Die Luft ist glasklar, ein eiskalter Sturm pfeift von Norden übers trocken gefallene Watt, das in der Morgensonne glänzt. »Moin moin, schönes Wetter habt ihr mitgebracht: Sonne, Fernsicht und kaum Wind«, begrüßt uns Wattführer Karsten Bronk, der seinen Traumjob gefunden hat. So ist das also mit dem Wind hier oben. Er sprüht vor Energie und kontrolliert unsere Wanderausrüstung. Bis zu den Knien werden wir durchs Wasser waten, wenn wir Priele queren, die Gezeitenkanäle im Watt. Die Klamotten sind alt, die Hosenbeine lassen sich hochkrempeln, nur beim Schuhwerk kommt Kritik. Einige tragen wasserdichte hohe Socken. Es gibt äußerst scharfkantige Muscheln unter der Oberfläche, die mühelos die Fußsohle durchtrennen wenn jemand keine Schuhe trägt. Alte Turnschuhe, die man danach entsorgen kann oder die mehrere Waschgänge nicht übel nehmen, sind optimal geeignet.

Es geht los, niemand aus unserer Besuchergruppe hat das Watt je gesehen. Wir fragen, Bronk antwortet. Die Insel vor uns heißt Neuwerk, ist nicht ein paar hundert Schritte entfernt sondern acht Kilometer, denn die klare Luft täuscht uns. Sieben Meter liegt sie höher als unser Ausgangspunkt am Strand von Cuxhaven. Wenn die Flut kommt, steht das Wasser ruckzuck drei Meter hoch und die Priele lassen sich nicht mehr queren. Wer dann vom Festland abgeschnitten ist, kann sich auf eine Rettungsbake flüchten, ein Drahtkäfig mit Zustiegsleiter, der mehreren Personen Platz bietet, bis ein Boot vom Festland sie abholt. Mehrmals sitzt während der Hauptsaison einer da oben. »Deswegen heißen die bei uns Kurgastreusen«, lacht Bronk. Inzwischen kommt das zweite Frühstück auf Rädern, angeliefert vom »Hus achtern Diek«, mit den vermutlich besten Matjesbrötchen des Universums.

Immer spannender werden die Beschreibungen der biologischen Kreisläufe und Lebensformen, von Kieselalgen, Krabben, Wattwürmern und dem Modegemüse Queller, einem sprossenartigen Wattgewächs. Forscher untersuchten die im Watt lebende Radiolarie Clathrocorys teuscheri, bauten die Tripod-Konstruktion nach und fanden deren unübertreffliche Stabilität heraus. Nach diesem bionischen Vorbild konstruierte Windrad-Anker senken das Gewicht um 170 Tonnen und sparen Kosten. »Das Watt ändert ständig sein Gesicht, eine faszinierende, einzigartige Landschaft, als UNESCO-Weltnaturerbe in einer Liga mit dem Grand Canyon und durch die länderübergreifende Lage ein schönes Stück Europa«, sagt Bronk begeistert und gibt uns einen ökologischen Rat auf den Weg. In vielen Kosmetika, Waschmitteln und bis vor kurzem auch Zahnpastas sind mikroskopisch kleine Plastikkrümel enthalten, die letztlich die Weltmeere und die Mikroorganismen schädigen. Daher immer auf den ökologisch sinnvollen Inhaltsstoff Silikat achten. Wir verabschieden uns von einem Wattführer, der den »schönsten Job der Welt« hat, wenn er nicht gerade seinem Hobby, dem Fliegenfischen, nachgeht und können inzwischen nachvollziehen, warum er Recht hat.

Wenig später vertiefen wir unser Wissen im neu erbauten Weltnaturerbe Wattenmeer Besucherzentrum bei dessen Leiter Bernhard Rauhut. Sichtlich stolz erklärt er, dass der imposante moderne Holzbau für nur drei Millionen Euro schlüsselfertig übergeben wurde. Mehrere Stockwerke mit Ausstellung und Informationszentrum sind untergebracht, Büro- und Seminarräume. Rauhut erklärt die Landschaftsformen von Marsch, Geest und Moor – und dass man vor 10.000 Jahren noch zu Fuß nach England und Irland laufen konnte. Um hundert Meter ist der Meeresspiegel seither angestiegen. Natürlich sieht auch er die seit langem angestrebte Elbvertiefung kritisch, freut sich aber über das durchaus harmonische Verhältnis von Nationalpark und Tourismus.

Wir schlendern am Strand entlang zurück nach Duhnen, einem Ortsteil von Cuxhaven, und Rainer aus unserer Gruppe kriegt sich nicht mehr ein. Inzwischen hat er eine Woche Privaturlaub zum nächsten Hochzeitstag gebucht. Stimmt, auf so kleinem Raum eine Traumlandschaft, ein Biotop für Naturentdecker und Genießer, für kulinarische Feinspitze und wissbegierige Urlauber, für Augenmenschen mit Sinn für endlose Horizonte – und auch für gesundheitsbewusste Gäste.

