Von Ralf Stefan Beppler
erstmals erschienen in der OutdoorWelten-Winterausgabe 2019

Wer wenig Zeit hat, England von einer besonders schönen Seite kennenlernen möchte und dennoch eine klar abgegrenzte Wanderstrecke bewältigen will, sollte in den Norden reisen. Der Hadrian‘s Wall Path lässt sich bequem in einer Woche erledigen – inklusive historischer Weiterbildung. 

Es regnet. Für England nichts Außergewöhnliches, zumal wenn man im September unterwegs ist. Wir fahren von Newcastle upon Tyne nach Wallsend. Der Name ist Programm. Hier war das Ende des Hadrian’s Wall oder dessen Beginn. Der Hadrian’s Wall Path fängt am Segedunum Fort in Wallsend an. Im Museum kaufen wir uns den Hadrian’s Wall Path Passport und holen den ersten Stempel. Die ersten Meilen ziehen sich mühsam dahin. Erst mit der Uferpromenade in Newcastle wird es schöner.

Richtig am Hadrian’s Wall kommt man dagegen in Heddon-on-the-Wall an. Dort lohnt als Bleibe Paula’s International Guest House, das man allerdings auch Ende September vorbuchen sollte. Wir haben nicht gebucht und müssen noch sechs Meilen weiter bis zum „Robin Hood Inn“. Dort können wir unser Zelt aufbauen und werden im Inn mit Local Beer und Cuisine Anglaise versorgt.

Tipps & Infos

Länge: 84 Meilen (ca. 135 km)

Schwierigkeit:
Einfach bis mittel. Im mittleren Abschnitt gibt es ein paar steile Stellen, teilweises sind sie schon als Stufen befestigt.

Anfang / Ende:
Wanderungen in beide Richtungen sind unproblematisch.
Die Wegemarkierung aus beiden Richtungen sehr gut.

Anreise: Flugzeug bis Newcastle, Fähre von Ijmulden/NL
bis fast nach Newcastle, Züge und Busse bis Newcastle oder Carlisle. Lokale Busverbindungen bis Wallsend bzw. Bowness-on-Solway.

Unterbringungen:
Im mittleren Teil finden sich ausreichend Campgrounds,
viele Inns an der Strecke. Aber eine Vorbuchung ist hier unerlässlich
– auch in der Nebensaison.

Verpflegung:
Es gibt gute Inns direkt am Path, Lebensmittelläden sind im mittleren Teil selten.

Morgens starten wir mit einem English Breakfast erster Güte. Wer keine Lust auf „Landstraßentrekking“ hat, kann eine Exkursion nach Süden machen. Da liegt das idyllische Corbridge (Roman Village) mit der St. Andrews Kirche aus dem 14. Jahrhundert. Entlang der Tyne kommt man bis Hexham, wo es nach Norden zurück auf den Hadrian’s Wall Path geht.

In Chollerford gibt es einen Campground, das Chesters Roman Fort Museum und keine Einkaufsmöglichkeiten. Hier fängt der schönste Teil des Hadrian’s Wall Path an, und man sollte die nächsten drei Etappen von dem Hadrian’s Haul Service Gebrauch machen. Der Haul Service hört sich zwar abenteuerlich an, funktioniert aber tadellos. Man ruft abends an, gibt den aktuellen Standort sowie das nächste Etappenziel mit genauem Campingplatz, B&B, Pub oder Hotel an und lässt am nächsten Tag seinen Rucksack mit 7 Pfund Transportgebühr je Gepäckstück zurück. Wir warten. Bis unsere Rucksäcke tatsächlich abgeholt werden, was den Fahrer amüsiert. Wir könnten längst „on the path“ sein – immerhin regnet es heute nicht. Auch bei den nächsten zwei Übernachtungsstationen funktioniert alles bestens, obwohl wir jeweils die einzigen Gäste und die Locations eher private Wiesenflächen sind als richtige Campingplätze.

Ab Chollerford wandert man kilometerweit an dem Wall entlang. Nach Norden erstrecken sich die Weiten des Northumberland National Park, und man kann sich vorstellen, wie die römischen Legionäre nach den Barbaren Ausschau hielten. Regelmäßig trifft man jetzt auf Grundrisse von Turrets (kleine Wachtürme), Milecastles (größere Wachtürme) und gelegentlichen Forts. Die Straße ist fern, der Pfad ausgesetzter und hügelig. Etliche dieser Hügel brechen nach Norden steil ab und bilden die berühmten Crags, die die Römer, strategisch sinnvoll, in den Hadrian’s Wall integrierten. Hinter dem Housesteads Fort kommt wohl der berühmteste Teil des Hadrian’s Wall. In jedem Buch, in jeder Broschüre zum Hadrian’s Wall Path abgedruckt und millionenfach fotografiert, befindet sich der Sycamore Gap, eine Senke zwischen zwei Crags, in deren Mitte ein Bergahorn steht. Internationalen Ruhm erlangte der Baum in Kevin Costners Robin-Hood-Verfilmung in der Hood und sein Gefährte Azeem auf der Mauer entlanglaufen, was natürlich am Hadrian’s Wall strikt verboten ist, und erstmals mit den Schergen des Sheriffs kämpfen. Hinter den Winshields Crags biegen wir links auf einen matschigen Trampelpfad durch Farne auf der Suche nach der Winshields Farm, dem Campsite und unseren Rucksäcken. Beides finden wir vor. Einkehren sollte man dort im sehr empfehlenswerten „The Twice Brewed Inn“. 

