von Rolf Majcen

Österreich ist das Alpenland mit den meisten Klettersteigen, summa summarum sind es über 500 aller Schwierigkeitsgrade. Die fünf folgenden Klettersteige gehören bestimmt zu den herausforderndsten und außergewöhnlichsten. Diese fünf Klettersteige sind wahre Traumtouren, die jede:r erfahrene Klettersteiggeher:in ganz oben auf der Wunschliste hat, und die auch im internationalen Vergleich nur sehr schwer zu toppen sind. Macht euch gefasst auf Nervenkitzel, Naturkino vom Feinsten und den längsten Eisenweg in Österreich!

Achtung: Anfänger:innen sollten unbedingt zuerst Erfahrung auf etwas leichteren und kürzeren Klettersteigen sammeln, bevor sie sich an die hier Vorgestellten wagen.

Johann-Klettersteig – Südwandklettersteig am Dachstein, Steiermark

Eisenstifte ragen in einer Reihe aufwärts aus der Felswand, weiter oben klettert eine Person am Seil.
Mehr als 250 Trittstifte sind auf dem Johann-Klettersteig verbaut. © Rolf Majcen

1843 ließ der Alpenforscher Dr. Friedrich Simony am Dachstein den ersten Ostalpen-Klettersteig errichten. 1999 erschuf man rechts der zentralen Dachstein-Südwand mit dem Johann-Klettersteig (D/E) ein Prachtstück der modernen Zeit. Bei der nach Erzherzog Johann benannten Route durch eine 600 Meter hohe Wand zur Seethalerhütte (2.741 m) wurden etwa 700 Meter Drahtseil und mehr als 250 Trittstifte verbaut, um die große Rampe nach dem Einstiegsüberhang, die senkrechte Plattenwand mit dem „Adlerhorst“, den „Götterthron“ und die übrigen exponierten Stellen begehbar zu machen.

11 Jahre später wurde mit dem „Anna-Klettersteig“ (D) ein zweiter Zugang zum Johann-Klettersteig geschaffen. Seit damals symbolisiert die Eisen-Kombination auch die Liebesbeziehung zwischen dem Erzherzog und der bürgerlichen Anna Plochl. Die atemberaubenden Klettereien werden von der 850 Meter hohen Dachstein-Südwand flankiert. Dabei übertrumpft Johann seine geliebte Anna bei der Linienführung: Immer wieder werden scheinbar unüberwindbare Stellen elegant bezwungen.

Steinhaus vor einer beindruckenden grauen Gipfelkette im Hintergrund
Die Südwandhütte eignet sich gut
als Übernachtungsort vor dem Klettersteig © Rolf Majcen

Die elendslange Steilwand beim „Adlerhorst“ krönt das Meisterwerk der Erbauer, und das Ballett über die Trittstifte, die wie die Zähne einer langen Reißverschluss-Spirale im Fels stecken, wird zur Mutprobe, die im Triumph aufgeht. Das i-Tüpfelchen danach: Der kurze Gletscherweg zur Dachstein-Panoramagondel (ca. 30 min).

Noch mehr gefällig? Anna und/oder Johann können mit dem Schulter-Klettersteig (C) als Mega-Ferrata noch bis zum Dachsteingipfel verlängert werden. Zusätzlicher Zeitbedarf: 90 min. Wer es gemütlich angehen will, kann nach dem Ausstieg vom Johann-Klettersteig auf der Seethalerhütte (2.741m) übernachten. 

Johann-Klettersteig am Dachstein

Start: Dachstein-Gletscherbahn (Parkplatz), Ramsau am Dachstein | Ziel: Bergstation Dachstein-Gletscherbahn
Dauer: mit Zu- und Abstieg ca. 6,5 Std. | Zustieg: 2:00 Std. (mit Anna-Kletterseig + 1:00 Std.) | Klettersteig: 4:00 Std. | Abstieg: 30 Min.
Höhenmeter: Aufstieg 1.250 hm (mit Anna-Klettersteig + 110 hm) | Abstieg: 100 hm
Schwierigkeit: D/E
Weitere Infos: www.schladming-dachstein.at
 

