Eine Reportage von Svenja Walter

Zwei abenteuerliche Outdoor-Tage im Nürnberger Land liegen hinter uns. Zuerst sind wir als absolute Kletter-Neulinge auf dem Höhenglücksteig (Teil 1), einem Klettersteig, der sowohl für Anfänger als auch für erfahrene Kletterer gut geeignet ist. Am zweiten Tag erkunden wir mit unserem Guide das Alfelder Windloch (Teil 2), eine der größten Höhlen in der Fränkischen Alb.

Höhenglückssteig (Teil 1)

Das Stahlseil weist den Weg

Die Füße suchen Halt in der löchrigen Felswand, die Hände umklammern das Stahlseil, während die Augen bereits nach der nächsten Trittstelle suchen. Ich setze den linken Fuß probeweise auf eine Felskante, stoße mich mit meinem rechten Fuß vorsichtig ab, greife mit dem linken Arm weiter nach vorne entlang des Stahlseils und ziehe den rechten Fuß nach. Als ich meine beiden Karabiner umgeklippt habe, schaue ich mich um: bewaldete Hügel, soweit das Auge reicht. Die Hersbrucker Schweiz befindet sich im Nordosten der Fränkischen Alb, ca. 50 km östlich von Nürnberg, und ist Teil des Klettergebiets Nördliches Frankenjura. An meiner rechten Seite ragt die weiß-graue Kalkwand auf, ein paar Meter vor mir verschwindet mein Bruder gerade hinter einem Felsvorsprung und ich sehe an seiner Stelle den Horizont, die Linie zwischen blauem Himmel und grünem Wald.

Das Glück liegt hier in luftiger Höhe. Aber wir fangen ganz unten am Boden an und am Übungssektor des Höhenglücksteigs. Als Klettersteig ist er mit festverankerten Eisenstiften, Eisenklammern und Stahlseilen versehen. Die dienen als Tritthilfen und werden gleichzeitig für die Selbstsicherung mit einem Klettersteigset genutzt. Das hat sogar ein Pausenseil, mit dem man recht bequem im Klettergurt sitzen kann. Wolfgang Baumann, unser Kletterguide von Berg&Ton, hat die gesamte Ausrüstung mitgebracht. Nach einer kurzen Einweisung geht es zum Üben an den Fels.

Vom Zwei- zum Vierfüßler 

Als aufrecht gehender Mensch muss ich mich normalerweise nicht besonders auf meinen Gang konzentrieren, doch hier am Fels gilt es plötzlich vier Gliedmaßen zu koordinieren. Das wird mir gleich bei meinen ersten Schritten am Übungssektor bewusst. Doch eigentlich bin ich überrascht wie intuitiv sich die Bewegungen anfühlen. Nach den ersten Versuchen auf dem Übungs- und Kinderklettersteig geht es zum Einstieg des Höhenglücksteig.

Im Höhenglück © Wolfgang Baumann

Der Fels fühlt sich angenehm kühl und glatt an, überhaupt nicht rau wie ich vorher vermutet hatte. Obwohl die Griffe am Fels schonender für die Hände sind, halten wir uns meistens am Stahlseil fest, dass direkt vor unserer Nase verläuft. Vielleicht ist der angeborene Greifreflex daran schuld. Hochkonzentriert arbeiten wir uns voran und ich komme gar nicht dazu, nach unten zu schauen oder mir Gedanken über die Höhe zu machen. Ehe wir uns versehen, stehen wir in einer exponierten Felswand mit grandioser Aussicht. Den Boden sehen wir nicht, er wird durch Felsvorsprünge und Baumkronen verdeckt. 

Die Kletterpartie, die Höhenglück verspricht, ist insgesamt nicht länger als ein Kilometer und verläuft in großen Teilen horizontal am Fels entlang. Doch jeder Tritt ist wohlüberlegt, sodass man insgesamt gut vier Stunden auf der Kletterroute verbringen kann. Manche Abschnitte ähneln einem zu schmalen und unwegsamen Wanderweg mit direktem Körperkontakt zur Felswand. Andere Passagen erfordern wesentlich mehr Kraft, Ausdauer und Koordination und eignen sich auch als Training für schwierige Steige in den Alpen. 

