Von Merlin Kiesel

Was ist Bouldern?

Bouldern ist eine Form des Sportkletterns. Dabei wird ohne Seil in „Absprunghöhe“ (für gewöhnlich unter 7 m) geklettert. Im Gegensatz zum Klettern mit Gurt und Seil geht es beim Bouldern weniger um Ausdauer. Das bedeutet man kann sich öfter an der gleichen Route probieren, mit unterschiedlichen Ansätzen experimentieren und vielleicht auch etwas risikoreicher klettern. Das wissen natürlich auch die Routesetter:innen und entwickeln die Boulderrouten häufig wie ein Rätsel mit unintuitiven Körperhaltungen oder Hand- und Fußpositionen. In vielen Städten gibt es Boulderhallen, die perfekt für den Einstieg sind. Mit etwas Übung eröffnet das Bouldern am Naturfels noch einmal ganz neue Welten.

Geschichte des Bouldern

Wieso Bouldern?

Was braucht man zum Bouldern?

Tipps und Tricks für den Start

Boulder-Vokabular

Geschichte des Bouldern

Janja Garnbret
Goldmedailliengewinnerin und Weltmeisterin Janja Garnbret © ISFC, Lena Drapella

Die Anfänge des Boulderns liegen verdeckt vom Nebel der Geschichte. Klar ist, dass die ersten Boulder:innen das Klettern ohne Seil und an Felsbrocken (engl: boulder) nutzten, um für das Klettern mit Seil zu trainieren und sich aufzuwärmen. Im späten 19 Jahrhundert tauchte das Wort "bouldern" erstmals in britischer Kletterliteratur auf. Oscar Eckenstein, Bergsteiger und Erfinder des zehnzackigen Steigeisens, war einer der ersten öffentlichen Verfechter der Kletter-Spielart. Kletternde im französischen Fountainebleau üben sich schon seit dem frühen zwanzigsten Jahrhundert ohne Seil am Felsbrocken. Die Region ist noch heute eines der bekanntesten Boulderziele.

In den 1950er und 60er Jahren war es der Amerikaner John Gill, der Aspekte des Sports weiterentwickelte. Mit einem Hintergrund in Gymnastik, war er einer der ersten Bouldernden, die Magnesiumpulver für zusätzlichen Grip benutzten. Er setzte auch verstärkt auf dynamische Bewegungen im Gegensatz zur Drei-Punkt-Regel (stets drei Gliedmaßen an der Wand), die zu der Zeit im Klettern noch vorherrschte. Auch in Frankreich entwickelte Pierre Allain, Alpinist und Erfinder des modernen Kletterschuhs, erste dynamische Boulderrouten. Mit dem Aufkommen von Kletterhallen in den späten 1980er Jahren wurden auch die ersten künstlichen Boulderprobleme entwickelt. Dank der geringen Einstiegsschwelle gewann Bouldern immer mehr Fans und ist seit 2021 sogar olympisch (im Kombinationswettbewerb Sportklettern).

Wieso Bouldern?

Viele Gründe sprechen dafür die Zehenspitzen in die Welt des Boulderns zu tauchen. Wir haben einige für euch gesammelt:

Kraft und Flexibilität

Wer ein Ganzkörper-Sportprogramm sucht, ist beim Bouldern genau richtig. Neben den Arm- und Beinmuskeln, mit denen man sich die Wand hoch und runter bewegt, trainiert Bouldern (vor allem im Überhang) die Bauchmuskulatur, die Rückenmuskeln und die sonst selten benutzte Fingerkraft. Zusätzlich ist auch je nach Route ein großes Maß an Gelenkigkeit gefordert. So ist vor allem Flexibilität in der Hüfte gefragt, um bestimmte Tritte zu erreichen. Kein Wunder, dass einige Boulderhallen Yogakurse anbieten.

Bouldernde mit Freund:innen
Gemeinsam Bouldern in Calabogie, Kanada © Unsplash, Mark McGregor

Sportliches Rätsel

Neben dem körperlichen Training bezieht Bouldern auch die Auffassungsgabe mit ein. Man „liest“ eine Route, versucht sich in die Person hineinzuversetzen, die sie geschraubt hat. Häufig bekommt man so schon vor dem ersten Zug eine Idee über mögliche Bewegungsabläufe. Scheitert man an einer Stelle, kann man noch einmal überlegen, wie man das Problem anders angehen kann. Wie ein Sodoku an der Wand. Und wenn man irgendwo nicht weiterkommt, wird Bouldern schnell zu einer Gemeinschaftsaktivität. Natürlich sollte man keinen Rat geben, wo er nicht gefragt ist, aber viele erfahrene Bouldernde helfen auch gerne mit Lösungsansätzen. Oder man geht direkt zu mehreren bouldern, knobelt zusammen und kann zum Abschluss auch gemeinsam eine Erfrischung genießen.