Der Königsjodler-Klettersteig am Hochkönig, Berchtesgadener Alpen

„Ich habe den Königsjodler gemacht!“ – wer das sagen kann, hat einen der imposantesten und längsten Klettersteige der Alpen erlebt. Der Königsjodler (C/D) begeistert durch seine hochalpine und „teuflisch“ spektakuläre Streckenführung über die Teufelshörner zum Gipfel des Hochkönig (2.941 m). Sieben Mal bergauf, dazwischen kraftaufwändig und steil am Eisen klammernd bergab – das charakterisiert die Überschreitung der schroffen Teufelshörner auf 2.522 m Höhe im ersten Teil des Klettersteiges. Die magische 7 gilt als Symbol für Vollkommenheit und Glück. Auf diesem Klettersteig trifft beides zu: Die makellose Linienführung erreicht an der Dientner Schneid ihren Höhepunkt, protzt dort mit Kühnheit.

Massive Steilwand mit Felsspitzen, auf einer Spitze ist eine Person zu erkennen.
Die Teufelshörner auf dem Königsjodler
© Rolf Majcen

Dem höllisch-genialen Turmwirrwarr über die Teufelshörner folgt mit der perfekt inszenierten Vertikale auf den Kematstein (2.772 m) der nächste Akt nach oben. Er wird zurecht als „Franzl´s Fantastica“ bezeichnet, nach dem Vornamen des Erbauers. Doch der Vorhang fällt noch lange nicht. Tourenvorbereitung, Kondition und Einstellung zur Dimension der Tour müssen stimmen, um trügerischen Fata Morganen zu entgehen. Erst wer die steile „Brandner Abfahrt“ hinuntergeklettert ist und im Aufstieg zum Matras Kopf ist, darf sich auf den Schlussapplaus am Hohem Kopf (2.875 m) freuen.

Der schönste und sicherste Abstieg? Über den Hochkönig zum Arthurhaus! (Der kürzere Abstieg durchs Birgkar ist aufgrund der sehr hohen Steinschlaggefahr nicht zu empfehlen.)

Tipp: Wer das gewaltige Abenteuer lieber mit einem Bergführer oder einer Bergfühererin machen will, findet bei der Alpinskischule Markus Hirnböck in Saalfelden sympathische Profis vor Ort.

Der Alpenjodler am Hochkönig

Start: Dienten im Pinzgau, Parkplatz Erichhütte | Ziel: Arthurhaus, von dort mit Shuttlebus zurück zum Start
Dauer insgesamt: ca. 10,5 Std. (Zustieg: 2:30 Std. | Klettersteig: 4:30 Std. | Abstieg: 4:30 Std.)
Höhenmeter insgesamt: 1.700 hm
Schwierigkeit: C/D
Weitere Infos: www.hochkoenig.at

Naturkino am Attersee – Der Mahdlgupf-Klettersteig, Oberösterreich

Mann im Klettersteig, unter ihm im Hintergrund ein blauer See
Der Autor auf dem Mahdlgupf-Klettersteig © Rolf Majcen

„Mahdlgupf“ klingt unaufdringlich und auch seine Höhe von 1.261 m erscheint zunächst wenig beeindruckend. Vollkommen gegensätzlich dazu sind die Bewertungen zum Klettersteig (D/E), der auf der unscheinbaren Felskuppe des Mahdlgupf im Höllengebirge endet, denn die mitreißende Via Ferrata gehört ganz gewiss zu den Lohnendsten von Österreich. 1.200 Klettermeter mit 610 Höhenmetern überzeugen! Die mit viel Eisen bestückte Route kombiniert aufregende Abschnitte abrupt und kontrastreich und hält die Spannung bis zum Ende. Die kolossale Weiße Wand, die von der Steiganlage durch einen monumentalen Riss getrennt ist, bietet eine perfekte Felsarena. Die Spezialeffekte der Natur beschränken sich aber nicht nur auf das Gestein. Der Tiefblick auf den Attersee stellt den Mahdlgupf auf eine Ebene mit den berühmten Gardasee-Klettersteigen.