Die Wittmann-Schikane

Wir scheinen uns als Klettersteig-Neulinge immerhin so gut zu machen, dass Wolfgang uns einen Versuch der sogenannten Wittmannschikane zutraut. „In den Abschnitten mit Schwierigkeitsgraden D und E sind die Fußtritte nur noch spärlich vorhanden", kündigt er an. „Die Füße sind dann das wichtigste. Je mehr Druck du mit den Füßen gegen den Fels ausüben kannst, umso weniger Kraft brauchst du in den Armen." 

Von hier gehen wir ein Stück durch den schönen mit zahlreichen Felsen geschmückten Wald. Im Nürnberger Land finden sich auf engstem Raum einerseits die lieblichen, schattig kühlen Flusstäler der Pegnitz und ihrer Zu- und Nebenflüsse, andererseits die trockenen und warmen Karstlandschaften, die das gesamte Mittelgebirge der Fränkischen Alb und somit auch die Gegend rund um den Höhenglücksteig prägen. Einst vom Wasser geformt und ausgewaschen, sind markante Felsformationen und Höhlen zurückgeblieben. Wolfgang will uns eine kleine Höhle im zweiten Sektor des Klettersteigs zeigen, in die wir an einem Seil gesichert hinabklettern. 

Zum Abschluss erklimmen wir noch den kleinen Gipfel „Lug ins Land". Der Fels und vor allem das Stahlseil haben sich in den sommerlichen 33º C ganz schön aufgeheizt und uns läuft seit heute morgen um 10 Uhr der Schweiß von der Stirn gemischt mit Sonnencreme. Für heute beenden wir unseren Schnupperkurs im Klettersteiggehen. Doch nach diesen ersten Erfahrungen wollen wir den Höhenglücksteig beim nächsten Mal unbedingt weiter klettern und würden es besonders all denen empfehlen, die in ungeahnte Höhen aufsteigen, die Natur hautnah erleben und sich selbst ausprobieren wollen.

Via Ferrata

Der italienische Begriff  „Via Ferrata", wörtlich Eisenweg, ist auch im deutschen Sprachraum gebräuchlich. Für viele Bergfans sind Klettersteige ein verhältnismäßig sicherer Einstieg in das „richtige" Klettern. Das Klettersteiggehen ist inzwischen aber auch zu einer eigenen Bergsportart geworden. Weit verbreitet sind Klettersteige in den Alpen und es gibt sie in den deutschen Mittelgebirgen, z. B. den Höhenglücksteig oder den Norissteig im Nürnberger Land.
 

 

Alfelder Windloch (Teil 2)

Felssturz unter der Erde

Am nächsten Tag sind wir wieder mit Wolfgang verabredet, aber dieses Mal geht es nicht hoch hinaus, sondern tief hinab. Der Eingang des Alfelder Windlochs liegt unscheinbar in einem lichten Nadelwald am Fuße einer kleinen Steinwand verborgen. Ein paar Stufen führen hinunter in das modrige Erdreich. Der Eingang des Alfelder Windlochs dürfte nicht kleiner sein, mit Sicherheit ist er der kleinste Eingang zu irgendetwas, in das ich je eingetreten bin. Doch meine Neugierde steigt. Ich darf als erste, setze mich mit den Füßen voran vor das Loch und schiebe mich auf dem Rücken liegend ins Unbekannte. 

Es ist nur ein kurzes Stück dann stehe ich in einer großen, von rechts nach links schräg abfallenden Spalte. Mein Bruder Jannik und Wolfgang kommen nach. Das hier hat absolut nichts mehr gemein mit der Geradlinigkeit des rechteckig gemauerten Eingangs. Es sieht aus, als befänden wir uns inmitten eines großen Felssturzes unter der Erdoberfläche. Diese Eingangshalle, die auf dem skizzierten Höhlenplan "Verwerfung" genannt wird, ist nur der Anfang eines gut zwei Kilometer langen weitverzweigten Höhlensystems. Es ist das zweitgrößte in der Fränkischen Alb und hat eine maximale Höhendifferenz von 52 Metern.

