Es gibt kaum einen magischeren Wintermoment, als wenn das müde Licht des frühen Morgens ganz allmählich über den schneeweißen Gipfelreigen kriecht. Wenn sich die ersten warmen Strahlen wohltuend auf die Wangen legen, ehe sich der grelle Himmelskörper gänzlich über dem kantigen Relief erhebt. Und wenn die Sonne den Tag mit einem funkelnden Feuerwerk auf der unberührten Schneedecke fulminant eröffnet. Der Wind saust um die Ohren, die intakte Schneedecke knirscht. Sonst nichts als Stille. Die Magie der Wintersonne. Abseits des Skirummels, von Après-Ski und Seilbahnburgen ist sie unvergleichlich schön.

 

Schneeschuhwandern in Kals am Großglockner

Es ist früh am Morgen und bitterlich kalt. Dicke Flocken rieseln aus der grauen Wolkendecke über mir, legen sich lautlos auf meine Schultern, Arme und Hände. Gestern noch habe ich ihn aus meinem Fenster im gemütlichen, 1.920 m hoch und inmitten der abgeschiedenen Bergwelt gelegenen Lucknerhaus gesehen. Wie er im abendlichen Sonnenrot glühte, ehe die Nacht über den majestätischen Gipfel schlich. Den höchsten von Osttirols 266 Dreitausendern – und sogar den höchsten aller österreichischen Berge: den Großglockner.

Schneeschuhwandern vor atemberaubender Winterkulisse
© Nationalpark Hohe Tauern, Mathäus Garnter

An diesen beeindruckenden Anblick ist heute oberhalb von Kals am Großglockner, im Herzen von Osttirol, nicht zu denken. Ich ziehe meine Jacke zu bis unter das Kinn, zupfe die Mütze über meine Ohren und warte unruhig tippelnd auf dem Parkplatz vor dem altehrwürdigen Lucknerhaus am Eingang des Ködnitztales, einem von vielen einladenden Tälern in der Nationalparkregion Osttirol, auf Emanuel Egger.

Emanuel ist Ranger im Osttiroler Teil des Nationalpark Hohe Tauern und geht heute mit mir auf die Suche nach den wilden Überlebenskünstlern des Winters. Nature watch. Steinbock, Gämse, Bartgeier und Steinadler leben das ganze Jahr oberhalb der Baumgrenze, auch während der eisigen Jahreszeit unter den besonders widrigen Bedingungen in einer unberührten, malerischen Bergwelt, die weit über 3.000 m in die Höhe ragt.

Durch die Stille

Nach einer kurzen Einweisung machen wir uns auf. Das Gehen mit Schneeschuhen, heutzutage echte Leichtgewichte aus Hartplastik mit scharfen Zacken für guten Halt, unterscheidet sich kaum vom normalen Wandern und nach wenigen Metern habe ich das geliehene Zubehör unter meinen Schuhen auch schon vergessen. Wohin mich Emanuel führt, das weiß ich nicht. Neugierig reihe ich mich hinter ihm ein und folge ihm fortan von Schritt zu Schritt. Eine fluffige Schicht aus Neuschnee hat sich über den harschen Altschnee gelegt, das macht das Laufen fast schon spielerisch.

Schnee und Kälte ist für Gämsen kein Problem
© Nationalpark Hohe Tauern, Gunther Greimann

Schnell geraten wir in einen gleichmäßigen Rhythmus, wir steigen über einen tief verschneiten, kurvenreichen Almweg empor. Der Schnee indes rieselt ohne Unterlass, von der glitzernden Wintersonne ist keine Spur. Was uns umgibt, ist eine kaum zu beschreibende Stille in einer zu dieser Jahreszeit so lebensabweisenden Umgebung. Atmen, knirschen, atmen. Dann bleibt Emanuel plötzlich stehen, zückt sein Fernglas und lenkt meinen Blick auf eine Gruppe von Gämsen, die hoch über uns trittsicher über einen Kamm ziehen. Mit geschultem Auge erfasst und zählt er alle Exemplare, während ich den friedlichen Tieren wortlos hinterher blicke. Denn hier im Nationalpark Hohe Tauern sind die Ranger nicht nur für geführte Wanderungen, sondern auch für den Schutz der Tiere und der intakten Natur zuständig.