Mahdlgupf-Klettersteig am Attersee

Start/Ziel: Weißenbach am Attersee, Salzkammergut, Oberösterreich
Dauer insgesamt: ca. 5:30 Std (Zustieg: 30 Min. | Klettersteig: 3:30 Std. | Abstieg: 1:30 Std.)
Höhenmeter insgesamt: 870
Schwierigkeit: D/E
Weitere Infos: www.klettern-attersee.at

Nervenkitzel auf der Himmelsleiter – Der Donnerkogel-Klettersteig, Oberösterreich

Eine kletternde Person auf einer Seilleiter, gespannt zwischen zwei Felswänden in luftiger Höhe
In schwindelerregnder Höhe auf dem Donnerkogel-Klettersteig
© Rolf Majcen

Die über eine Schlucht gespannte 40 m lange Hängeleiter ist das absolute Highlight des Klettersteiges (C/D) auf den Donnerkogel (2.054m) im Salzkammergut. Die bei jedem Tritt leicht mitschwingende Leiter beginnt bei einer Scharte im oberen Teil des Eisenweges und ist im Winkel von etwa 45 Grad gespannt. Über zahlreiche dünne Sprossen geht es bei rasch zunehmender Ausgesetztheit schnurstracks der abweisenden Felswand des Donnermandl entgegen.

Beim Umhängen der Selbstsicherung werden sich auch erfahrene Ferratist:innen mit mulmigem Gefühl darauf konzentrieren, das Gleichgewicht zu halten, weil man sich beim Hantieren mit dem Karabiner kurz nicht mit beiden Händen am Geländer halten kann. Den nervenkitzeligen Balanceakt erreicht man, wenn man sich mit der Gosaukammbahn zur Zwieselalm bringen lässt, von wo es nicht mehr weit bis zum Klettersteig ist. Die 1.100 Klettermeter über 470 hm haben alles, was einen Top-Klettersteig ausmacht, u. a. die steile Kaiser-Verschneidung im unteren Teil, der anspruchsvolle rassige Fels nach der Himmelsleiter und ein famoses Dachstein-Panorama beim großen Gipfelkreuz.

Donnerkogel-Klettersteig 

Start/Ziel: Gosau, Bergstation Gosaukammbahn
Dauer insgesamt: ca. 5 Std. Zustieg: 20 Min. | Klettersteig: 3:00 Std. | Abstieg: 1:30 Std.
Höhenmeter insgesamt: 650 hm
Schwierigkeit: C/D
Weitere Infos: www.dachstein.at

Der Große Priel Klettersteig – Der längste Eisenweg Österreichs

Zwei Personen stehen gesichert auf einem Seil zwischen zwei Felsspitzen.
Der Große Priel Klettersteig ist nichst für schwache Nerven
© Elisabeth Wiesinger

Der Große Priel (2.515 m) ist der höchste Berg im Toten Gebirge in Oberösterreich und gehört mit seiner Gestalt zu den prominentesten Gipfeln der Alpen. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, denn auch der Klettersteig (C/D), der in den Riesen genagelt ist, ist übergroß. 2.130 Klettermeter sind österreichischer Rekord. Die durchgehend versicherte Ferrata führt durch die Ostwände des Priels, passiert auf dem Weg bis zum roten Gipfelkreuz zwei lange Seilbrücken, zwei Höhlenfenster und neun Leitern. Die Kombination aus Abenteuersteig (Zustieg 200 hm) und langem alpinem Klettersteig mit Gipfelgrat (900 hm) garantiert maximale Begeisterung vom Anfang bis zum Ende. Als Stützpunkt dient das Prielschutzhaus.

Der Große Priel Klettersteig in Pyhrn-Priel

Start/Ziel: Hinterstoder im Traunviertel, Parkplatz Polsterlucke
Dauer insgesamt: ca. 12:30 Std (Zustieg: 3:15 Std. | Klettersteig: 5:30 Std. |Abstieg: 3:45 Std.)
Höhenmeter insgesamt: 2.100 hm
Schwierigkeit: C/D
Weitere Infos: www.urlaubsregion-pyhrn-priel.at

Mehr von unserem Autor und Extremsportler Rolf Majcen findet ihr auf www.rolf-majcen.com