Feucht hängt der neblige Morgentau in den Baumwipfeln. Von den Loobeerblättern in La Palmas UNESCO- geschütztem Regenwald Los Tilos tropft das Wolkenwasser auf die Piste. Kurve um Kurve radelt eine Handvoll Mountainbiker dem höchsten Punkt der lnsel entgegen. Je höher wir hinaufkommen, desto stärker reißt die Wolkendecke auf. Und als wir nach fünf Stunden Autofahrt endlich am Rand des zweitgrößten Senkkraters der Erde stehen, blicken wir über ein gewaltiges, von der Sonne bestrahltes Wolkenmeer, aus dem die Zackengrate des Vulkankessels hervorschauen. Nur eine halbe Flugstunde von den Stränden Teneriffas und Gran Canarias entfernt,
erhebt sich La Palma steil aus dem Atlantischen Ozean. Touristisch besehen fristet das grüne Eiland ganz im Westen des kanarischen Archipels ein Schattendasein. Lange Badestrände mit feinem Sand gibt es auf der „lsla bonita“ nicht, wenig Hotel- und Appar- tementsiedlungen, kaum Gelegenheit zum Ausgehen und erst recht kein Nachtleben. Kein Wunder, dass pro Jahr gerademal 80.000 Urlauber (so viel, wie La Palma Einwohner hat) die offziell 7.500 Gästebetten buchen. Damit spricht „Die Schöne“ vor allem Naturliebhaber und Aktivreisende an. Die beste Ausgangsadresse für Touren mit dem Mountainbike ist die Westküste. Bikeverleiher und Tourguides gibt‘s in Los Llanos und in dem Hotelklotz von Puerto Naos, der einzigen Bausünde der lnsel. Von hier aus starten die Gruppen mit Bustransfers zu den Ausgangspunkten. Es gibt rund 30 empfehlenswerte Bikerouten. Kaum eine ist ausgeschildert, Infos muss man sich in Internetportalen suchen. Ein Tip immerhin: Auf eigene Faust kann man die Cumbre Vieja auf einem weichen Bett von Piniennadeln ost- und westseitig auf einem schönen Forstweg umfahren. Ausgangspunkt ist die Bergstraße, die von beiden lnselseiten zum Refugio El Pilar führt.
Fünf Stunden Bergauffahren auf einem Mix aus Teer- und Waldstraßen sind aber auch nicht nach jedermanns Geschmack und so wundert es nicht, dass wir auf dem Weg zum „Rocque“ immer wieder von Kleinbussen überholt werden, deren Insassen sich nach oben shutteln lassen. Dies ist eine Geschäftsidee früh hier angesiedelter Deutscher, die aus der Faulheit (oder etwas freundlicher formuliert: dem Erholungsbedürfnis) ihrer Gäste einen orierenden Wirtschaftszweig gemacht haben. Der positive Nebeneffekt: man kann dort auch gleich gute Fahrräder, zumeist Mountainbikes oder Rennräder leihen, sich Tipps holen und sich geführten Gruppentouren anschließen. Wer zum Radfahren nach La Palma kommt, der bleibt sicher nicht allein.
Gemessen an seiner Ausdehnung ist La Palma nur ein kleiner Klecks im großen Ozean. 47 Kilometer lang und nur 28 Kilometer breit. Doch als „steilste lnsel der Welt“ hat La Palma vor allem in die Höhe gebaut. Allein 42 Kilometer lang ist die 1984 mit EU- Geldern erbaute Anfahrtsstraße zu der Sternwarte am 2.426 Meter hohen Roque de los Muchachos, dem Fels der jungen Burschen und Gipfelpunkt der lnsel. Tagesfüllend sind auch die Ausflüge ins Vulkan- und Weinanbaugebiet des Südens, zu den Mandelbaumhainen der Westküste und entlang der unwegsamen Nordküste, die wegen ihrer vielen Kurven für Touristen mit dem Mietwagen strapaziös ist. Die ganzjährig milden Temperaturen des „ewigen Frühlings“ sind geradezu ideal für Biketouren und lassen schnell vergessen, dass andernorts tiefster Winter herrscht.
Nach Süden setzt sich der über 2,5 Millionen Jahre alte Calderarand als Cumbre Vieja und Cumbre Nueva fort, ein Bergkamm, der die Insel in eine üppig fruchtbare Ost- und eine sonnig-warme Westseite teilt. Auch entlang dieses Kamms läßt sich auf der Ruta de los Volcánes über Pinienwäldern vortrefflich wandern, majestätische Ausblicke auf beide Seiten der lnsel und das Meer bis hin zu den Nachbarinseln inklusive. Der Weg endet im geologisch jüngsten Teil der lnsel, dem weißgetünchten Bergdörfchen Fuencaliente, dessen Name auf warme Quellen hinweist und zu dessen Füßen erst 1971 der Vulkan Teneguía ausbrach und frische Lavamassen ins tiefblaue Meer wälzte. Warme Schuhsohlen an den Füßen und Schwefeldämpfe in die Nase holt sich, wer diesem zwischen rostrot und sattschwarz schillern- den Bimsstein- und Aschekegel zu Leibe rückt. Beim anschließenden Bad im ganzjährig warmen Wasser der Leuchtturmbucht kann man sich den Staub wieder vom Leibe waschen.
La Palma ist sicherlich die ideale Insel für den aktiven Naturgenießer. Dabei gibt es immer wieder interessante Details zu entdecken. So finden sich urzeitliche Felszeichungen bei La Zarza im Norden der lnsel, botanisch Interessierte fasziniert der seltsame Wuchs uralter Drachenbäume bei Puntagorda und für Zigarrenraucher ist La Palma ohnehin ein Geheimtipp. Was in La Palmas kleiner Hauptstadt Santa Cruz, von wo aus Columbus 1492 auf den unbekannten Seeweg westwärts nach Indien aufbrach und Amerika entdeckte, im Fachgeschäft präsentiert wird, braucht den Vergleich mit kubanischen Zigarren kaum zu scheuen. Eine alternative Spezialdisziplin kann man bei den Einheimischen abschauen: Sie heißt ,,Siesta“ und wird von den Palmeros perfekt beherrscht ...