»Ahoi« heißt das Thalassozentrum von Cuxhaven, das mit gewaltigem Aufwand kernsaniert wurde und nun Behandlungsräume der Luxusklasse bietet. Besonders Beschwerden der Atemwege finden hier Linderung. Solebäder, auch für die Paarbehandlung, mit Blick auf die Quelle der Wohltat, das Meerwasser der Nordsee – wo gibt es das nochmal? Dazu eine grandiose Dachterrasse mit Ruhemuscheln und ein großzügiger Saunabereich mit der exklusiven »Sauna Premium«-Auszeichnung. Klar, dass Rainers To-Do-Liste für den Hochzeitstag-Urlaub gerade um einen weiteren Punkt angewachsen ist.

Exklusiv und einmalig hingegen ist unsere Ausfahrt von Fedderwardersiel auf der Nordsee-Halbinsel Butjadingen mit einem echten Krabbenkutter. Nachdem das gebuchte Ausflugsboot im Dock liegt, hat kurzentschlossen die »Harmonie FED8« die Tour übernommen. Schnell werden wir Zeuge, warum das leckere Seafood so teuer geworden ist. Die Arbeit mit den Baumkurren ist hart, die ökologischen Auflagen für die Krabbenfischerei werden immer strenger und die Puhlerei vor Ort ist ökonomisch kaum umsetzbar. Welch ein Erlebnis, als Martin Sievers den Fang an Deck hievt und der Matrose uns jeden einzelnen Fisch anschaulich erklärt. Sowohl der kurze Besuch im kleinen Wremer Museum für Wattenfischerei als auch im Nationalpark-Haus Museum in Fedderwardersiel runden unseren Ausflug in die Fischerei ab.

Nicht minder eindrucksvoll ist unsere letzte Station in Butjadingen, wo uns Dr. Anika Seyferth das Projekt »Natur Erleben Langwarder Groden« erläutert. Politisch hart umkämpft ist durch die doppelte Deichanlage ein streng geschütztes Salzwiesenareal entstanden, das als Lebensraum seltener Vögel Ornithologen und Fotografen aus aller Welt anlockt. Im Watt, zur See, oder wie hier auf Bohlenpfaden und Rundwegen in diesem Nationalpark Natur zu entdecken, macht den Besucher tief glücklich und nachdenklich. Und das ist gut so!

 

UNESCO-WELTNATURERBE WATTENMEER

Es umfasst fünf Gebiete: Dänisches, Schleswig-Holsteinisches, Hamburgisches, Niedersächsisches und Niederländisches Wattenmeer.

SEHENSWERT 
Weltnaturerbe Besucherzentrum Cuxhaven, Nationalpark-Haus Museum Fedderwaddersiel, Wremer Museum für Wattenfischerei, Thalassozentrum Ahoi, Langwarder Groden mit Rund- und Bohlenwegen.

WICHTIGE LINKS
www.nationalpark-wattenmeer.de
www.cuxhaven.de
www.butjadingen.de
www.wattwandernneuwerk.de
www.wattbz.cuxhaven.de

DIE NORDSEE GMBH,
Rheinstraße 13
26506 Norden
Tel. 0 44 21/9 56 09 91;
www.die-nordsee.de

 

Schifffahrt und Inselbahn
Wangerooge

Wangerooge ist autofrei! Lassen Sie sich eine frische Brise gesunde Nordseeluft um die Nase wehen und durchqueren Sie mit der Inselbahn, eine Schmalspurbahn, die einzigartigen Salzwiesen, bevor Sie zum historischen Bahnhof und damit in den Ort gelangen. Informationen zu Fährüberfahrten nach Wangerooge mit Inselbahn, Rund- und Kutterfahrten ins Weltnaturerbe Wattenmeer erhalten Sie auf www.siw-wangerooge.de Tel. 0 44 64/94 94 11

 

Wangerland – Auf Entdeckertouren

Mal zur Insel Minsener Oog, mal vor der Küste des Wangerlandes: Beim Wattwandern im Wangerland kommt der sportliche Aspekt garantiert nicht zu kurz.

Wangerland Touristik GmbH
Tel. 0 44 26/98 70
www.wangerland.de

 

Dangast – Wattwanderung zum Leuchtturm
Wandern auf dem Meeresboden, endlose Weite vor sich und das Gefühl, der Natur ganz nah zu sein – dieses besondere Erlebnis haben sportlich ambitionierte Urlauber bei einer Wattwanderung zum Leuchtturm Arngast.

Kurverwaltung Nordseebad Dangast
Tel. 0 44 51/9 11 40; www.dangast.de
Wattführer Gerke Ennen
Tel. 0 44 65/5 70; www.wattlopen.de

 

Norderney – 360° Panorama über Insel und Meer

Norderney bietet nicht nur 80 km Rad- und Wanderwege, sondern auch mehrere Aussichtsdünen.

Dort liegt Ihnen das UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer regelrecht zu Füßen.

www.norderney.de