„Bei einer Tour mit einem Oldtimer ist es irrelevant, möglichst schnell von hier nach dort zu kommen. Für unsere Strecken suche ich deshalb Landstraßen aus, Autobahnen sind reizlos.“ Für einen Urlaub der besonderen Art reisten unser Autor Thorsten Hoyer und seine Tochter Svea im Bulli quer durch Deutschland.


Text und Fotos: Thorsten Hoyer

Manchmal ernte ich überraschte Blicke, manchmal fühlt es sich an wie ein „Outen“. Aber es ist, wie es ist, ich habe eine Liebhaberei: Oldtimer. Autos vornehmlich aus den 1970er und -80er Jahren, also aus meiner Kinder- und Jugendzeit. Da sind Erinnerungen an unsere „Familienkutschen“, wie einen Citroën DS mit roten Velourssitzen oder den giftgrünen Ford Granada meines Onkels, mit dem wir sonntags zum Angeln an den Edersee fuhren. Mit dem eigenen Führerschein in der Tasche ging es dann im VW Bus auf Touren durch das „neue“ Europa der (w)irren Wendezeit. Heute, 23 Jahre nach meiner letzten Bulli-Tour, will ich dieses Gefühl zurückhaben. Ein 31 Jahre alter T3-Bulli mit Zulassungsdatum an meinem Geburtsdatum steht dafür bereit. Der größte Unterschied zu damals: Neben mir sitzt meine Tochter Svea. 

Unser Bulli in Berlin, ein T3

Klimaanlage? Schnickschnack!

Es ist schwülheiß an diesem Montag im August, als wir bei der Firma FELIRAS Campingbusvermietung eintreffen. Wir stehen vor unserem weißen T3 California, der wegen seines faltbaren Aufstelldachs den Namen "W.indschnittig" bekommen hat. Bevor es losgeht, gibt es eine akribische Einweisung inklusive Probefahrt. Das schafft Vertrauen, schließlich werden wir mit einem Oldtimer unterwegs sein, dessen Tachostand sich einer halben Million Kilometern nähert. Auch wenn es schon lange her ist, finde ich mich erstaunlich schnell mit den T3- Eigenheiten zurecht. Ein fettes Grinsen im Gesicht, steuern wir mit dem Biosphärenreservat Spreewald das erste Ziel unserer Entdeckungsreise durch Deutschland an. Vorsichtshalber habe ich die ersten beiden Nächte auf einem Campingplatz in Lübbenau reserviert. Ansonsten werden wir uns treiben lassen und einfach schauen, wo wir landen.

Aber zunächst müssen wir bei drückenden 34 Grad Celsius durch den Berliner Feierabendverkehr. Die heruntergekurbelten Fenster können die am Limit agierende Lüftung nicht unterstützen. Gerade als wir uns durch eine nicht enden wollende Baustelle quälen, stürzt aus dem tiefgrauen Himmel jede Menge Regen nieder. Fenster hoch, Lüftung auf die beschlagene Frontscheibe – der Bulli wird zum Dampfbad. In den vom Scheibenwischer verteilten Wassermassen brechen sich die Lichter von Blinkern, Bremsen, Warnbarken sowie diversen Einsatzfahrzeugen.

Der Zauber des Spreewaldes

Mit dem Kajak durch den Spreewald

Nach 100 km haben wir unser Ziel erreicht und ergattern auf dem Campingplatz einen Stellplatz am Ufer des Lehder Fließ. Den Bulli parke ich so, dass wir bei geöffneter Heckklappe freien Blick auf das Wasser haben. Für die dringend notwendige Erfrischung steigen wir vom Bulli direkt ins Wasser. Die Nacht ist tropisch, die Heckklappe geöffnet. Früh gleiten erste Paddler durch das Wasser, was ein äsendes Reh am jenseitigen Ufer nicht stört. Die Morgensonne schiebt sich über Baumwipfel und taucht die Landschaft in ein zartes Licht. Heute soll es wieder heiß werden, dank des gestrigen Gewitters ist es aber nicht mehr schwül.

