Das Zelt ist das Stück Freiheit, um unabhängig unterwegs zu sein. Neben der Zuverlässigkeit ist das Gewicht häufig das entscheidende Kriterium. Nicht immer ist absolutes Ultralight das Beste.
Text und Fotos: Ralf Stefan Beppler
Ein gutes Zelt schützt zuverlässig vor Wind und Wetter, bietet Sturm die Stirn, sorgt für Geborgenheit, sichere Nächte und regenerativen Schlaf. Das ist wichtig, denn nur so kann es am nächsten Tag kraftvoll weitergehen.
DIE AUSWAHL
Wir haben vier Lightweight 2-Personen Zelte getestet in der Preisgruppe von 450 bis 700 Euro, d. h. die Zelte spielen alle ungefähr in der „gleichen Liga“. Die Modelle sind Big Agnes Tiger Wall 2 UL, Exped Mira II, Nordisk Telemark 2 und Vaude Space Seamless 1-2. Die Qualitätsunterschiede sind eng mit den drei Hauptmaterialien verknüpft: Außenstoff, Bodenmaterial und Gestänge. Abweichungen in der Qualitätsstufe machen sich gleich im Preis bemerkbar – in beide Richtungen. Und meist bedingen sie sich gegenseitig. Ein Hersteller wird selten ein hochwertiges Außenmaterial mit einem günstigen Gestänge kombinieren.
Modelle im Überblick
Wir haben keine Festival- oder Campingzelte, sondern Tourenzelte getestet. Die Minimalbedingungen der Auswahl waren
1. ein hochwertiges Aluminiumgestänge
2. ein silikonisiertes Außenmaterial
3. ein Gewicht von deutlich unter 2 kg bei zwei Personen – also keine „Marketing“-Angaben von 1.950 g, weil das in der Regel bedeutet: Wenn ich es wiege, ist es über 2 kg.
Ein silikonisiertes Material ist auf alle Fälle ein Qualitätsmerkmal, weil PU oder Acryl-Beschichtungen das Grundmaterial schwächen und UV anfällig sind, während Silikon eine bessere UV-Resistenz aufweist, das Material stabilisiert und Nässe besser ablaufen kann.
DIE AUFBAUVARIANTEN
Grundsätzlich gibt es drei unterschiedliche Aufbaumöglichkeiten für Zeltkonstruktionen:
1. Der Gestängekanal verläuft im Außenzelt, so dass man zuerst das Außenzelt aufbaut und dann das Innenzelt einhängt bzw. eingehängt lassen kann. Vorteil: Das Innenzelt ist geschützt. (Nordisk Telemark)
2. Der Gestängekanal verläuft am Innenzelt, so dass man zuerst das Innenzelt aufbaut und dann das Außenzelt darüberlegt und befestigt. Vorteil: Bei Hitze kann man das Innenzelt ohne Außenzelt nutzen. (Exped Mira, Vaude Space Seamless)
3. Der Gestängebogen steht freistehend und wird an den Eckpunkten des Zeltes für die Form fixiert. Dann wird das Innenzelt an das Gestänge angeklickt und das Außenzelt darübergelegt. Hier lässt sich über Zusatzelemente (Bodenplane mit Befestigung oder Überkreuzende Bänder) auch das Außenzelt separat aufbauen (Big Agnes Tiger Wall).
Faustregel zur Entscheidungshilfe: Je eher man in nassen Gegenden unterwegs ist (England, Irland, Skandinavien), desto sinnvoller ist das Gestänge im Außenzelt. Je mehr man in heißen Gegenden unterwegs ist (Mittelmeerraum, bevorzugt im Sommer), desto angenehmer, wenn man das Außenzelt weglassen kann.
DER AUFBAU
Schnell & einfach: Tiger Wall von Big Agnes
Am einfachsten lässt sich das Tiger Wall aufbauen. Es hat einen zusammenhängenden Gestängebogen, dessen vier Endpunkte an den Eckpunkten des Bodens befestigt werden. Das Innenzelt wird angeklickt, das Überzelt darübergelegt und mit Steckschnallen an den Eckpunkten verbunden.
Prima hier: Es gibt Farbmarkierung an den Bändern/Schnallen, so dass man das Außenzelt gleich richtig legen kann. Auch die Apsisstange ist am Gestängebogen befestigt und wird dann in ausreichend große „Taschen“ geschoben.
Telemark von Nordisk
Beim Telemark liegt der sehr dünne Gestängekanal an der Innenseite des Außenzeltes. Das Gestänge muss man vorsichtig durch den Kanal schieben, um diesen nicht zu durchstoßen. Danach wird das Zelt vorne und hinten, wie bei Tunnelzeltkonstruktionen, abgespannt. Die vier kurzen Eckstangen können im Außenzelt bleiben und heben das Zelt an den Enden etwas an, um den Innenraum zu vergrößern.
