Bei einer Ballonfahrt schwebt man wie in Zeitlupe und ganz leise über Wälder, Wiesen und Dörfer. Und wird auch selbst ganz ruhig dabei.

Wir schweben ja schon! Der Korb hebt so lautlos und ruckelfrei von der Wiese im Lautertal ab, dass man nur durch den Perspektivwechsel merkt, dass man in der Luft ist. Dieser unspektakuläre Start kommt für mich überraschend, denn ich habe bis eben mit meiner Angst gekämpft. Ich steige nicht gerne ins Flugzeug – und jetzt soll ich mit vier weiteren Passagieren und einem Ballonpiloten in einem kleinen Korb durch den Himmel über der Schwäbischen Alb cruisen? Mit nichts als ganz viel heißer Luft als Antrieb? Und einem Kapitän, der zwar sehr erfahren ist und der die Winde und die Thermik perfekt kennt – der aber sein Gefährt im Grunde nicht steuern kann?

Mit dem Piloten plaudern

Ballonpilot Rudi Fuchs
© TMBW / Dietmar Denger

Rudi Fuchs feuert stattdessen. Und der Gasbrenner faucht in kurzen Abständen und speit Feuer, damit die Luft im 180 Kilogramm schweren Ballon heißer wird und wir an Höhe gewinnen. Denn gleich nach dem Start geht’s ein bisschen in eine andere Richtung als vorher gedacht – und die Baumwipfel am Hang scheinen für einen Moment bedenklich in Augenhöhe zu sein. „Da müssen wir jetzt mal schnell machen“, meint der 61-Jährige lachend, wirkt aber nicht besorgt. Es beruhigt mich, dass ich den tiefenentspannten Ballonexperten vor mir habe und mit ihm plaudern kann. Das ist schon einmal viel angenehmer als im Flugzeug – man ist im Kontakt mit dem Piloten und mit der Welt drumherum.

Der Frieden hier oben

Der Effekt: Schon bevor wir über den Berg sind, fällt die Angst wie ein schwerer Stein von mir ab und ich freue mich: über die Morgensonne. Die unfassbare Stille. Den Frieden hier oben. Wie leise man fliegen – pardon – fahren kann. Und wie wunderschön die Alb an so einem Morgen früh um sieben Uhr ist – mit Nebel, feuchten Wiesen, dunklen Wäldern, kleinen Dörfern. „Ballonfahren kann man eigentlich nicht mit Fliegen im Flugzeug vergleichen“, sagt Rudi Fuchs, während wir sanft die Atmosphäre mit unserem Ballon teilen. „Ich mag am Ballonfahren, dass es so langsam und bedächtig ist. Und dass es eine wahre Kunst ist, sich auszurechnen, wo man hinfliegen wird und wo man am Ende gut landen kann. Aber ich starte auch wirklich nur, wenn das Wetter absolut passt.“ Was wiederum heißt, dass über die Hälfte der Fahrten verschoben werden müssen. Aber Rudi Fuchs und seine Frau müssen vom Ballongeschäft auch nicht leben. Es ist mehr eine Leidenschaft, die übrigens zufällig begann. Ein Freund kaufte Anfang der 90er-Jahre günstig einen Ballon und überredete Rudi, den Führerschein für Heißluftballons zu machen.

Über dem Biosphärengebiet Schwäbische Alb

Aufbau des Ballons © TMBW / Dietmar Denger

Das Tolle am Ballonfahren ist neben der Stille, dass man meist in einer Höhe von 500 bis 1.000 Metern über dem Boden fliegt und noch viel unten erkennen kann: die Kuhherde, die wegen der seltsamen dunkelroten Riesenblase in der Luft aufgeregt herbeigaloppiert. Die Rehe auf dem Feld, die ein Bad in der Morgensonne nehmen. Den Rennradler, der auf der Straße unter uns bergab saust. Wir sind über dem Biosphärengebiet Schwäbische Alb rund um Münsingen unterwegs, einem eindrucksvollen Stück Natur im Südwesten und einer tollen Urlaubsregion – aber für Autos, Wanderinnen und Freizeitradler ist es noch ein bisschen früh an diesem Sonntag. Die Welt unter uns liegt weitgehend still.

Wie in Zeitlupe

Obwohl Rudi Fuchs hier oben einen Wind von etwa 15 Stundenkilometern misst, scheint kein Lüftchen zu wehen. „Das fühlt sich so an, weil wir den Fahrtwind als Antrieb nutzen“, erklärt er uns. Es ist ein bisschen so, als ob wir auf Zeitlupe geschaltet sind und einer zudem den Ton stumm gedreht hat – mal abgesehen vom ab und zu feuerspeienden Gasbrenner. Der muss in regelmäßigen Abständen die 4500 Kubikmeter Luft im Schirm aufheizen. Und auch wir haben’s deshalb warm im Korb.

Keine Adrenalinschübe, dafür zufriedene Mitfahrerinnen und Mitfahrer

Im Landeanflug © TMBW / Dietmar Denger

Wohin die Reise geht? Wissen wir eben nicht. Geplant ist, dass wir etwa 1,5 Stunden in der Luft sind. „Wahrscheinlich landen wir irgendwo bei Trochtelfingen“, meint Rudi, der schon über 2.000 Fahrten als Ballonführer hinter sich hat, also ein sehr geübter Pilot ist. Wir fünf Passagiere sind alle zum ersten Mal an Bord: Carmen hat ihrer Freundin Angelika die Fahrt geschenkt, damit die ihre Höhenangst überwindet – und tatsächlich schaut Angelika ganz entspannt in die Ferne und macht Fotos mit dem Handy. Siggi und Erwin wollten so etwas schon lange mal machen. Das Paar blickt andächtig auf die Landschaft hinunter, spricht kaum und genießt augenscheinlich jede Minute. Und ich? Alle meine Sorgen sind wie weggepustet. Hätte ich nicht für möglich gehalten. Ich stehe im Korb und staune ohne Adrenalinschübe über die Schönheit der Welt. Beneide die Vögel. Beobachte die geometrischen Muster der Baumkronen und der abgeernteten Felder. Entdecke ganz in der Ferne im Dunst die Burg Hohenzollern. Die Zeit vergeht wie im Flug, jaja, ein Wortspiel – aber wir fliegen ja auch gar nicht: Wir fahren, weil die heiße Luft im Ballon leichter ist als die drumherum, erklärt uns Rudi.

Das letzte Wäldchen bei Trochtelfingen ist überwunden, wie in Zeitlupe sinken wir, der Boden scheint uns sanft entgegen zu kommen. Mit einem unmerklichen Hopser setzt der Korb auf einer bunten Sommerwiese auf. Also rausklettern, einpacken und dann gemeinsam frühstücken. Ich klopfe Angelika lächelnd auf die Schulter. Wir zwei Ängstlichen haben es auch geschafft. Nein, viel mehr als bloß geschafft, das sehe ich in den leuchtenden Augen meiner Nebensitzerin. Wir haben’s richtig genossen. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, in der Luft gut aufgehoben zu sein. Ja, mehr noch: Ich bin beim Aufsteigen wunderbar runterkommen.

 



 

Presse-Feature der Tourismus Marketing GmbH Baden-Württemberg (TMBW)