Ronan Donovan © Jack Wolfskin

Seit 2022 arbeitet Jack Wolfskin mit dem renommierten, für Naturschutz bekannten, Feldbiologen und National Geographic Fotografen sowie Wolfsexperten Ronan Donovan für die Discovery-Kampagne zusammen. Dahinter steckt das Ziel einer nachhaltigen Koexistenz von Mensch und Tier in freier Natur, insbesondere mit dem Fokus auf Wölfe in Europa, Nordamerika und Asien. Die neue Discovery-Kampagne umfasst eine Filmreihe über Donovans langjährige Arbeit, in der er das Leben der Wölfe im und um den Yellowstone-Nationalpark dokumentiert.


OutdoorWelten: Ronan, du hast dich bei deiner Arbeit den Wildtieren verschrieben und der Beziehung zwischen ihnen und den Menschen. Dabei gilt dein Fokus besonders dem Wolf. Was fasziniert dich am meisten an diesem Tier?

Ronan Donovan: Mich faszinieren Wölfe, weil sie unser eigenes Verhalten widerspiegeln. Wir, der Wolf und der Mensch, gehören beide in die Kategorie der Säugetiere. Wölfe waren vor ca. 20.000 Jahre die ersten großflächig domestizierten Tiere. Und sie sind bis heute die einzigen, die weltweit als Hunde einen Platz in den Leben der Menschen ausfüllen.

Wie findest du Wolfsrudel oder Einzeltiere? Wie folgst du ihnen und für wie lange?

Ich habe 1 1/2 Jahre im Yellowstone für das National Geographic Magazin verbracht und mit Forschern zusammen gearbeitet. Die meisten Wölfe waren mit Tracking-Halsbändern markiert und konnten so gefunden werden.

In der Arktis habe ich insgesamt sieben Monate mit den Wölfen verbracht. Dabei musste ich viel Zeit mit der Spurensuche am Boden verbringen, also Fährten finden, lauschen und/oder nach gerissener Beute Ausschau halten.

Der Wolf ist auch in Europa wieder Teil der Natur. Doch es gibt Herausforderungen u. a. mit genetischer Isolation und fehlenden Naturräumen – richtiger Wildnis. Was passiert in einem Ökosystem, wenn der Wolf wieder als Raubtier eine Rolle spielt? Was sind die Vorteile und warum sollte uns das wichtig sein? 

Wölfe in Europa – Übersichtskarte vom NABU

Wölfe sind der natürliche Regulator von den Populationen der Rothirsche, Elche und Damwild. Tatsächlich entwickelten sich diese Herdentiere erst zu dem, was sie sind, durch ihre Koexistenz mit dem Wolf, dem Räuber. Herdentiere sind vorsichtig, scheu und aufmerksam. Sie können sich so vor dem Wolf schützen.

Menschen haben die Landschaften, besonders in Europa, sehr stark verändert und beeinflusst. Wilde, große Naturräume sind rar. Daher ist es eine Herausforderung, wenn der Wolf wieder unterwegs ist. Auf seinen Wegen durchquert er Zivilisation und trifft auf Beute in Form von Nutztieren, also Schafe, Ziegen, Rinder, die der Mensch domestiziert hat. Das ist eigentlich nichts Neues und passiert seit tausenden von Jahren.

Wölfe sind eine "Schlüssel-Spezies". Das bedeutet, dass mit ihrem Aufkommen auf dem Land die Biodiversität steigt, dazu zählt auch die Artenvielfalt. Die Biodiversität ist besonders wichtig, um ein Ökosystem zu stärken. Diese Stärkung kommt auch den Menschen zugute. Solche Erfahrungen können im Yellowstone und der Rückkehr der Wölfe gut beobachtet werden.

Es scheint, als hätten wir auf der einen Seite eine große Faszination für das Tier und auf der anderen Seite Angst vor dem "großen, bösen" Wolf. Glaubst du, dass die Vorurteile gegenüber den Tieren an Einfluss verlieren? Haben wir etwas von den Tieren zu befürchten? Können wir nebeneinander leben und voneinander profitieren?