Am nächsten Tag windet sich der Weg durch die hügelige Landschaft, und der Wind treibt so manche Wolke vom Westen auf uns zu und lässt uns im Regen stehen. Hinzu kommen die ersten Begegnungen mit Rindern, deren Weiden von unserem Pfad gekreuzt werden. In Gilsland schlängelt sich der Hadrian’s Path um Gemüse- und Vorgärten und kreuzt eine schrankenlose Bahnlinie. Ein saloppes Schild „Stop Look Listen, Beware of trains“ warnt vor dem gedankenlosen Kreuzen der Gleise, und tatsächlich rauscht vor uns ein Zug vorbei. Die Slackhouse Farm ist in „the middle of nowhere“. Und die Landlady Dianne fährt uns drei Meilen zurück nach Gilsland, wo wir in einem Pub essen können. 

Die Etappe bis Walton wird wieder flacher, die Crags haben wir zurückgelassen, der reizvolle Teil des Hadrian’s Wall Path liegt hinter uns, und die Mauerreste werden immer spärlicher. Stattdessen holt uns das landwirtschaftliche Nordengland ein. Wir wandern über endlose Weiden, entlang langer Senken, den Befestigungsgräben, die die Römer nördlich vor der Mauer gezogen haben. Bald ist die Mauer ganz verschwunden und, so der Reiseführer nicht lügt, finden sich die Steine der alten Mauer in manchem Bauernhof, Landgut oder Kirche in der Region wieder. Mit dem Ende der sichtbaren Mauer nimmt auch das touristische Interesse ab. Andere Wanderer werden rar und die Infrastruktur schwächer. In dem Dörfchen, wo unser Campsite liegt, gibt es kein Inn mehr, und die Scheiben des letzten Pubs sind zugenagelt. Also sitzen wir vor unserem Zelt und vertilgen unsere ersten Beutel dehydrierte Notnahrung.

Der Reiseführer verspricht eine landschaftlich reizvolle Wanderung entlang dem Flüsschen Eden, aber zwischen Park Broom und Linstock wird uns die Eden-Schlaufe verwehrt. Der Wanderweg wurde durch das Hochwasser weggeschwemmt und kurzum entlang der Landstraße verlegt. Wir sind nicht traurig, als wir nachmittags in Carlisle ankommen und uns ein B&B suchen, wo wir duschen, durchtrocknen und in Betten schlafen können. 

Wir versuchen vergeblich, in Bowness-on-Solway einen Campground oder B&B zu finden. Für das Wall’s End Guest House ist längst Nachsaison und das The King’s Arms Inn komplett ausgebucht. Die letzte Etappe steht mehr unter dem Motto, „den Path komplett gelaufen zu sein“. Anfangs ist es halbwegs sonnig und der Pfad halbwegs trocken, aber je mehr wir uns dem Ziel nähern, desto grauer, trüber und matschiger wird es. Vor allem zwischen Drumburgh und Glasson führt der Weg durch große Höfe und die dazugehörigen Äcker, wo ein Gülle-Wasser-Gemisch kilometerweit den Wanderweg überschwemmt. Schnell sind die Wanderschuhe durchnässt und schreien nach Pflege.

In Port Carlisle an der Old Harbour Wall sitzt ein Greis an einem Markierungsschild: 1 Meile bis Bowness on Solway, 83 Meilen bis Wallsend. Darunter können wir die eigene Stadt einsetzen und deren Entfernung markieren lassen. 731 Meilen bis Fürth markiert der alte Mann freudig. Dann folgt die letzte Meile bis zum The King’s Arms Inn, wo wir den letzten Stempel für unseren Wanderpass holen und an der The Banks Promenade das letzte Foto schießen. Fortuna vobis adsit ist die Losung, die auf dieser Seite den Wanderern mitgegeben wird. Und das Glück ist tatsächlich mit uns, als wir den letzten Bus zurück nach Carlisle kriegen.

Mehr Infos:

Gepäcktransport
Gepäcktransport gibt es ebenfalls in beide Richtungen auf der ganzen Strecke von Februar bis Ende Oktober. Z.B. Hadrian's Haul Service, +44 (0)7967 564823, info@hadrianshaul.com.
Kosten: 7 Pfund pro Gepäckstück

Radstrecke
Es gibt auch eine Hadrian’s Wall Radstrecke, allerdings nicht an der Mauer entlang (absolut verboten), sondern auf der südlichen Landstraße, teilweise auf Radwegen. Zur Mauer muss man hinwandern.

Ausrüstung
Kleiner Daypack empfehlenswert (wenn man Gepäck aufgeben will) und natürlich Regensachen wie Membranjacke, Oiled/Waxed Cotton oder Páramos Analogy Technologie. Wanderstöcke nach eigenem Bedarf.

Schuhe 
Klassischer Wanderschuh, erfahrene Wanderer kommen auch mit einem Leichtwanderschuh zurecht.

Vorbereitung
Die Homepage von National Trail bietet weitere wichtigen Informationen:
www.nationaltrail.co.uk hadrians-wall-path

Reiseführer und Karten
Die Harvey National Trail Karte XT40 „Hadrian’s Wall Path“ ist für den Path ausreichend. 

Wer mehr Infos will, findet alles im Trailblazer British Walking Guide „Hadrian’s Wall Path“, Edit. 2020.
Hier findet sich die Strecke auch in einer Two-Way-Beschreibung.