Ganz am Ende unserer Tour durch den Naturpark Cabo de Gata erreichen wir den Ort, an dem Sergio Leones Film „Für ein paar Dollar mehr“ zu seinem legendären Showdown findet: zwei Männer, Auge in Auge. Die leise, hypnotische Melodie einer Taschenuhr. „Wenn die Musik aufhört, heb den Revolver auf und schieß, wenn du kannst. Versuch es!“

Wir stehen an der alten Tenne im Dörfchen Albaricoques und schauen auf die wüstenartigen Berge der Sierra del Cabo de Gata in der Ferne. In die vorgelagerte Ebene ducken sich dürre Sträucher, zerzaust vom Wind, der wellenartige Muster in den sandigen Untergrund malt. Einige Agaven recken sich in den blassblauen Himmel. Es riecht nach staubtrockener Erde, nach Sand, nach Salz. Noch immer reflektiert der weiße Kalk der winzigen Flachdachhäuser in fast schmerzhafter Intensität die Strahlen der Mittagssonne. Alles ist wie damals in den 60er-Jahren, als Sergio Leone mit einem lächerlich kleinen Filmbudget von 200.000 Dollar hierher kam, das seinem ersten Western „Für eine Handvoll Dollar“ den ironisch-programmatischen Titel bescherte.

wüstenartige Vulkanlandschaft am Meer
Einst boten Geschützstände an den Stränden von
Cabo de Gata Schutz vor Piratenangriffen
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Wir befinden uns in einer Landschaft, deren Klippen, Kuppen, Hügel und Bergzüge ihre surreal anmutenden Formen vulkanischer Aktivität verdanken. Dies ist einer der trockensten und heißesten Orte Europas. Man tut gut daran, sich hier langsam zu bewegen. Selbst die Zeit scheint hier ihren Rhythmus zu verlangsamen. Manchmal hat man gar den Eindruck, sie bleibe stehen. Es fällt so leicht, die Helden aus „Für ein paar Dollar mehr“ aus seinem Filmgedächtnis zurück in die Tenne zu projizieren. Diese wird von ordentlich aneinandergereihten Sandsteinen begrenzt und ist mit einem Schild versehen. Wer wissen möchte, welche Szenen der Sergio-Leone-Filme genau hier gedreht wurden, kann es nachlesen. Und tatsächlich interessieren sich so einige für diese Einzelheiten. Los Albaricoques ist zu einem Wallfahrtsort der Sergio-Leone-Fans geworden. Zu deren Lieblingsbeschäftigungen gehört es, herauszufinden, an welchem Ort genau welche Szene gedreht wurde. Doch selbst wenn man nicht zu den Archäologen der Kinematografie gehört, lohnt es sich, die Landschaft um Albaricoques durch die Linse von Sergio Leones Kameramann Massimo Dallamo zu sehen. Die Begrenzung des Blickes durch den Rahmen einer Kamera bringt die mythische Tiefe des Ortes an die Oberfläche der Wahrnehmung. 

Auf Entdeckungstour im Naturpark Cabo de Gata

Wir sind unterwegs mit Fernando Alonso, der seit 20 Jahren Besucher zu den Geheimnissen des Naturparks Cabo de Gata führt. Seine Agentur J-126 Rutas de Naturaleza hat sich außerdem darauf spezialisiert, hier Landschaften für Filmprojekte und Werbespots zu casten. Er hat für Peter Greenaway ebenso gearbeitet wie für Ferrari, Kellogs oder Hyundai. Wie kein anderer kennt er die Landschaft dieses Naturparks, die sich vor Jahrmillionen formte. Ihr Ursprung liegt in den Bewegungen der tektonischen Platten Eurasiens und Afrikas, die sich im Miozän übereinander schoben. Dieser Kontakt führte damals zu einer Serie von Magmaeruptionen, in deren Zuge Vulkangipfel aus dem Meer zu Tage traten. In den Perioden ohne vulkanische Aktivität entstanden hingegen Felsenriffe aus den Ablagerungen von Korallen und Algen, während sich gleichzeitig durch Erosion kohlensäurehaltige Sedimente am Boden ablagerten. Im Laufe der Zeitalter erhoben sich diese Formationen aus dem Meer und bildeten ein parallel zur ursprünglichen Küstenlinie verlaufendes Archipel, das heute die Sierra del Cabo de Gata bildet. 

Vulkane, Goldminen und blutige Verbrechen

 „Cabo de Gata ist eine der interessantesten Landschaften vulkanischen Ursprungs in Europa. Das liegt unter anderem daran, dass die Prozesse, welche der Landschaft Gestalt gaben, hier so klar nachzuvollziehen sind“, erklärt uns Fernando. Bestes Beispiel hierfür ist die höchste Erhebung des Parkes, der 493 Meter hohe Cerro del Fraile. Dieser ist ein in der Mitte geteilter Vulkan, dessen zum Meer gelegene Seite vom Wasser komplett abgetragen wurde. Alle Phasen der vulkanischen Aktivität liegen hier offen zu Tage. Ein Traum für jeden, der die geologische Entstehungsgeschichte dieser Landschaft Schritt für Schritt nachvollziehen möchte.  

