof Wallau/Biedenkopf Hotel Reich der Mitte – Campingplatz Auenland bei Buchenau – Bahnhof Caldern/Campingplatz Lahnaue Marburg/Festplatz Odenhausen-Friedelhausen – Campingplatz Dutenhofener See - Campingplatz Wetzlar – Stell- und Zeltplatz Lahnwiese Leun – Campingplatz Odersbach bei Weilburg – Bahnhof Gräveneck.