Wunder im Blick

Majestätischer Anblick: der Steinbock 
© Nationalpark Hohe Tauern, Simon Zeiner

Wir ziehen weiter, stetig bergauf. Dann verlassen wir den steilen Almweg und Emanuel zieht in Richtung eines kleinen Wäldchens. Versteckt darin: eine abgelegene Jagdhütte, imposant auf einem ausladenden Felssporn gelegen. Mit bestem Blick in das Ködnitztal hinein, über dem bei guter Sicht der Großglockner thront. Immer wieder sucht er die gegenüberliegenden Berghänge mit seinem Fernglas ab und immer wieder entdeckt er die wilden Bewohner der Berge. Besonders die majestätischen Steinböcke in einer Steilwand vor uns werde ich so schnell nicht vergessen. Ein demütiger und zugleich ergreifender Anblick, wissend über die einst so akute Gefahr ihres Aussterbens.

Dieser eine Moment

Es schneit nicht mehr. Mittlerweile sind wir wieder im Abstieg begriffen, da wird es schlagartig heller um uns herum. Die Schneedecke wandelt sich von grau zu weiß, ehe es passiert und die Sonne wacker durch die dichte Wolkendecke drängt. Was für ein Gefühl, hier draußen in dieser fremden, stillen Welt, als die ersten warmen Sonnenstrahlen des Tages auf mein Gesicht treffen und die Energie förmlich in die Natur pinseln. Da ist sie, die Wintersonne. Plötzlich und unverhofft kitzelt sie das Leben wach.

Und ich? Nur und ausschließlich im Hier und Jetzt, vollumfänglich in der Magie dieses Moments gefangen. Einzigartig. Da lässt es sich verkraften, dass die Sonne schon bald wieder hinter dem Winterschleier verschwindet. Es war ein kurzer Besuch, dafür jedoch ein eindrückliches Erlebnis und ein Beweis dafür, dass die Wintersonne den ganzen Tag über, ja sogar bis spät in den Abend hinein, solche magischen Momente hervorbringen kann.

 

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Skitourengehen im Großartal

Schritt um Schritt tiefer hinein in den 
Nationalpark Hohe Tauern © Tom Wirnsperger

Ich bin aufgeregt, denn – durchaus geübt auf Alpin- und Langlaufski – ist es heute das erste Mal, dass ich auf Tourenski stehen werde. Früh am Morgen treffe ich mich im Herzen des geschäftigen, kleinen Großarl mit Bartl Gruber, der mich mit seinem allradgetriebenen Geländewagen über verschneite Straßen ins Ellmautal fährt, einem Seitental des Großarltals.

Das Großarltal südlich von Salzburg ist prädestiniert für Skitouren, vor allem aufgrund der almreichen Berge mit den im Sommer so üppigen Bergwiesen und vielen Gipfeln, die sich von einer eher zahmen und sanften Seite zeigen. Das Wetter jedenfalls spielt mit. Der Himmel ist wolkenfrei und das Licht des frühen Tages wartet schon, irgendwo hinter den Gipfeln, auf seinen großen Auftritt.

Der Spur nach

„Ein Tourenski ist meist etwas kürzer, breiter und weicher als ein normaler Alpinski“, erklärt Bartl. Für den Aufstieg werden Felle unter die Bretter gespannt, sodass man auch bei starker Steigung nicht zurückrutscht und mit den Brettern am Fuß hinaufsteigen kann. Immer mit dabei ist auch ein LVS, ein Lawinenverschüttetensuchgerät, welches während der Wintermonate vor jeder Tour an eigens errichteten Sensoren in Parkplatznähe auf seine Funktion getestet werden kann und unbedingt sollte.

Mit LVS, einer Schaufel, warmem Tee und Stöcken mit breiten Tellern ausgestattet, geht es zunächst noch recht einfach los. So früh am Morgen noch vollkommen im Schatten des tief eingeschnittenen Tals, steigen wir auf einer bereits deutlich sichtbaren Spur hinauf durch den Wald. Links und rechts erheben sich die imposanten Bergflanken, die ganz oben schon im frühen Gold des Tages erstrahlen, und ich gerate schnell auf Betriebstemperatur. Unser Ziel ist der 2.049 m hohe Loosbühel. Im Sommer ein waldfreier, sonniger und sanfter Gipfel mit fantastischer Aussicht, im Winter ein traumhafter und für Anfänger geeigneter Skitourenberg. Mittlerweile ist die Sonne über die Berge gekrochen, der Schnee glitzert, blitzt und funkelt. Und ich schlurfe rhythmisch auf dieser einen Spur dem Gipfel entgegen.