Mittelmeer und wüstenartige Vulkanlandschaft
Der Naturpark Cabo de Gata: Mittelmeer und wüstenartige Vulkanlandschaft
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Die erdgeschichtlichen Ereignisse des Miozäns bildeten die Grundlage für die Entstehung unterschiedlicher Minerale, die im 20. Jahrhundert das Leben der Region bestimmten. Die Bewohner des Örtchens Albaricoques zum Beispiel lebten von der Arbeit in den nahegelegenen Goldminen von Rodalquilar. Oft genug starben sie allerdings auch dort.

Als Sergio Leone nach Albaricoques kam, tauschten viele Bewohner des Ortes auf Zeit die Arbeit in den Minen gegen eine Statistenrolle in den Filmen des Italieners. Ihr Dorf, das als Kulisse eines im Mexiko des 19. Jahrhunderts angesiedelten Filmes fungierte, musste für den Dreh in keiner Weise verändert werden. Die Moderne hatte diesen fast wüstenartigen Teil Spaniens in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts noch nicht erreicht.

Der entlegene Landstrich in der Provinz Almeria war noch zu Beginn es 20. Jahrhunderts in archaischen Traditionen verhaftet, die im sogenannten „Verbrechen von Níjar“ zu trauriger Berühmtheit gelangten. Der granadinische Dichter Federico García Lorca, der 1936 zu Beginn des spanischen Bürgerkrieges ermordet wurde, hat diese Geschichte in seinem unvergesslichen Bühnenstück „Bluthochzeit“, Bodas de Sangre, literarisch verewigt. Schauplatz der Tat war der Cortijo del Fraile, ein ursprünglich von Dominikanermönchen erbautes Gehöft, das ebenfalls Drehort mehrerer Sergio-Leone-Filme war. 

Piraten, Meerjungfrauen und Flamingos

Doch natürlich zeigt Fernando uns nicht nur das Landesinnere, sondern auch die Küstenlinie des Naturparks mit ihren fantastischen Felsformationen, endlosen Stränden und alten Wachttürmen. Sie stammen aus dem 16. und 17. Jahrhundert, einer Zeit, in der die Küste aus Angst vor Piratenangriffen aus Nordafrika praktisch unbewohnt war. Unter Carlos III. wurde ein Verteidigungssystem errichtet, das viele Strände des Kaps mit Geschützständen ausrüstete. Im Umkreis dieser Verteidigungsanlagen entstandenen die ersten Siedlungen, aus denen später kleine Fischerdörfer wurden. 

Das Arrecife de las Sirenas (Kliff der Meerjungfrauen) am Leuchtturm von Cabo de Gata verdankt der Legende nach seinen Namen den Fischern, welche die Rufe der damals noch hier beheimateten Mittelmeer-Mönchsrobben für den Gesang von Meerjungfrauen hielten. Die spitz zutage tretenden Felseninseln, bei denen es sich eigentlich um ein Ensemble aus dem Wasser ragender Vulkanschlote handelt, sind eines der bekanntesten Wahrzeichen Almerias. 

Das Cortijo del Fraile ist eine beliebte Station der 4x4-Routen von J-126 Rutas de Naturaleza 
© Fernando Alonso

Ein weiteres dieser Wahrzeichen sind die Flamingos in den Salinen des Cabo de Gata. So selten sich Industrie und Naturschutz vertragen – bei den Salinen ist dies der Fall. Hier entsteht Salz und Fleur du Sel von höchster Qualität. Gleichzeitig ist die Salzwasserlagune ein Vogelschutzgebiet von herausragendem Interesse. Selbst bei einem Spaziergang entlang der traumhaft langen Strände in unmittelbarer Nähe des gut tausend Einwohner zählenden Hauptortes San José sind die Naturschätze dieses Gebiets stets gegenwärtig. Fernando führt uns zur riesigen Wanderdüne der Playa de Mónsul, mit ihren Pflanzen, Vögeln und Insekten, die sich perfekt an Hitze, Trockenheit und die starken Winde der Region angepasst haben. Die paradiesische Playa de los Genoveses schließlich ist der Ort, an den wir wieder und wieder zurückkehren werden, um den Wellen des Mittelmeers zu lauschen und betäubt auf diese Vulkanlandschaft zu schauen, die Kinogeschichte geschrieben hat.


Cabo de Gata 

Der Naturpark Cabo de Gata liegt in Andalusien in der Provinz Almeria. Seine klaren Gewässer sind ein ideales Terrain für Taucher, Schnorchler und Unterwasserfotografen. Geführte Wanderungen und 4x4-Touren durch den Park bietet die Firma J-126 Rutas de Naturaleza. 


WesternKlassiker und ihre Drehorte

Monument Valley (USA, Arizona-Utah): Der schwarze Falke (John Ford), Der Teufelshauptmann (John Ford), Spiel mir das Lied vom Tod (Sergio Leone)

Moab, Canyonlands (USA, Utah): Rio Grande (John Ford), Cheyenne (John Ford)

Grand Teton National Park (USA, Wyoming): Mein großer Freund Shane (George Stevens)

In Spanien neben Cabo de Gata noch:

Wüste von Tabernas, La Pedriza und Manzanares bei Madrid.

Viele Italo-Western (Spaghetti-Western) wurden mit kleinem Budget vor den Toren Roms in Kiesgruben abgedreht, was dem Genre das Trash-Image beibrachte.


Infos unter: www.cabodegata-nijar.com 

oder per E-Mail über info@cabodegata-nijar.com