Als mir mein Freund Arwid vor etwa zwei Jahren sagte, er würde gerne einmal mit mir eine längere Radtour machen, stand für mich fest: Klar, irgendwann. Schließlich bin ich ich mehr die gemütliche Citybike-Fahrerin. Doch durch Corona änderten sich im vergangenen Jahr unsere Urlaubspläne ...

Von Annabelle Gummersbach

Italien muss vorerst warten, etwas Neues her. Warum also nicht Radfahren? Endlich die Tour machen, auf die mein Freund sich so freut. Von Ahrweiler ins Moseltal, die Oma besuchen. Jetzt also ist der Moment gekommen, immerhin habe ich es ihm versprochen …

Ein typischer Anblick auf dem Moselradweg

Für geübte Radfahrer mögen die 140 km Strecke, die wir an zwei Tagen zu großen Teilen auf dem Mosel-Radweg, zurücklegen wollen, nicht der Rede wert sein. Für mich, als entspannte und mehr als gemütliche Citybike-Fahrerin hingegen, ein Mammut- Projekt. Schon wochenlang vorher frage ich mich, ob ich das weite Radeln überhaupt durchhalten kann. Erinnerungen an schmerzende und müde Muskeln nach einem etwas l ngeren Radausflug machen mir Sorgen. Wenn ich schon nach 60 Kilometern kaum noch laufen kann, wie soll es dann erst nach einer so langen Strecke sein? „Kein Problem, du fährst mit dem e-Bike, ich mit dem Rennrad“, benennt Arwid die L sung. Für ihn steht fest, dass ich das schaffe. Mit elektronischer Unterstützung, einem kleinen Anschub. Wirklich überzeugt bin ich trotzdem nicht.

Ein paar Wochen vorher „trainiere“ ich, nehme öfters das Rad, wir machen kleinere Ausflüge zusammen. Ich will meine Muskeln auf die Anstrengung vorbereiten, möglichst meine Kondition verbessern, einfach dem schlimmsten Muskelkater aller Zeiten entgegenwirken. Neben der Sorge, ob mein Körper die Anstrengung stemmen wird, bohrt sich eine weitere in meinen Kopf – das e-Bike. Ich habe noch nie auf einem gesessen. Vor meinem inneren Auge entwickeln sich die verrücktesten Szenarien: Ich, wie ich plötzlich nicht mehr bremsen kann, wie ich aus der Kurve fliege, wie der Motor mitten am Berg versagt …

Erstkontakt

Doch irgendwann ist der Tag gekommen und wir holen das reservierte Leih-e-Bike im Fahrradladen ab. Skeptisch begutachte ich das Rad. Es ist viel größer und klobiger als mein Citybike. Und schwerer. Viel, viel schwerer. Der Mitarbeiter erklärt uns alles, was wir wissen müssen – doch es ist eigentlich gar nicht so viel. Hier der Akku, ein Ladekabel dazu, dort der „Bord-Computer“, um den Motor zu bedienen. Es gibt fünf verschiedene Modi: Off, Eco, Tour, Sport, Turbo. Eco für die minimale Unterstützung, Turbo für Steigungen. So weit, so gut. Ein paar einfache Klicks und Einstellungen beim Radeln, das ist alles. Den Akku kann man einfach rausnehmen und dank des Kabels z. B. über Nacht im Hotel laden oder unterwegs an einer Ladestation.     

Da steht mein e-Bike

Das erste Kennenlernen ist also erfolgt. Nun geht es darum, das Rad auszuprobieren. Es zu schieben, ist ziemlich schwer. Und es im Off-Modus zu fahren, noch schwerer. Aber dazu ist ein e-Bike ja auch eigentlich nicht gedacht. Also schalte ich in den Eco-Modus, trete in die Pedale – und schwupps, geht es vorwärts. Ich muss lachen: Ich fühle mich zurückversetzt in meine Kindheit, als mein Vater mich beim Fahrradfahren angeschoben hat. Genauso leicht bin ich jetzt unterwegs. Nur dass mich eben nicht mein Vater unterstützt, sondern ein kleiner Motor.

Ich gönne mir einen ruhigen Tag, um das Fahrrad und die Bedienung kennenzulernen, fahre leichte Strecken, wechsele zwischen den Modi. Es ist erstaunlich einfach. Ganz anders, als ich erwartet habe. Und dann kommt der Moment, der mich vollends begeistert. Ein steiler Berg, Kilometer lang. Mit meinem Citybike würde ich nur wenige Meter schaffen, ehe ich mit rotem Kopf resigniert aufgeben und die Steigung verfluchen würde. Nun aber wage ich es, ich schalte in den ersten Gang und auf Turbo. Und presche davon. Gemütlich, als würde ich eine flache Strecke fahren, brause ich den Berg hinauf. Überhaupt keine Anstrengung, kein Hecheln, keine schweren Beine. Ich lache und freue mich in diesem Moment sehr, auf diesem Rad zu sitzen. Es macht unglaublich viel Spaß!

On the road

Doch als am nächsten Morgen unsere zweitägige Reise beginnt, kehren die Zweifel zurück. Das e-Bike ist super, keine Frage. Aber wie sieht es nach den vielen Kilometern aus? Ob ich dann immer noch so fit bin? Wir packen die Radtaschen und befestigen sie an meinem Gepäckträger. Das Rennrad von Arwid hat keinen. Ein Glück, dass ich mit elektronischer Unterstützung fahre, denn so spüre ich das Gewicht der Taschen überhaupt nicht. So lange ich den Motor anhabe, leidet auch die Lenkung nicht darunter. Also starten wir. Kilometer um Kilometer, Stunde um Stunde. Wir machen regelmäßig ein paar Pausen, dehnen uns, erfreuen uns an der Aussicht auf die Mosel und die Weinberge. Durchschnittlich 22 km/h fahren wir laut meiner Tacho-Anzeige, schneller als 25 km/h kann mein e-Bike sowieso nicht fahren. Aber es geht ja auch nicht um Geschwindigkeit, sondern um den Weg, den ich so entspannt wirklich sehr genieße.