Es gibt immer noch verbreitet große Angst vor dem Wolf und auch viele Fehlinformationen über ihn. Ich denke, dass der Wolf das große Ganze, also die Beziehung zwischen Mensch und Natur, sehr gut repräsentiert. Die Frage ist: Sind wir imstande, den Wolf (die Natur) in seiner gesunden Form zu tolerieren oder werden wir ihn auf brutale Weise durch unseren endlosen Konsum in Vergessenheit zwingen?

Wölfe sind weder gut noch böse – dieses Wertesystem ist eine rein menschliche Erfindung. Wir können lernen, mit den Wölfen zu leben, wie es bereits vor uns Menschen seit tausenden Jahren geschafft haben. Es ist aber zu beachten, dass Wölfe fleischfressende Raubtiere – Karnivore – sind. Deshalb sollten sie vom Menschen als solche respektiert werden. Sie haben die Fähigkeiten, Menschen zu töten und haben es auch getan. Genauso wie mit Bären, Großkatzen und schnell fahrenden Autos sollten wir immer versuchen, sie besser zu verstehen und dabei ihre potenziell (lebens-)gefährliche Kapazität zu respektieren und zu kennen. Das alles sind aber keine Gründe, Wölfen das Stigma der "Bösen" aufzuerlegen und sie auszurotten zu wollen.

Heulende Wölfe am Abend in der Nähe eines gerissen Elches am Soda Butte im Yellowstone Nationalpark.
Quelle: Sound Libary vom Yellowstone Nationalpark © NPS & MSU Acoustic Atlas/Jennifer Jerrett

Deine Fotografien von den Wölfen, z. B. Mr Blue, im Yellowstone Nationalpark und auch Momente von deinen Begegnungen mit den Wölfen in der Arktis sind sehr eindrucksvoll. Obwohl die Motive für den Betrachter und die Betrachterin sehr nahbar erscheinen, hältst du zu den Tieren Distanz. Gibt es eine Regel, mit der du entscheidest, ab wann eine Situation oder Begegnung lang genug bzw. "nahe" genug gewesen ist?

Grundsätzlich vermeide ich jeglichen Kontakt zu Wildtieren. Bei den Wölfen im Yellowstone würde es sich für mich ethisch nicht korrekt anfühlen, ihnen näher zu kommen, denn die Tiere werden außerhalb der Parkgrenzen gejagt und gefangen. Außerdem ist es illegal, näher als 100 m an einen Wolf oder Bären im Nationalpark heranzutreten. Diese strikte Gesetzeslage soll die Tiere davor schützen, sich zu sehr an den Menschen zu gewöhnen. Denn dann stehen die Chancen auch außerhalb der Parkgrenzen besser, dass das Tier nicht in die Hände von Jägern fällt. 

Mehr Infos zu den Wölfen im Yellowstone Nationalpark »www.nps.gov

In der Arktis war die Situation anders. Dort werden die Wölfe nicht gejagt und haben keine Angst vor Menschen. Meine Regel bestand also darin, dass ich nur so weit ging, wie es die Komfort-Zone der Tiere zugelassen hat. Wölfe sind individuell in ihren Charaktereigenschaften. Es kann also sein, dass ein Wolf sehr neugierig ist und auf einen zukommt oder aber sehr scheu und vorsichtig agiert. Dann heißt es Abstand wahren und aufpassen. 

Danke, Ronan, für diesen Einblick in deine Arbeit und die Welt der Wölfe.

Die Fragen stellte Ricarda Große
aus dem Englischen übersetzt 


Mehr zu Ronan Donovans Arbeit www.ronandonovan.com

www.instagram.com/ronan_donovan

 


Übrigens:

• In Deutschland leben 161 bestätigte Rudel, 43 Paare und 21 territoriale Einzeltiere (Stand 2022).

• Erkennungsmerkmale vom Wolf: heller Schnauzenbereich, kleine, dreieckige Ohren, dunkler Sattelfleck auf dem Rücken, der Schwanz hängt fast immer herunter und hat eine dunkle Spitze, auffällige Mähne im Winterfell, im Sommerfell sehr hochbeinig und mager.

• Ein Rudel ähnelt einer menschlichen Kleinfamilie. Es gibt ein Elternpaar, das meist lebenslang zusammenlebt und gemeinsam ein Revier besetzt.

Weitere Infos zum Wolf:

www.nabu.de

www.bund.net

www.bmuv.de