Winterkontraste

Auch ohne Blätter wunderschön © Tom Wirnsperger

Vorbei ziehen wir an der längst geschlossenen Filzmoosalm. Während des Bergsommers baden Wanderer auf der Terrasse lebensfroh in der Sonne, ich selbst war hier schon einmal zum Bergwandern. Im Winter jedoch herrscht Stille und die Almhütte trotzt mit ihren fest versperrten Fensterläden den eisigen Krallen des Winters, auch wenn an diesem Tag die bislang noch schwache Sonne ebenso frei von Wolken am Himmel prangt. Irgendwie symbolisch steht das hölzerne Bollwerk für die lebensfeindlichen Bedingungen hier oben.

Es wird steiler und wir verlassen die vorgespurte Route. Bartl stapft durch den hohen Schnee, ich folge. Wortlos, schnaufend. Mit jedem Schritt versinke ich tief und obwohl mein Tourenführer das Spuren übernimmt, schlauchen der steile Hang und der nachgiebige Schnee zunehmend. In engen Serpentinen kraxeln wir hinauf und in jeder Spitzkehre versuche ich die spezielle Technik – das sogenannte Bogentreten – anzuwenden, die mir der Österreicher zuvor gezeigt hat. Gar nicht so einfach in so einem steilen, mit meterhohem Pulverschnee überzogenen Gelände. Doch irgendwann wird es flacher und zahmer und wir erreichen den Gipfel. Oben fegt ein unbändiger, eisiger Wind. Was für ein Kontrast, hatte ich doch kurz zuvor beim Aufstieg in der kräftigen Wintersonne noch mächtig geschwitzt. Hastig streifen wir die Felle ab und sausen anschließend durch dicken Pulverschnee hinab zur ganzjährig geöffneten Loosbühelalm. Länger als zwei, drei Minuten halten wir es am Gipfelkreuz nicht aus.

Winterliche Einkehr

Beeindruckendes Farbenspiel 
© TVB Großarltal, Peter Maier

Fast so magisch wie die Wintersonne ist der Eintritt in die warme Stube. Das Feuer im Ofen flackert und die urigen Sitzecken sind mit weichen Kissen ausstaffiert. Die aus hellem Holz erbaute Almhütte könnte in diesem Moment nicht mehr Gemütlichkeit ausstrahlen. Bei herzhaften Käsespätzle und heißer Suppe erzählt mir Bartl von der spannenden Tätigkeit als Guide, ehe wir uns erneut in die Kälte wagen, uns auf die Bretter stellen und ins Tal hinab düsen. Eine wirklich aufregende Art und Weise, im Winter abseits des Seilbahntrubels unterwegs zu sein, diese Tourenski. Die rhythmischen und steten Aufstiege gepaart mit dem Spaß der Abfahrt, das ist eine tolle Mischung. „Anfänger sollten jedoch immer zunächst mit einem Guide unterwegs sein und niemals das LVS vergessen“, sagt Bartl. Das sei unerlässlich.

Tipp: Empfehlenswert ist das Aktivprogramm von BERG-GESUND (www.berg-gesund.at), bei dem es wöchentlich geführte Touren für Einsteiger gibt.

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Alpakawandern im Waldviertel

Alpakawanderungen sind beliebt, nicht nur im Winter
© Waldviertel Tourismus, sommertage.com

Das Waldviertel spielt im Reigen der touristisch so umfänglich erschlossenen Alpentäler gewiss die Rolle eines Geheimtipps in Österreich. Im sanft gewellten Land nahe der tschechischen Grenze, und nur eine Autostunde von Wien entfernt, geht es ganz besonders langsam zu. Alltagstrubel? Weiter weg könnte er kaum sein. Einzeln und verstreut schlummernde Örtchen, verschneite Straßen und tiefe Wälder spicken den winterlichen Hügelteppich. Aus den Schornsteinen der muckeligen Häuser steigt Rauch auf, aus den Fenstern dringt das warme Licht hinaus und der Wind fegt forsch über die üppige Schneedecke hinweg. Winterromantik, die sich bis dato kaum herumgesprochen hat.

Es ist diese Kulisse, die mich von Anfang an begeistert. Diese Gewissheit, dass es nicht viel braucht. Nein, es braucht fast gar nichts, um uns glücklich zu machen. Da draußen. Um uns zu begeistern mit nichts als der kilometerweiten Stille und uns in den Bann zu ziehen vom schweigsamen Zauber des Winters, den man hier fast vollkommen für sich allein hat.