Der Rätselcharakter macht Bouldern auch für viele verschiedene Körpertypen interessant. Auch wenn Kraft bei vielen Problemen hilft, gibt es häufig alternative Routen zum Ziel. Einige Sequenzen sind so designet, dass lange Arme und Beine helfen, bei anderen kann es hilfreich sein, sich besonders klein machen zu können.

Was braucht man zum Bouldern?

Boulder-Schuhe
Viel mehr braucht es nicht für den Einstieg © Unsplash, Julia Margeth Theuer

Zum Bouldern braucht man erst einmal keine großen Anschaffungen. Kein Rennrad für tausende Euros oder mehrteiliges Golfset, nicht einmal Seile und Gurte. Neben dem Eintritt in die Halle (und ggf. einer Einführungsstunde) braucht man nur Schuhe. Diese kann man sich in den meisten Hallen leihen, bis man sicher ist, dass man beim Sport bleiben möchte. Natürlich gibt es auch beim Bouldern eine breite Produktpalette von Magnesiumbeuteln über Griffbürsten bis hin zum Crashpad zum draußen Bouldern (s. Vokabular unten), aber nichts davon ist notwendig um das erste mal an die Wand zu gehen.

Yannick Flohé
Der deutsche Meister Yannick Flohé wahrt die Balance © DAV, MatthiasMarke

Angst überwinden

Auch in der Bewältigung von Ängsten kann Bouldern positiv genutzt werden. Dadurch, dass man selbst entscheiden kann, wie weit man gehen möchte, ist es leicht sich langsam an angsteinflößende Stellen heranzutasten. Und schnell lernt man: In der Halle fällt man weich. So erarbeitet man ein Bewusstsein für die eigenen Grenzen und damit eine genauere Selbsteinschätzung an der Wand. Natürlich kann Bouldern keine medizinische Behandlung bei ernsthaften Problemen ersetzen, aber es kann ein erster Schritt sein, um persönliche Limits kennenzulernen und über sich hinauszuwachsen.

Geringe Verletzungsgefahr

Bouldern hegt keine große Verletzungsgefahr. Dank der geringen Fallhöhe und den weichen Matten auf den meisten Hallenböden gibt es selten ernsthafte Verletzungen beim Bouldern. In Deutschland gab es im Jahr 2022 160 Rettungseinsätze mit ätztlicher Versorgung im Zusammenhang mit Boulderunfällen in der Halle (DAV). Das ist bei schätzungsweise 500.000 Bouldernden in Deutschland eine verschwindend geringe Quote (beim Fußball ist sie mehr als 250 mal so hoch, Quelle).

 

Tipps und Tricks für den Start

Wer jetzt sofort an die Wand möchte, findet hier noch ein paar Einsteigertipps für den ersten Besuch einer Boulderhalle:

Aufwärmen und Dehnen

Auch wenn Bouldern ein unfallarmer Sport ist, gilt: Durch Aufwärmen und Dehnen lassen sich häufige Verletzungen vermeiden. Dabei ist vor allem zu beachten, dass auch die Hand- und Fußgelenke aufgelockert werden sollten. Das hilft beim Klettern und schützt vor Sehnen- und Bänderschäden. Zum Aufwärmen eignen sich Übungen wie Push-Ups und Kniebeugen oder das Klettern sehr einfacher Routen.

Füße first

Im Alltag benutzen wir bewusst meist unsere Hände. Wenige Menschen heben Dinge mit den Füßen auf, öffnen Türen damit oder geben sich gegenseitig den Fuß. Häufig sind sie Mittel zum Zweck, um von A nach B zu gelangen und gehen ist für die meisten von uns so natürlich, dass wir gar nicht merken, dass wir es gerade tun. Beim Klettern im Allgemeinen, aber vor allem beim Bouldern, ist das anders: hier müssen wir unsere Füße und Beine bewusst nutzen. Sonst landet man schnell auf der Matte. Auch wie der Fuß eingesetzt wird, ist wichtig. So empfiehlt es sich zu verinnerlichen, mit der Fußspitze aufzutreten. Auf den Zehen kann man sich leichter drehen, um das Körpergewicht zu verlagern, als wenn man mitten auf der Sohle steht.

Der Hüfte folgen

Viele Situationen wirken unmöglich, bis man das Körpergewicht verlagert. Das ist häufig durch eine Neupositionierung der Hüfte am einfachsten. Da auch Routesetter:innen Menschen sind, sieht man dann häufig, welche Sequenz als nächstes intendiert ist.

Der lange Arm

Häufig ist der erste Impuls beim Klettern, sich möglichst nah an die Wand zu ziehen. Mit dem Ellbogen nach außen und aktivierten Oberarm- und Schultermuskeln wird dies, vor allem wenn man gerade an einer Stelle knobelt, unnötig anstrengend. Deshalb empfiehlt es sich, wenn man einen angenehmen Griff hat, mit langen Armen zu hängen – ähnlich wie ein Faultier – und keinen überflüssigen Kampf gegen die Gravitation zu führen.