Damit eine Karsthöhle wie das Alfelder Windloch entstehen kann, braucht es wasserlösliches Gestein – in diesem Fall Kalkstein, das Grundmaterial der Fränkischen Alb – und eine gewisse Anzahl an Klüften oder Spalten, durch die das Wasser eindringen und Hohlräume schaffen kann. 

Fernab des Sonnenlichts

Die Größe des unterirdischen Raumes ist auf den ersten Blick nur schwer abzuschätzen. Die Eingangshalle kommt uns viel kleiner vor, aber sie misst tatsächlich 120 x 70 x 5 Meter. Mit unseren Stirnlampen sehen wir immer nur einen bestimmten Ausschnitt und meinem Gehirn fällt es schwer, die einzelnen Ausschnitte dieser fremdartigen Umgebung zu einem Landschaftsbild zusammenzufügen. Eine kleine Fledermaus huscht an uns vorbei. Dann beginnen wir zwischen den Felstrümmern hindurchzukraxeln. Wir müssen an frühere Sommerurlaube denken, als wir in Küstenfelsen herumkletterten, um kleine Krebse davon huschen zu sehen. Hier ist es jedoch komplett dunkel, wir sind völlig von der Außenwelt abgeschnitten, kein Windhauch, nichts bewegt sich und es hat konstante 10º C. Aber fast wie am Strand ist alles von einem feuchten Sand bedeckt. Wir werden später immer wieder mit unserem Hosenboden darauf herumrutschen. Die Decke direkt über unseren Köpfen hingegen ist glatt und sauber, denn hier sickert Wasser durch das Gestein. Der gelöste Kalk gibt der Decke eine milchige Farbe und an manchen Spitzen hängen Wassertropfen. Abgesehen von den Tropfgeräuschen ist es komplett still.

Wir wollen einige der weiter entfernt liegenden Höhlenräume aufsuchen. Unser Guide Wolfgang sucht nach den besten Wegen. Manchmal muss er den roten Packsack, in dem wir ein paar Klettergurte und Seile für alle Fälle dabeihaben, von der Schulter nehmen und voran schieben, so eng sind die Felsspalten. Allein hätte ich jetzt schon Schwierigkeiten, mich in diesem Labyrinth aus Engstellen und Felsblöcken zu orientieren. Der auf der Skizze markierte "Halsabschneider" ist hingegen gut zu erkennen. Als Jannik sich vor mir zwischen zwei Felsen hindurchzwängt, hat er eine flache und schneidend scharfe Felskante genau an seinem Hals. 

Elefantenfüße, Seifenblasen und Briefkästenschlitze

An einer anderen Stelle kostet es mich einige Minuten und ein bisschen Überwindung, um zwei Meter in einem Schacht hinaufzuklettern. Ich suche nach den richtigen Fußtritten, denn unterhalb unserer Einstiegsstelle ist der Schacht noch einige Meter tiefer und ich befürchte abzurutschen. Wir haben Seil und Klettergurt dabei, aber dass Wolfgang sie auch jetzt noch nicht auspackt, bestärkt mich darin, diese Stelle schaffen zu können. Wenn ich ihn frage, wo ich hintreten kann, sagt er ganz besonnen: „Es ist dein Gleichgewichtsgefühl" und „probier es mal da." Für einen Moment erscheint mir diese Antwort wenig hilfreich in meiner misslichen Lage, aber Wolfgang hat recht: letztlich muss ich selbst in meinen Körper, meine Kraft vertrauen und sie richtig einschätzen. Ich fasse mit der Hand um eine Felsspitze und als sich der Griff sicher anfühlt, nehme ich all meine Kraft zusammen – bevor ich es mir wieder anders überlegen kann –, trete hinüber und klettere an der linken Felswand aus dem Schacht. Puh, geschafft.

