Beelitz-Heilstätten

Beim Rundgang über das Gelände der Lungenheilstätten gibt's besondere Ein- und Ansichten
© Thorsten Hoyer

Unterwegs auf der Via Imperii, im Mittelalter eine der bekanntesten Fernhandelsstraßen und heute zum weit verzweigten Netz der Jakobswege gehörend, gelange ich im Naturpark Nuthe-Nieplitz nach Beelitz. War der Ort im Mittelalter als Wallfahrtsort bekannt, ist es heute der Anbau von Spargel, der dem 13.000 Einwohner zählenden Städtchen kulinarischen Ruhm beschert. Beelitz ist Herz des größten Spargelanbaugebietes in Brandenburg und darf sich daher mit dem Zusatz „Spargelstadt“ schmücken. Zu entdecken gibt es aber noch etwas ganz anderes: die „Heilstätten“. Als sich Ende des 19. Jh. die stark ansteckende Tuberkulose in Berlin ausbreitete und es in der Millionenstadt mangels sauberer Luft keine adäquate Heilmöglichkeiten gab, wurde im Jahr 1898 mit dem Bau einer Lungenheilstätte im rund 50 km entfernten Beelitz begonnen. Bis zum Jahr 1930 entstand auf etwa 200 Hektar ein hochmoderner Klinikkomplex mit 1.200 Betten und eigenständiger Infrastruktur inklusive Postamt und Kirche. Während der beiden Weltkriege wurden die Heilstätten zum Lazarett umfunktioniert, in dem im Jahr 1916 auch Adolf Hitler untergebracht war. Nach Ende des 2. Weltkrieges übernahm die Rote Armee das Gelände, die es bis zum Abzug der sowjetischen Truppen 1994 als größtes Militärhospital außerhalb der Sowjetunion nutzte. Hier verbrachte Erich Honecker einige Monate, bevor er im März 1991 das inzwischen geeinte Deutschland Richtung Moskau verließ. Bis zum Jahr 2015 geschah auf dem Gelände so gut wie nichts. Zumindest nichts, was die architektonisch wertvollen Gebäude vor dem Zahn der Zeit schützte; sie waren dem Verfall preisgegeben. Dafür wurden die Heilstätten als „Abenteuerspielplatz“ mit Gruselfaktor entdeckt. Besonders die Alte Chirurgie zog „Besucher“ an, die beim Durchstreifen der noch mehr oder weniger ausgestatteten Operationssäle ihren Adrenalinkick suchten. Dass es dabei zu erheblichem Vandalismus kam, überrascht leider nicht. Stück für Stück kehrt heute das Leben wieder zurück, auch in Form von spannungsgeladenen Führungen – u.a. durch die Alte Chirurgie.

„Baum und Zeit“, so der Name des Parkgeländes mit Baumkronenpfad, bietet verschiedene Führungen durch die Geschichte der Heilstätten an.
Weitere Infos: www.baumundzeit.de

DIe "verbotene Stadt"

Vor dem Haus der Offiziere blickt Lenin über den verwaisten Exerzierplatz der "Verbotenen Stadt"
© Thorsten Hoyer

Nur rund 50 km sind es von Beelitz nach Zossen, genauer in dessen Ortsteil Wünsdorf- Waldstadt. Der Ort ist eine alte Garnisonsstadt, deren Geschichte bis in die Kaiserzeit zurückreicht. Aus dieser Zeit stammen auch die prächtigen Gebäude auf einem riesigen Areal, das nur im Rahmen von Führungen zugänglich ist. Ansonsten verwehren Zäune den Zutritt – wer sich nicht daran hält, findet sich irgendwo auf einem Monitor wieder. Ein großer Exerzierplatz liegt der hohen Fassade des einstigen Hauses der Offiziere zu Füßen. Den hier zunächst marschierenden kaiserlichen Truppen folgten die der Wehrmacht, anschließend kam die Rote Armee. Die Soldaten brachten ihre Familien mit, so dass hier einst bis zu 75.000 Menschen aus der damaligen Sowjetunion lebten. Es war eine völlig autarke sowjetische Stadt mit täglicher Zugverbindung ins gut 1.900 km entfernte Moskau. Was von den 1950er Jahren bis zum Abzug der sowjetischen Soldaten im Jahr 1994 in der „Verbotenen Stadt“ vor sich ging, wusste kein DDR-Bürger – für sie blieben die Absperrungen geschlossen. Heute blickt Lenin in typischer Pose und mit versteinerter Miene von seinem Sockel auf den weitläufigen Platz, über den Gras wächst. Wirkt allein das schon wie aus der Zeit gefallen, wird es im Innern der historischen Gebäude erst recht skurril. Dort verlieren protzig-heroische Wandgemälde den Halt und lösen sich allmählich auf, Türen mit kyrillischer Schrift knarzen über abgetretene Dielen, der Glanz roter Sowjetsterne ist verblasst. Durch Turnanstalt, Schwimmhalle sowie ein Theater mit roten Polstersesseln ziehen Staub und die morbide Erinnerung an einen längst nicht mehr real existierenden Sozialismus.