Rätseln statt Repetieren

Mickael Mawem
Weltmeister Mickael Mawem in ungewöhnlicher Position © IFSC, Lena Drapella

Wenn eine Stelle unmöglich scheint, hilft es meist wenig sich dickköpfig durchzubeißen. Deshalb, lieber zwei Schritte zurücktreten und darüber nachdenken, wie der Bewegungsablauf von außen aussieht, wie er gedacht sein könnte und wo man vielleicht noch ein oder zwei Zentimeter rausholen kann, um den nächsten Griff zu erreichen. Häufig hilft es auch anderen Kletternden zuzuschauen, wie diese das Problem angehen, selbst wenn man den konkreten Weg nicht selbst reproduzieren kann.

Man kann immer Abklettern

Auch wenn die Matten in den Boulderhallen weich sind, muss man sich nicht zwingen etwas zu tun, womit man sich nicht wohl fühlt. Auch in 1 m Höhe kann eine Bewegung unangenehm und angsteinflößend sein und es besteht keine Schande darin (auch unter Motivationsrufen) wieder herunter zu klettern oder zu springen.

Schwierigkeitsgrad ist nicht gleich Schwierigkeitsgrad

Viele Boulderhallen haben eigene Systeme für ihre Schwierigkeitsgrade. Ersichtlich entweder an der Farbe der Griffe einer Route, oder einer Markierung an Startgriffen und Top (s. Vokabular unten). Wer in der Stammhalle „Ganz leicht eine Rote“ schafft, kann woanders schnell daran verzweifeln. Denn es gibt keine Einigung über Farbabfolge und Anzahl an Abstufungen zwischen den Hallen. Zusätzlich gibt es noch die zwei „offiziellen“ Wertungssysteme: das amerikanische startend bei V0 mit der momentan schwersten Route „Burden of Dreams“ bei V17 und das französische startend bei 3 (oder fb3), wo „Burden of Dreams“ eine 9A kassiert (erweitert um +/- und A, B, C für detaillierteres Werten). Die meisten Hallen haben Plakate, die ihr eigenes System erklären. Das Personal weiß dann mit welchen französischen oder amerikanischen Noten die Farben korrespondieren.

Kontrolliertes Fallen

Manchmal rutscht man ab und fällt, das ist nicht zu vermeiden. Wenn man aber bewusst abspringt, sollte man sich seiner Umgebung bewusst sein und darauf achten niemanden zu gefährden. Auch sollte die Energie des Falls mit den Beinen aufgefangen werden. Wer mit starren ausgestreckten Beinen landet, zieht sich schnell eine Verletzung zu; genauso wie Kletternde, die häufig auf den Rücken fallen.

Boulder-Vokabular

Problem/Route/Projekt: Eine bestimmte Abfolge an Griffen und Tritten mit dem Ziel, den obersten Griff mit beiden Händen sicher berühren zu können. Projekte sind schwierigere Probleme, an denen man schon länger arbeitet. Projekt wird häufig für Routen draußen benutzt.

Top/toppen: Der letzte Griff einer Route bzw. das Erreichen des letzten Griffs einer Route.

Dyno/dynamisch: Bewegungsabläufe, bei denen Schwung genutzt wird, um eine Distanz zu überwinden. 

statisch: Im Gegensatz zum dynamischen Klettern behält man bevorzugt drei Extremitäten an der Wand und versucht sich durch bewusste Gewichtsverlagerung und kleine Bewegungen zum nächsten Griff/tritt zu bewegen.

Allez! (fr.)/Come on! (engl.): Häufig benutzte Anfeuerungsrufe auch in deutschsprachigen Boulderhallen.

Henkel/Kelle/Jug: Sehr gut zu haltende Griffe zum Reingreifen.

Leiste/Crimp: Hier passen meist nur die Fingerkuppen drauf, eher etwas für Fortgeschrittene.

Sloper: Bei diesen runden Griffen kann man nicht reingreifen, sondern hält sich nur über Reibung.

Zange/Pinch: Wie eine Krabbe greift man hier mit Daumen und Fingern von beiden Seiten; häufig mit viel Druck.

Tasche/Pocket: Griffe mit einem Loch, in das meist nur ein paar Finger zum Greifen hereinpassen.

Chalk/chalken: Magnesiumpulver wird benutzt, um die Hände beim Klettern trocken zu halten, sodass man nicht abrutscht. Wer draußen klettert, das Magnesium unbedingt wieder vom Stein bürsten!

Crashpad: Falt- oder rollbare Matte die zum Klettern in freier Natur benutzt wird um beim Fall zu schützen.

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