Die Traditionsgaststätte Wotschofska war auch
schon Drehkulisse für die Spreewaldkrimis

Da sich am Campingplatz Boote mieten lassen, sitzen wir gleich nach dem Frühstück in einem Kajak und sind nach nur wenigen Paddelschlägen in die faszinierende Auen- und Waldlandschaft der Spree eingetaucht. Das natürlich verzweigte Flusssystem wurde durch künstlich angelegte Kanäle erweitert, was sich beim Blick auf die Karte als sehr verwirrend darstellt. Des öfteren fallen mir Paddler und Paddlerinnen auf, die Karten vor sich hin und her drehen. Aber tatsächlich gibt es an Kreuzungen Schilder mit den Fließnamen sowie mit Orts- und Kilometerangaben. Wir erreichen die Traditionsgaststätte Wotschofska – der Name leitet sich vom sorbischen Wort für Insel ab –, die auch durch die ZDF-Serie Spreewaldkrimi bekannt wurde. Weiter geht es durch das Dorf Lehde, wo die Fließe Hauptverkehrswege sind. Bis heute erfolgen Postzustellung und Müllabfuhr mit Kähnen, die mittels Holzstangen zwischen den denkmalgeschützten Spreewaldhäusern bewegt werden. Die nur sieben Kilometer lange Tour reicht aus, um dem einzigartigen Charme des Spreewaldes zu erliegen. www.spreewald.de

Die Schwarze Mühle – Lausitzer Seen

Unser Bulli entpuppt sich als Aufmerksamkeitserreger, oft gibt es anerkennende Blicke, ein kurzes Gespräch, einmal sogar ein Kaufangebot. Bei einer Tour mit einem Oldtimer ist es irrelevant, möglichst schnell von hier nach dort zu kommen. Für unsere Strecken suche ich deshalb Landstraßen aus, Autobahnen sind reizlos. Unser heutiges Ziel erreichen wir nach rund 70 km: ?orny Chömc. Das ist der sorbische Name von Schwarzkollm, einer Ortschaft am Rande des Lausitzer Seenlandes im Siedlungsgebiet der Sorben. Hier befindet sich „die Schwarze Mühle im Koselbruch“, Schauplatz der sorbischen Volkssage um den Zauberer Krabat, die Otfried Preußler in seinem Kinder- und Jugendbuch „Krabat“ erzählt.

Die Schwarze Mühle im Koselbruch

Wir rollen mit unserem weißen Bulli vor die Schwarze Mühle. Svea springt heraus und während sie schon in Richtung Eingang läuft, suche ich noch einen schattigen Parkplatz. Die Schwarze Mühle ist ein Erlebnishof, wo die sagenhaften Geschehnisse um Krabat lebendig werden. Neben Gesindestube, Mühlrad und „Koraktor“, dem Buch der schwarzen Magie, gibt es einen Krabat-Erlebnispfad, auf dem wir Preußlers Krabat ganz nahe kommen.

Ein großartiges Angebot ist es, in unserem Bulli direkt neben der Mühle übernachten zu dürfen. Als dann auch der letzte Besucher fort ist, sitzen wir zwei bis weit in die Dunkelheit am Mühlrad und lesen uns gegenseitig aus Preußlers Krabat-Buch vor. www.lausitzerseenland.de

Roadtrips mit Tonbändern – Frankenwald

Heute steht ausnahmsweise eine lange Etappe an, die uns ins etwa 250 km entfernte Mödlareuth in den Frankenwald bringt. In aller Ruhe gondeln wir südwärts. Das Armaturenbrett stets im Blick, leben in meiner Erinnerung Touren durch das ehemalige Jugoslawien oder an Festivalbesuche in Dänemark auf. Svea hat es sich bequem gemacht. Tief in den Sitz gerutscht, die Fu?ße gegen das Armaturenbrett gestemmt, blickt sie auf die vorüberziehenden Landschaften. Sie mag das Unterwegssein. Während sie den CD-Player mit bayerischem Folkrock von Django 3000 füttert, vermisse ich in diesem Moment „Magic Fly“ der Band Space von einer leiernden Musikkassette.

Auf dem FrankenwaldSteigla Petersgrat im Frankenwald

In Mödlareuth haben wir unweit des Deutsch-Deutschen Museums übernachtet. Es regnet und die Temperaturen sind förmlich in den Keller gerauscht. Wir gehen entlang des Tannbaches, der zu Zeiten der deutschen Teilung die Grenze markierte, und betrachten die Grenzmauer sowie -zäune. Meiner Tochter ist bewusst, dass unsere eigene Familiengeschichte mit der der deutschen Teilung, aber auch deren Überwindung, eng verbunden ist. Auf der Fahrt in das beschauliche Örtchen Joditz, in dem der Schriftsteller Jean Paul einen Teil seiner Kindheit verbrachte, lässt der Regen nach, sodass wir noch den 10 km langen Rundwanderweg „FrankenwaldSteigla Petersgrat“ angehen. Der Himmel ist zwar dicht bewölkt, aber die Wanderung hoch oberhalb der Saale zum Aussichtspunkt Petersgrat beeindruckend. www.frankenwald-tourismus.de