Die Führung „Rund um Lenin“ startet sonntags um 10 Uhr und dauert etwa 2 Stunden. Unbedingt empfehlenswert ist der rund 11 km lange historische Rundweg durch Wünsdorf-Waldstadt! Die Anmeldung unter Tel. 0 33 702/ 96 00 ist obligatorisch.
Weitere Infos: www.buecherstadt.de 

"Weisse-Häuser" aus dunkler Zeit

Die "Weißen Häuser" bei Granzow © Thorsten Hoyer

Regelmäßig an der Mecklenburgischen Seenplatte unterwegs, habe ich erst in diesem Jahr von den „Weißen Häusern“ oder auch „Neu-Berlin“ erfahren. In Ermangelung genauerer Angaben wandere ich hinein in die tiefen Kiefernwälder nahe des Großen Kotzower Sees. Wegweiser gibt es nicht, nur Schilder mit der Warnung „Munitionsbelastetes Gebiet – LEBENSGEFAHR – Betreten verboten“. Nach einiger Suche entdecke ich einen kaum erkennbaren Trampelpfad, dann erheben sich zwischen hohen Kiefern vier graue Betontürme. Es sind Bauten auf einem einstigen Luftwaffengelände der deutschen Wehrmacht, an denen bombensicheres Material getestet wurde – für Hitlers größenwahnsinnigen Traum einer „Welthauptstadt Germania“. Ursprünglich waren die Türme mit weißen Ziegeln verkleidet, die nach Kriegsende aber entwendet wurden. An dieser Stelle der ausdrückliche Hinweis, die Warnschilder nicht zu missachten!

Lopau, das "vergessene Dorf"

Was ist, wenn man so daher wandert und plötzlich eine Schranke mit dem Hinweis „Halt! Scharfschießen“ dem Vergnügen ein vorzeitiges Ende bereitet? Dann ist man entweder auf dem Töpferweg, Lopautalweg oder dem Vilmarweg unterwegs und steht vor dem Ortseingangsschild von Lopau, einem Ortsteil von Munster im Landkreis Heidekreis. Dass die Warnung kein Scherz ist, lässt sich womöglich hören – Lopau befindet sich auf dem Truppenübungsplatz Munster- Nord. Als dieser Anfang der 1980er Jahre ausgebaut wurde, mussten die Einwohner ihr Dorf verlassen. Ein Spaziergang durch Lopau mutet wahrlich seltsam an: Da sind Straßen, Wege und gepflegte Häuser – ohne Bewohner. Man könnte meinen, alle würden in Kürze von einem Ausflug zurückkommen. Für den Fall der Fälle gibt es eine öffentliche Notrufsprechstelle der Bundeswehr. Ist die Schranke geöffnet und auf einem Holzschild „Wanderwege heute frei“ zu lesen, darf man weiter und kann dem Dorf einen Besuch abstatten. Über Daten und Zeiten von Schießübungen informiert die gemeinde Bispingen auf ihrer Website.

Herrenhaus Rossewitz

Vergangener Glanz des Herrenhauses Rossewitz © Thorsten Hoyer

Folgt man dem Europäischen Fernwanderweg E10 bzw. dem Pilgerweg der heiligen Brigitta von Schweden durch Mecklenburg- Vorpommern, trifft man inmitten von Feldern, Wiesen und Wäldern unvermittelt auf das einsam gelegene Herrenhaus Rossewitz. Es wurde im 17. Jh. südlich der Ortschaft Laage nach italienischem Vorbild erbaut und gilt als erstes Barockschloss Mecklenburgs. Das Haus erhebt sich hinter einem Maisfeld und ist aufgrund schnell ziehender Wolken mal sonnenbeschienen, dann wieder dunkel beschattet. Der Anblick ist so fesselnd, dass ich unweigerlich einem Wiesenweg zum Anwesen folge. Dann eine Absperrung – Privatbesitz, Zutritt nicht gestattet. Ich blicke von Fenster zu Fenster und kann es kaum glauben, als sich die Eingangstür für mich öffnet … Ab hier habe ich versprochen zu schweigen.

Das Entdecken vergessener Orte ist eine faszinierende Reise in die Vergangenheit! Aber Vorsicht: verfallende Gebäude können einsturzgefährdet sein, Absperrungen nicht ignorieren! Zudem befindet sich jedes Bauwerk, egal wie und wo, immer im Besitz von jemanden. Darüber hinaus gilt, jeden Ort so zu verlassen, wie man ihn vorgefunden hat.

 

Thorsten Hoyer
 Erschienen in der OutdoorWelten Winter 2021/2022.
Diese und alle weiteren Ausgaben sind im Shop unter www.wandermagazin.de erhältlich.