Mira von Exped & Space von Vaude
Das Mira und das Space sind dagegen beides Kuppelzelte. Beim Space überkreuzen sich die Stangen am Kuppelpunkt. Vorteil hier: Das Zelt steht und braucht keine Abspannung. An der Kreuzungsstelle ist der Stangenkanal unterbrochen und das Gestänge muss „nachgefädelt“ werden. Die Apsis entsteht durch eine quer verlaufende Apsisstange, die in extrem kleine und flache Stangentaschen muss. Da das Ganze unter Spannung passiert, kann es bei Nässe, Kälte oder wenn es sehr trocken ist, zur langwierigen, nervenden Fummelei werden.
Deutlich besser löst Exped die Befestigungder Apsisstange: Diese wird in eine ausreichend große, vorgeformte Stangentasche geschoben und mit einer Schnalle fixiert. Einfach, schnell und funktional. Das Mira umgeht die sich in der Kuppel überkreuzende Stangen und die damit verbundene Windanfälligkeit beim Aufbau durch einen langen Gestängebogen und einen kürzeren Bogen am Kopfende. Das schafft gleichzeitig einen großzügigeren Innenraum.
Durch das symmetrische Überzelt braucht das Space keine Farbmarkierungen. Es passt beidseitig. Auch Exped arbeitet mit Farbmarkierungen am Außenzelt/Gestänge für die richtige Lage des Überzeltes.
PLATZANGEBOT IM INNENRAUM
Den geräumigsten Innenraum bietet das Exped Mira 2 mit rechteckigen 125 x 215 cm – es ist zurecht ein Zwei-Personen Zelt. Das Big Agnes Tiger Wall UL 2 verjüngt sich zwar im Fußbereich von 132 auf 107 cm, aber beherbergt noch zwei Personen gut. Knapp wird es in den anderen Zelten. Vaude definiert sein Space Seamless deshalb schon als 1-2 Personen Zelt. Mit 105 cm Breite liegen die Matten eng beisammen und grenzen an das Innenzelt. Positiv hier: Durch die beidseitigen Apsiden kommt man seitlich dennoch nicht ans Außenzelt, selbst wenn sich das Innenzelt seitlich etwas wölben würde.
Das Telemark von Nordisk misst zwar an der breitesten Stelle (Schulterhöhe) 135 cm, aber im Kopf- und Fußbereich unter 100 cm. Es passt zwar mit anatomischen Matten, aber bequem ist anders. Erschwerend kommt hinzu, dass es nur einen Eingang/Apsis gibt. Das bedeutet, dass die Person, die „hinten“ schläft, über die andere krabbeln muss, um herauszukommen.
Das Platzangebot im Innenraum eines Zeltes orientiert sich an der benötigten Liegefläche einer Isomatte. In Zwei-Personen-Zelten sollten zwei Isomatten mit den Standardmaßen 51 cm Breite plus etwas Zusatz problemlos passen. Ist der Platz zu gering und man drückt das Innenzelt gegen das Außenzelt, kann die Kondensnässe am Außenzelt nach innen tropfen.
STAURAUM FÜR GEPÄCK
Stauraum und Gewicht bedingen sich meist. Das liegt daran, dass man die durch das Gestänge bedingte Raumform zwischen Innenraum und Gepäckraum „teilen“ muss. Alternativ fügt man eine oder mehrere Stangen hinzu – und macht das Zelt schwerer. Typisches Beispiel ist der Tunnel mit einer dritten Stange, so dass ein Vorraum entsteht.
Beim Telemark ist der Stauraum nicht nur eng, sondern der Ausgang wird komplett blockiert. Pfiffig dagegen die Apsis-Erweiterung mit den kurzen Eckstangen, die man aufeinanderstecken kann und so die Apsis „vergrößert“. Allerdings ist das keine Lösung einer zu kleinen Apsis, sondern es schafft nur mehr Arbeitsplatz in einer offenen Apsis. Bei den drei anderen Zelten gibt es jeweils zwei Eingänge und Apsiden und damit ausreichend Platz für Rucksäcke und Ein- und Ausgang.
Noch ein Wort zu den Eingängen. Standardmäßig werden die Eingänge am Außenzelt und am Innenzelt gerollt und mit einem Clip oder einer Schlaufe/Haken-Lösung fixiert. Perfekt positioniert ist die Eingangsbefestigung beim Tiger Wall. Gut eingerollt, liegt es sauber an und schlabbert nicht im Weg, wie es bei den anderen Zelten der Fall ist. Eine weitere Besonderheit bietet das Space Seamless: Das Außenzelt wird geschweißt statt genäht. Das ist nicht nur gut gegen Nässe (keine Nahtlöcher und es muss nicht getaped bzw. abgeklebt werden), sondern erhöht vor allem die Festigkeit der Verbindung.
Die Apsis sollte zumindest so groß sein, dass man die Anzahl Trekkingrucksäcke unterbringen kann, die als Personen in das Zelt passen. Ob man in der Apsis kochen können muss, ist eher subjektiv und meist nicht sinnvoll (Stichpunkte: Entflammbarkeit und Kohlenmonoxidvergiftung).