Grenzenlose Begeisterung – Fränkische Schweiz

Bleiben oder weiterfahren? Wir entscheiden uns aufgrund des Wetters für Letzteres, schauen auf die Karte, ich suche im Netz, maximal 100 km wollen wir fahren. Ich finde einen Reiterhof in einem Ort namens Sanspareil. Als das Wort „Pferd“ fällt, ist mir bereits klar, dass ich wegen eines Reittermins dort gleich anrufen werde. Passt, und so machen wir uns auf in den Naturpark Fränkische Schweiz zu einem Ort, von dem ich noch nie etwas hörte. Nahe Hollfeld finden wir am Gasthaus Waldmühle einen perfekten Stellplatz. Mein Staunen ist groß, als ich dort einen roten T3 aus der Schweiz sowie einen original Westfalia T2 in zeitgenössischem grün und absolutem Traumzustand aus Belgien erspähe. Sprichwörtlich in grenzenloser Begeisterung vereint, sitzen wir am Abend zusammen und erzählen uns Geschichten von unseren Bulli-Reisen: mal lustig, mal haarsträubend, mal romantisch -– aber niemals langweilig. Es wird spät an diesem Abend.

Ein neuer Tag: Obwohl Sveas Reitausflug erst morgen ist, wird für sie jetzt schon jede Minute zur Ewigkeit. Es ist erst halb zehn vormittags, das wird noch fordernd. Mein Vorschlag für eine Wanderung wird zunächst mit Murren kommentiert, wir ziehen dann aber doch los. Nahe des Ortes Obernsees folgen wir dem Kindererlebnisweg durch einen Zauberwald, auf dem kleine Glücksritter mehr oder weniger schwere Prüfungen bestehen müssen. Kunstvoll gestaltete Tafeln entführen auch die Großen in die Sagenwelt der Fränkischen Schweiz. Gerade so eingelaufen, steigen wir auf dem Lochautal Rundweg hinauf zum Wachstein, um dem Zauberwald auf das grüne Dach zu schauen. Zurück an der Waldmühle, muss Svea plötzlich noch ganz dringend ihr Reit-T-Shirt waschen. Die magische Anziehungskraft von Pferden ... Ich hätte lange reden können.

Felsengarten in Sanspareil, Fränkische Schweiz

Endlich, der herbeigesehnte Tag ist da. Schnell wie selten ist meine Tochter startklar. Dass das Shirt noch feucht ist – geschenkt. Wir kutschieren nach Sanspareil, dessen Name auf das französische „sans pareil“ (dt. ohnegleichen) zurückgeht. So jedenfalls soll im Jahre 1746 eine Hofdame gerufen haben, als sie den hiesigen Felsengarten erblickte. Daraufhin wurde die Ortschaft Zwernitz in Sanspareil umbenannt. Bevor wir auf verschlungenen Pfaden durch den mystischen Felsengarten wandeln, geht es aber auf den benachbarten Pferdehof. Mit dem Pferd Mio steht dem Glück dieser Erde nichts mehr entgegen, ganz sicher für die nächsten eineinhalb Stunden. www.fraenkische-schweiz.com

"Cinema Natura" in der Rhön

Als nächstes Ziel habe ich für uns die Rhön ausgewählt. In diesem herrlichen Mittelgebirge wandere ich zwar nicht auf unbekannten Pfaden, aber die Einzigartigkeit der Landschaft zieht mich immer wieder an. Da wir keinen „Ritt“ von 200 km machen wollen, legen wir einen Zwischenstopp in Ebrach ein und besuchen den Baumwipfelpfad Steigerwald. Am nächsten Tag schlagen wir einen nördlichen Kurs ein und folgen wenig befahrenen Straßen in das Biosphärenreservat Rhön, wo wir den Wanderparkplatz Milseburg ansteuern. Nach einer ausgiebigen Rast lassen wir uns von der Extratour Milseburgweg hinauf zur Wallfahrtskapelle St. Gangolf leiten. Dann noch ein paar Meter und wir genießen vom felsigen Gipfel eine grandiose Aussicht. Noch, denn eine mächtige Front grauschwarzer Wolken zieht erstaunlich schnell auf. Als wir den Abstieg gerade so hinter uns haben und am Bulli stehen, setzt der Regen ein.