Obwohl die Höhle bereits Ende des 17. Jahrhunderts urkundlich erwähnt wurde, sind einzelne Räume, wie die Elefantenfußhalle erst seit 1962 entdeckt und erforscht. An manchen Stellen war der Boden damals übersät mit fossilen Überresten eiszeitlicher Tiere wie Wollnashorn und Waldelefant. Vielleicht fühlten sich die Höhlenkundler auch deshalb von den auffälligen Ausformungen in der Decke an Elefantenfüße erinnert.

Den sogenannten Briefkasten lassen wir zwar aus, kurz nach dem Verlassen der Elefantenhalle stehen wir aber vor einem anderen horizontalen Spalt, der ebenso an einen Briefkastenschlitz erinnert. Er ist gerade so groß, dass sich ein Mensch flach auf dem Boden liegend hineinzwängen kann. „Oh, das ist ja unangenehm!", stöhnt unser Guide, der bereits bäuchlings mit dem Oberkörper in der Felsspalte steckt. Wir müssen schmunzeln. Dann schiebt er sich vorwärts in den Eingang zur sogenannten Seifenblasenhalle und sein Körper verschwindet Stück für Stück im Gestein. Fast wird seine Stimme vom Fels verschluckt, als er uns schildert, wie er sich etwas weiter drinnen auf den Rücken drehen und dann mit den Füßen voran hinunter rutschen kann. 

Vom Fels verschluckt: Der Eingang zur Seifenblasenhalle

„So, wer möchte nachkommen?", ruft Wolfgang in freudiger Erwartung. „Ja, ich will.", rufe ich und bin – anders kann ich es zu meiner eigenen Verwunderung nicht sagen – total angetan von der Idee, mich dort hindurch zu zwängen. Platzangst habe ich definitiv nicht, als ich mir robbend meinen Weg durch den Fels suche, muss ich lachen und finde es sogar recht behaglich. 

Nachdem wir die Seifenblasenhalle mit ihren kreisrunden Verfärbungen und der kuppel- und blasenförmigen Decke erkundet haben, machen wir uns auf den Weg zurück durch den horizontalen Felsspalt, den Schacht hinunter, über weitere kleine Kletterpartien, vorbei am Halsabschneider und gelangen zurück in die Eingangshalle, wo wir nach dem Ausgang suchen. Ich bin etwas erleichtert, als Wolfgang ihn findet. Jetzt nur noch einmal durch das kleine Loch schlüpfen und wir sind draußen. Von einem auf den anderen Höhenmeter umgibt uns plötzlich die schwülwarme Sommerluft, wir sind zurück im Tageslicht.

Höhlen im Nürnberger Land

Dreckig aber glücklich: Mein Bruder und ich
wieder zurück im Tageslicht © Wolfgang Baumann

Wo kann man heute schon noch unbekannte Landschaften entdecken? Viele der über 200 Höhlen im Nürnberger Land sind über Wanderwege erreichbar und können auf eigene Faust erkundet werden. Andere Höhlen sollte man nur in Begleitung eines erfahrenen Höhlenführers betreten. Eine solche Tour ist in jedem Fall ein außergewöhnliches Outdoor-Abenteuer. Für eine Höhlenbesichtigung ohne Adrenalin, aber mit vielen Tropfsteinen, u. a. dem größten Tropfstein Deutschlands, bietet sich die Maximiliansgrotte bei Neuhaus an der Pegnitz an. Sie kann bei einer Führung bestaunt werden.

Vom 1. Oktober bis 31. März gehören die Höhlen allerdings den überwinternden Fledermäusen und sind nicht für Besucher zugänglich – ein wichtiger Beitrag zum Schutz unserer heimischen Fledermäuse.

Infos zum Nürnberger Land und weiteren Outdoor-Aktivitäten findet ihr auf urlaub.nuernberger-land.de,
Wolfgang Baumann unter www.bergundton.de.