Die grüne Mosel

Als wir abends unser Hotel in Müden nahe der Burg Eltz erreichen, knapp 80 Kilometer liegen hinter uns, schwächeln meine Muskeln immer noch nicht. Kein Zerren, kein Stechen, kein Drücken. Es ist faszinierend. Dafür tut etwas anderes ganz schön weh … Der Radsattel soll doch zum größeren Feind auf dieser Reise werden – bei all meinen Sorgen über meine Beine und das e-Bike an sich habe ich vor der Tour kaum einen Gedanken an das lange Sitzen verschwendet. Wir stellen die Räder vor dem Hotel ab, schnappen uns Taschen und Bike-Akku zum Laden und beziehen unser Zimmer. Obwohl ich mich noch fit fühle, merke ich bald die Anstrengung vom Tag. Ich glaube, so tief und fest wie in dieser Nacht habe ich lange nicht mehr geschlafen.

Am nächsten Morgen geht es zurück aufs Rad. Noch 60 Kilometer bis zum Tagesziel Traben-Trabach liegen vor uns. Dass meine Muskeln diese kurze Reise überstehen, da bin ich mir mittlerweile sicher. Und dabei haben wir extra eine Strecke gewählt, an der wir zur Not immer in die Bahn steigen und ein paar Etappen überspringen könnten. Wir machen Stopp in Cochem, besichtigen die Burg, spazieren durch die Altstadt. Mit einem leicht unguten Gefühl lasse ich das e-Bike am Fahrradständer zurück – doch die Sorge ist unbegründet. Der Rest der Tour ist geprägt von Sonnenschein, Weinbergen und einer ziemlich grün gefärbten Mosel; das Ergebnis von Blaualgen, die sich im heißen Sommer stark vermehrt hatten. Gegen Nachmittag erreichen wir schließlich unser Ziel im Moseltal. Was soll ich sagen: Von meiner allergrößten Sorge, nämlich dem Muskelkater meines Lebens, ist weit und breit nichts zu spüren – selbst Tage später nicht. Und auch sonst ist keines meiner Horrorszenarien eingetreten. Ganz im Gegenteil, das e-Bike war ein toller Begleiter und schenkte mir eine völlig neue Raderfahrung. Das wird bestimmt nicht das letzte Mal gewesen sein.

 

Radschläge Tipps und Tricks zur Reiseplanung

Vorbereitung:

Informiert habe ich mich auf der Website www.mosellandtouristik.de. Dort habe ich mir die Etappen angeschaut, Ziele rausgesucht, die auf der Strecke liegen, und einen groben Reiseplan erstellt:

• Wo können wir essen gehen? • Wo lohnt sich Sightseeing? • Wo übernachten wir?

Als Unterkunft haben wir eine radfreundliche Unterkunft gewählt – davon gibt es an der Mosel sehr viele –, in der man das Rad sicher unterstellen kann. Das e-Bike selbst haben wir ein paar Wochen vorher gebucht und den Abholtermin so gelegt, dass ich noch genügend Zeit hatte, mich mit dem Rad vertraut zu machen.

Unser Tourenplan: Ahrweiler – Traben-Trabach

Die Burg Cochem

Tag 1: Start in Ahrweiler, entlang der Ahr bis zum Rhein, auf dem Rhein-Radweg über Sinzig und Bad Breisig bis Andernach (erste kleine Pause), weiter bis Koblenz (hier Mittagspause und Sightseeing Deutsches Eck). Auf den Moselradweg bis Müden (Mosel), hier bernachtung. Abendessen im Nachbarort Treis-Karden.

Tag 2: Moselradweg, Zwischenstopp in Cochem (Sightseeing), Mittagspause in Ellenz, weiter bis Enkirch bei Traben-Trabach

Unsere Packliste 

> verteilt auf zwei Radtaschen und zwei Rucksäcke

Zwischenstopp und Sightseeing in Cochem

• Proviant: je zwei Flaschen Wasser, Saft, Obst, Müsliriegel, Rohkost
•  Hautpflegecreme
• Sonnencreme
• Pflaster/ Blasenpflaster
• Luftpumpe
• Multiwerkzeug für Fahrradreparaturen
• Flickset
• Handyhalter
• Regenhose und Regenponcho
• Alltagskleidung zum „Ausgehen“

Hilfreiches für unterwegs
oder: was ich über e-Bikes gelernt habe

• Bei e-Bikes wird die eigene Tretbewegung durch einen Elektromotor unterstützt
• Es gibt vier Unterstützungsstufen: Eco, Tour, Sport, Turbo Individuelle
• Akku-Laufzeit: Fahrergewicht, Geschwindigkeit, Modus, Terrain, Reifendruck uvm. beeinflussen die Reichweite
• Ein Standard-e-Bike wiegt in etwa 20 bis 25 kg inkl. Motor und Akku
• e-Bikes (bis 25 km/h) dürfen im Zug mitgenommen werden. Evtl. ist eine extra Fahrradkarte nötig.
• Bei aller Konzentration auf den Motormodus, die Gangschaltung nicht vergessen!
• Die Leihgebühr betrug 120 € für eine Woche
• Achtung: die ADFC-Pannenhilfe hilft Mitgliedern nicht bei Leihfahrrädern!
• e-Bikes mit einer Geschwindigkeit von 25 km/h sind als „normales“ Fahrrad über eine Hausratversicherung mitversichert