Alpaka im Schlepptau

Gemeinsam tief hinein in den verschneiten Wald
© Waldviertel Tourismus, sommertage.com

Das Waldviertel mit seinen aussichtsreichen Felsformationen und tiefen Wäldern ist Heimat von Harald Vogler und seinen Alpakas. Wuschelige, treue Tiere mit kuscheligem Fell. Mal in braun, schwarz, grau oder weiß geschmückt. Auf seinem einladenden Biohof „Sonnseitn“ in Bad Großpertholz tummeln sich allerlei Tiere, die hier viel Freiraum genießen. Ziegen, Pferde, Hühner, Katzen und eben die Alpakas.

Die geführten Alpakawanderungen gehören zu den beliebtesten Aktivitäten, die man auf Haralds Bauernhof unternehmen kann. Vor allem im Winter strahlen die weichen Tiere eine rührende Geborgenheit aus. Wie ich mich zu verhalten habe, das erklärt mir Harald vorab, ehe sich der hellbraun geschmückte, friedvoll dreinblickende Romeo bei mir vorstellt und ich die Leine in die Hand gedrückt bekomme.

Die Tiere, ursprünglich aus Südamerika, lieben es rauszukommen und die Gegend auf einer der rund zweistündigen Alpakawanderungen unsicher zu machen. Die Sonne? Die scheint prall auf uns herab, nur wenige Wolken sind am Himmel zu finden. Es ist verhältnismäßig warm tagsüber, nachdem in der Nacht noch ein eisiger Wind über das Land gezogen war. So wandere ich unter Haralds Führung frohen Mutes und lediglich mit einem warmen Pullover gekleidet durch Abschlag, einen kleinen Ortsteil von Bad Großpertholz, in dem die Zeit irgendwie still zu stehen scheint.

Buntes Programm

Lange dauert es nicht, bis wir den Wald erreichen und ich eine Beziehung zu meinem Begleiter aufbaue, auch wenn ich zu Beginn oft noch damit beschäftigt bin, einen Schritt vor Romeo zu bleiben, den richtigen Abstand sowie die bevorzugte Leinenlänge einzuhalten, um das neugierige Alpaka nicht von dannen ziehen zu lassen. Genauso wie es mir Harald vorab gezeigt hat. Doch arglos und wohlwollend akzeptiert das kuschelige Tier seine Rolle in unserem Tross und Harald erzählt mir, dass er neben den Alpakawanderungen auch Angebote wie „Schule am Bauernhof“, tiergestützte Intervention sowie Hofführungen im Programm hat.

Bald schon soll eine kleine Ferienwohnung auf seinem Hof fertig sein, denn seit einigen Jahren, so sagt er, zeichne sich ein aufsteigender Trend ab: das Waldviertel als Ferienregion, auch wenn bisher fast ausschließlich Österreicher hier Urlaub machen. Besonders stolz ist er auf seinen Shop (auch online), in dem er wirklich beeindruckend weiche Produkte aus Alpakawolle mit ihrem ausgesprochen hohen Isolationsgrad anbietet. Das Vlies der Götter.

Unterwegs im Jetzt

Wintersonne über dem Waldviertel 
© Waldviertel Tourismus, sommertage.com

Im Team mit Romeo ziehe ich durch die winterlichen Wälder des Waldviertels. Ich merke, wie sehr mich nicht nur das Wandern in dieser unberührten Natur, sondern auch die Nähe zu den Tieren erdet. Man sagt, die Menschen reagieren auf die Schwingungen der friedvollen Wesen und unser Herzschlag verringere sich in Gegenwart der Alpakas. Auch wenn ich das in diesem Moment weder messen kann noch will, ich spüre es. Ich spüre, wie die Alltagslasten in die Ferne rücken und kaum etwas anderes in mir übrigbleibt als die Gegenwart. Die Einfachheit des Jetzt. Die Sonne, die sich in einem kunstvollen Lichtspiel durch das verästelte Dach des Waldes kitzelt, lässt indes den Schnee auf den Wipfeln der Nadelbäume schmelzen. Dicke Tropfen fallen von den Ästen hinab und graben kleine Kuhlen beim Aufprall auf die Schneedecke am Boden, wo die Eiskristalle im Wechsel von Licht und Schatten funkeln. Da ist sie wieder, die Wintersonne mit all ihren magischen Facetten. Und ich, glücklich. Inmitten des Waldviertels, einer beeindruckenden Region abseits jedweden Trubels.

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