Es ist der Wunsch, für eine gewisse Zeit in, mit und vor allem von der Natur zu leben, der uns Menschen in die Wildnis zieht. Manchmal für einen Tag, manchmal für länger. Um zurückzukehren zu einer Lebensweise, wie sie ganz tief in der DNA des Menschen steckt und wie sie unsere Vorfahren vor Jahrtausenden ausgeübt haben, als wir noch Jäger und Sammler waren. Je größer unser Wohlstand, desto größer scheint bei vielen Menschen der Drang nach einem Ausbruch aus den Annehmlichkeiten unseres Alltags zu sein. Die Komfortzone verlassen, mal wieder ein kleines bisschen Höhlenmensch sein, ein Abenteuer erleben. All das haben Trekker, Bushcrafter und Survivalists irgendwie gemeinsam.

Survival, was so viel wie Überleben heißt, das ist die Simulation einer Extremsituation, in der es um das nackte Überleben geht. Lediglich mit einem Messer bewaffnet ziehen Hardcore-Survivalists wie Bear Grylls, der durch seine waghalsigen TV-Experimente berühmt geworden ist, freiwillig durch den Wald und leben teilweise über viele Tage hinweg ausschließlich von dem, was die Natur zu bieten hat. Aus Spaß an den Extremen, als Herausforderung an Geist und Körper oder als Vorbereitung auf eine Notsituation, die uns als Gesellschaft irgendwann einmal ereilen könnte. Wieviel Ausrüstung, wie viele Hilfs- und Zusatzmittel dabei sind und wo genau die Abgrenzung zwischen Trekking, Bushcraft und Survival liegen, das definiert jeder anders.


Lektion 1: Entzünde ein Feuer

Lektion 2: Bereite Nahrung zu

Grundausrüstung für Bushcraftanfänger


 

Bushcrafting (dt. soviel wie „Wald- oder Wildnisfertigkeiten“) hingegen ist am ehesten mit dem Tun der Pfadfinderbewegungen oder Waldläufer zu vergleichen. Autark und umweltbewusst in der Natur zu sein, mit ihr auf bestimmte Zeit zu verschmelzen, draußen zu übernachten und zu kochen – das haben sich die Bushcrafter auf ihre Fahnen geschrieben. Sowohl das Überlebensszenario (Survival) als auch das Machen von Strecke (Trekking) rücken in den Hintergrund, es geht mehr um das Erfahren der natürlichen Umgebung mit einfacher Ausstattung. Dabei können durchaus ein paar mehr Hilfsmittel und Ausrüstungsgegenstände zum Einsatz kommen als beim Survival.

Doch was muss ein Bushcrafter alles können? Was sind die wichtigsten Handwerke? Was muss er dabei haben und worauf muss er achten? Wir geben sechs erste Lektionen auf dem Weg zum Bushcraftprofi und stellen eine Leidenschaft vor, die in ihrer Komplexität und Vielfalt inzwischen ganze Lexika zu füllen vermag.

LEKTION 1: ENTZÜNDE EIN FEUER

Das Feuer ist auf der Suche nach Autarkie im Wald natürlich unerlässlich und steht auf der To-Do-Liste für Bushcrafter oftmals an erster Stelle. Essen kochen, Wäsche trocknen, für Wärme sorgen sind absolute Basics in der Natur. Da Chemie und Elektrik verpönt sind, kommen zum Einsatz: der selbstgebaute Holzbohrer für besonders geduldige Profis, der Feuerstahl, mit dessen Hilfe Funken erzeugt werden können, oder ein Löffel sowie die klassische Lupe, bei der man das Sonnenlicht gezielt auf einen Punkt bündelt, bis ein klitzekleines bisschen Glut entsteht. Bis es mit dem Feuerschlagen aus Feuerstein klappt, braucht es Geduld und Übung. Damit ein Feuer jedoch so richtig brennen kann, braucht es mehr als einen Funken. Zunder! Das ist sehr leicht brennbares Material in verschiedenster Form. Mal ist es Birkenrinde mit hohem Anteil an ätherischen Ölen, mal Kienspan oder pures Harz an Baumrinden. Fluffige Samen (Distel oder Löwenzahn zum Beispiel) eignen sich ebenso wie trockenes Gras, Reisig oder Stroh sowie verschiedene Baumpilze. Die Natur hat jede Menge nachwachsenden Zunder zu bieten, man muss ihn nur sammeln. Wer es bequemer mag, kann verschiedene Zündhilfen im Handel erwerben, zum Beispiel Watte oder Zündwolle für den Ofen.

Alle Zunder haben eines gemeinsam: Je feinfaseriger sie sind, desto besser fangen sie Feuer. So kann man beispielsweise auch einen trockenen Ast mit einem Messer einschnitzen und auffächern, es entsteht ein sogenannter „feather stick“, der prima als Zunder dienen kann. Watte zieht man am besten ein wenig auseinander und Gras bzw. Stroh sowie Birkenrinde wird grob in den Händen zerrieben, sodass die Oberflächen rau werden.