Auf dem Berg Milseburg in der Rhön

Auf der Fahrt zum Wanderparkplatz Schornhecke südöstlich der Wasserkuppe verdunkelt es sich zunehmend, bis es fast nachtschwarz ist. Gerade als wir auf dem Wanderparkplatz anhalten, stürzen wahre Wassermassen vom Himmel. Immer mehr Eisgraupel mischen sich darunter und trommeln heftig auf das Dach. Blitze durchschneiden die Dunkelheit, dem sogleich tiefes Donnergrollen folgt. Wir hängen an den Fenstern, beobachten die Machtdemonstration der Natur und trauen unseren Augen kaum, als wir inmitten dieses Geschehens drei zerzauste Kaninchen entdecken, die vor unserem Bulli hin- und herjagen. Ein wahrlich amüsantes Schauspiel! Nach einer halben Stunde hat sich das Wetter beruhigt und hinterlässt einen intensiven, geradezu betörenden Duft.

Die Schafe genießen das saftige Gras nach
dem kräftigen Gewitter vom Vorabend.

So wild und rau der Abend war, so anmutig ist der Morgen mit Schafherde, magentafarbigem Blütenteppich und Sonnenschein. Über uns der makellos blaue Himmel, vor uns ein Tal mit weißem Wolkenteppich, aus dem ein paar Rhöngipfel herausragen. An einem Pfosten sind die Markierungen der Extratouren Rotes Moor und Hochrhöntour sowie die des Fernwanderweges Hochrhöner angebracht. Wir sind mittendrin im Wanderparadies. Welcher Markierung wir folgen, entscheiden wir beim Frühstück. www.rhoen.de

Zum Ende unserer Bulli-Tour geht es familiär zu: Die Großeltern werden besucht. Dafür fahren wir zunächst in die Nähe des Edersees und von dort nach Jena. Entlang von Saale, Elbe und Havel nähern wir uns schließlich wieder dem Ausgangspunkt unserer Deutschlandreise und ziehen ein glasklares Resümee: Das war eine echt coole Tour!

Tipps und Hinweise

Mieten statt Kaufen

Die sogenannte schönste Zeit des Jahres mit dem Wohnmobil oder Camper zu genießen, ist ein seit Jahren ungebrochener Trend. Nicht jeder möchte oder kann aber gleich in ein eigenes Fahrzeug investieren, da die Kosten für Anschaffung und Unterhalt beträchtlich sein können. Zudem soll es für viele ja auch nur mal ein etwas anderer Urlaub sein, was die Nachfrage nach entsprechenden Fahrzeugen aufgrund der coronabedingten Einschränkungen im Jahr 2020 nochmals kräftig ansteigen ließ. Die Lösung liegt also im Mieten eines modernen Wohnmobiles. Das Angebot ist riesig und reicht vom Wohnmobil in Omnibusgröße bis zum ausgebauten Minibus. Zu jedem Wunsch finden sich passende Angebote.

Mit dem Oldtimer-Bulli wird auch die Fahrt zum
Wanderstart zum Genuss

Schwieriger wird es dagegen, wenn man sich nicht mit einem neuen Fahrzeug auf den Weg machen will, sondern mit einem älteren – oder gar einen Oldtimer sucht. In unserem Fall war es der Klassiker schlechthin, ein VW Bus der Modellreihe T3. Ein Bulli transportiert Emotionen, weckt Erinnerungen, steht für eine Lebenseinstellung. Der Kreis der T3-Vermieter ist zwar sehr klein, aber es gibt sie. Ich wurde mit der Firma FELIRAS Campingbusvermietung GmbH in Berlin fündig. Firmengründer und -inhaber Felix Rascher und sein Team kümmern sich voller Leidenschaft um ihre beeindruckende Bulli-Flotte und ebenso um ihre Kunden. www.rent-a-bulli.de

Bulli-Pflege

Ein Oldtimer fordert auch von seinem Mieter Zuwendung. Das regelmäßige Kontrollieren von Motoröl und Kühlwasser während der Reise ist obligatorisch. Die Geschwindigkeit von 100 km/h soll nicht überschritten werden, was auch der persönlichen Entschleunigung zuträglich ist.

Übernachten

Während der Hauptreisezeiten ist das Reservieren von Stellplätzen in den beliebten Urlaubsregionen durchaus empfehlenswert, insbesondere wenn man im Rahmen einer Rundreise nur eine oder zwei Nächte bleiben möchte. Viele Städte und Gemeinden haben Wohnmobilstellplätze auch in zentralen Lagen eingerichtet, Reservierungen sind in der Regel nicht möglich. Das Angebot von www.landvergnügen.com ist richtig klasse: Dort gibt es eine Übersicht hunderter kostenloser Stellplätze auf Bauernhöfen in ganz Deutschland.