OutdoorWelten: Warum ausgerechnet Norwegen?

Simon Michalowicz: Mit den Eltern ging es zunächst nach Dänemark und dann in Tagesaus ügen nach Norwegen – und so kam es, dass später bei der Suche nach Fernwanderzielen Norwegen ganz oben auf meiner Wunschliste stand.

OutdoorWelten: Ruhe und Abgeschiedenheit sind eigentlich eher Ziele für ältere gestresste Urlauber, die den Trubel nicht mehr brauchen. Aber sie haben von Anfang an Norwegen bevorzugt. Warum?

Simon Michalowicz: Mich fasziniert der normale Umgang der Norweger mit dem Naturerlebnis. Die haben sogar auf Schokoriegeln Tourentipps. Bei uns gilt Trekking als etwas Besonderes, als extrem. Für die Norweger ist es das Normalste der Welt, dass man wochenlang durch die Natur streift mit sehr einfachen Mitteln, unbewirtschaftete Hütten besucht und dann weiterzieht. Ganz deutlich wird der Unterschied bei der Jagd. Bei uns ist das ein Sport für Betuchte mit einem gewissen Nebengeschmack. Jäger sind eine fast geschlossene Gesellschaft. Wenn in Norwegen Elchjagd ist, dann geht nichts mehr. Alle sind auf Elchjagd. Das ist wie bei uns Karneval in Köln. Das Naturerlebnis ist komplett in den Alltag integriert und jeder macht es. Versuchen Sie mal Freitag nach zwei jemanden im Büro anzurufen.

OutdoorWelten: Das klingt bei Ihnen nicht nach einem einmaligen Highlight, sondern eher nach einer lebenslangen Leidenschaft.

Simon Michalowicz: So ist es! Wenn mich einer fragen würde, wann ich wieder Lust hätte loszuziehen, stünde ich nach einer Stunde fertig bepackt auf der Matte. Mehr noch, diese unaufgeregte intensive Naturverbundenheit weckt bei mir den Wunsch, immer wieder nach Norwegen zu fahren und letztlich könnte ich mir dort auch ein Leben vorstellen. Das ist jedesmal wie eine Heimkehr in meine Seelenheimat. Im Grunde ist die Rückkehr nach Deutschland die größere Herausforderung. Ich denke vor allem an den Autoverkehr. Der läuft bei den Skandinaviern viel entspannter. Irgendwie begleitet einen bei uns permanent so ein zivilisatorisches Grundrauschen, das einen nicht wirklich zur Ruhe kommen lässt. Die Norweger gehen mit Zeit viel souveräner um. Ein häufig gebrauchter Spruch lautet: ‚Das  findet sich schon‘. Da bekommt der hohe Norden fast südländische Züge. Das kann ungeduldigen Urlaubern aus unseren Gefilden gehörig auf die Nerven gehen. Sicherlich wird es in international operierenden Unternehmen auch professionell und effzient zugehen, aber der Zeitdruck zieht sich nicht durch den komplette Alltag. Er ergreift nicht so sehr Besitz von den Menschen wie bei uns.

OutdoorWelten: Warum die große Strecke? Hätte die Hälfte für dieselbe Erfahrung nicht auch gereicht?

Simon Michalowicz: Keinesfalls! Am Anfang stand ich unter dem selbst auferlegten Leistungsdruck das Ziel auch einzuhalten, mich nicht zu blamieren. Dann hatte ich ein Schlüsselerlebnis durch die Begegnung mit einem bekannten norwegischen Outdoor- Abenteurer. Er meinte, ich solle jeden Tag bewusst genießen und mir darüber klar sein, dass dies die vielleicht schönste Zeit meines Lebens werden wird. Ich habe mir die Worte immer wieder in Erinnerung gerufen, auch in schlechter Zeit, wenn es um Wetter und Gesundheit nicht zum Besten stand. Er hatte Recht. Am Ende wollte ich nicht mehr nach Hause zurück.

OutdoorWelten: Gibt es in Norwegen auch so starke regionale Unterschiede wie in Deutschland?

Simon Michalowicz: Ich will das nicht vergleichen, aber je weiter man sich von Städten entfernt, desto gastfreundlicher und gelassener werden die Menschen. Oben im Norden war die Gelassenheit besonders stark zu spüren. Zeit spielt eine untergeordnete Rolle. Die sozialen Unterschiede übrigens auch. Da könnte in in der Hütte der König im verschwitzten Hemd neben einem sitzen und du merkst es nicht. Ir- gendwie tritt alles hinter der überwältigen Natur zurück. Sie ist der Hauptdarsteller, gibt den Ton an, den Rhythmus vor und schlägt jeden in den Bann. Und es wird nie eintönig. Die weiten Hügellandschaften im Norden, die schroffen Felswände im Süden, die bunten Heideflächen, der Wechsel der Gesteinsarten.

OutdoorWelten: Kommen wir zu ihrer Sprache. Sie haben die Gabe sehr detailreich und di erenziert ihre Erlebnisse lebendig zu machen. Woher kommt das

Simon Michalowicz: Außer meiner Vorliebe für Naturbücher und Erlebnisberichte fällt mir nichts dazu ein. Es muss wohl eine gewisse Begabung da sein, die Eindrücke in Worte zu fassen. Nach dem Buch lässt es sich ja kaum leugnen. Ich freue mich sehr darüber, die Leser quasi mitzunehmen. Inzwischen halte ich auch viele Vorträge über meine Norwegenerlebnisse. Was für eine Entwicklung! Damals wollte ich nur loslaufen und eine schöne Zeit haben. Die habe ich jetzt häufiger. In ein paar Tagen geht es auf Skitour nach Grönland mit dem Fotografen Martin Hülle.

OutdoorWelten: Ich wünsche Ihnen dafür alles Gute und bedanke mich für das Gespräch.

Das Interview führte Lutz Bormann