Hat man ein keines Zundernest zum Brennen gebracht, fehlt dann nur noch der Brennstoff. Hierzu findet man im Wald jede Menge Totholz, welches mit einem Beil oder einer Handsäge entsprechend des Bedarfs und der Art des Feuers auf die passende Größe gebracht werden kann. So, der Sonnenuntergang kann kommen.

LEKTION 2: BEREITE NAHRUNG ZU

Beim Kochzubehör gilt wie bei allen anderen Ausrüstungsgegenständen auch: je leichter, desto besser. Vor allem Kochzubehör aus Titan hat sich daher bewährt. Töpfe, Pfannen und Becher gibt es mittlerweile in allen erdenklichen Größen und zu erschwinglichen Preisen. Entweder man bastelt sich ein Dreibein aus Ästen und kocht über dem Feuer oder man stellt die Gefäße direkt in die Glut bzw. auf einen heißen Stein direkt am Feuer. Wer’s klassisch mag, spießt ein Stück Fleisch auf einen Stock und brät direkt auf offener Flamme.

Zu essen gibt es alles, was die Natur bietet und der Bushcrafter zuvor gesammelt hat. Kiefernnadeln und Brennnessel landen im Tee, gesammelte Pilze oder gepflücktes Obst im Abendessen und Beeren direkt im Mund. Dort, wo es möglich ist, kommt auch mal frisch gefangener Fisch auf den Speiseplan von Bushcraftern mit Angelschein. Es versteht sich von selbst, dass erfahrene Bushcrafter meist auch Asse in der Pflanzenbestimmung sind und genau wissen, was essbar ist und was nicht. Ein Pflanzen- und Pilzbestimmungsbuch gehört daher unbedingt in jede Bushcraftbibliothek. Doch da der Bushcrafter seine Leidenschaft nicht ganz so extrem auslegt wie die Survivalists, bereichert er seinen Speiseplan meist mit mitgebrachten Speisen. Da werden zum Teil ganze Menüs unter freiem Himmel gezaubert. Gegessen wird direkt aus dem Topf oder mit Hilfe von eigens gefertigten Gefäßen sowie Besteck aus Holz, die beim letzten Lagerfeuer geschnitzt worden sind.

Neben offenem Feuer kommen zahlreiche Kocher in die engere Wahl. Der Gaskocher auf der einen, Esbit- oder Trangiakocher auf der anderen Seite. Jeder dieser Kocher hat seine Vor- und Nachteile: Gaskocher brauchen mehr Platz, Esbit- oder Trangiakocher haben weniger Leistung. Kleine Kocher sind daher eher für Bushcraftsolisten geeignet. Praktisch sind auch die sogenannten Hobokocher, die nach dem Kaminprinzip funktionieren und je nach Modell mit verschiedenen Brennstoffen (Trangia, Esbit, Feuer, Gas, Holz) betrieben werden können. Durch den Kamineffekt lässt sich die Hitze des Feuers besonders effizient nutzen und man spart sich eine offene Feuerstelle. Sie sind meist faltbar und die Mitnahme von Brennstoff entfällt.


GRUNDAUSRÜSTUNG FÜR BUSHCRAFTANFÄNGER

 

KLEIDUNG

Hochwertige Outdoorkleidung, bestehend aus knöchelhohen, wasserdichten Schuhen mit gutem Profil, strapazierfähiger Hose mit vielen Taschen sowie gutem Regen- und Wetterschutz, alles in gedeckten Farben. Das oberste Gebot beim Bushcraften: Trocken bleiben!

RUCKSACK

Je nach Tourenvorhaben, 40 bis 60 Liter Volumen, wasserdicht bzw. -abweisend. Erste-Hilfe-Set nicht vergessen! Dry-bags!

WERKZEUG

Ein Hochwertiges Survival-Messer ist Pflicht! Für größere Projekte: kleines Beil und klappbare Handsäge.

FEUER UND LICHT

Feuerstahl und Zunder. Trockene, luft- und wasserdichte Aufbewahrungsbox für Zunder. Eine geladene Taschenlampe darf nicht fehlen.

KOCHZUBEHÖR

Leichtes Kochzubehör samt faltbarem Hobokocher sowie ein leichtes, verschließbares Gefäß fürs Wasser.

ÜBERNACHTUNG

Tarp bzw. eine wasserdichte Plane, wasserdichte Unterlage, eine sogenannte Elefantenhaut. Alternativ kleines Zelt.

 

Jarle Sänger
(erschienen in der OutdoorWelten Sommerausgabe 2020)


 

Teil 2 erscheint in der Winterausgabe, November 2020