El Hierro
Am Anfang war die Steigung. Das gilt vor allem am Ende der Welt. Als solches wurde El Hierro, die kleinste Insel des Kanarischen Archipels, in allen Atlanten und Seefahrerkarten verzeichnet – bis zur Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus im 15. Jahrhundert. Auch wer heute mit dem Schi oder dem Flugzeug von einer der Nachbarinseln anreist, bekommt zunächst einmal eine steile Serpentinenstraße vorgesetzt. Gerademal 2000 Einwohner zählt die Hauptstadt Valverde, die am Ende dieser knapp zehn Kilometer langen Auffahrt vom Hafen Puerto de La Estaca auf einer Art Hochfläche thront. Der Name sollte keinen Anlass zu Fehlinterpretationen geben: Das grüne Tal, nach dem Valverde benannt ist, existiert lediglich als Hochebene, in der im Sommer das Nutzvieh weidet. Wer also mit dem Fahrrad als Fortbewegungsmittel nach El Hierro reist, wird von den Einheimischen nicht selten bestaunt. Überhaupt ist die Ankunft von Touristen auf El Hierro auch heute noch keine Selbstverständlichkeit. Auch wenn von 1634 bis 1884 der offizielle Null-Meridian durch El Hierro lief – zum Mittelpunkt der Erde hat es die abgelegene lnsel im Atlantik nie gebracht. Die rostrote Vulkaninsel mit dem zartgrünen Pinienwaldgürtel schläft im Schatten ihrer bekannten Schwesterinseln bis jetzt einen touristischen Dornröschenschlaf.

Bikeverleih, Touren, Shuttles

Bike ’n’ Fun Station, Los Llanos de Aridane, www.bikenfun.de 

 

lnfo

MTB-Tourenveranstalter:

www.bergbiken.de, www.mtb-active.com

Traumhaft für Biker:

Die Westschleife von Frontera über Cruz de los Reyes auf ungeteerter Piste zur Wallfahrtskirche und Sabinarbäumen. Zurück über Leuchtturm, Verodalstrand und Sabinosa.

Eine kleine Nordschleife führt von der Inselhaupt- stadt Valverde zu den Aussichtspunkten Mirador de la Pen?a und Jinama hoch über dem Golf von Frontera

Die natürlichen Meeresschwimmbecken zwischen Charco Azul und Las Puntas.

Gastgeber

„Puntagrande“, Tel.: 0034-922-55 90 81,
kleinstes Hotel der Welt, Essen auf Vorbestellung „Hotelito lda lnes“, Tel.: 0034-922-55 94 45, neuerbautes kleines Hotel mit schöner Dachterrasse über dem Golfo von Frontera

Valverde:

Aus ugsrestaurant „Mirador de la Pen?a“,
von Cesar Manrique erbaut, hoch über der Steilküste, Tel.: 0034-922-550 3 00.

„Bar Central“, große Tapas-Auswahl.

Frontera:

„Bar Guanche“, Tel.: 0034-922-55 90 65, typisch kanarische Küche;
„Rest. Frontera“, Tel.: 0034-922-55 92 46
beide auch Appartements

Puerto Estaca:

Bei Paco in der „Bar Puerto“ gibt‘s frischen Fisch und guten Schinken.

Info allgemein:

Spanische Fremdenverkehrsamt, Myliusstr. 14, 60323 Frankfurt, Tel.: 069-72 50 84

Tipp!

Nicht alle Kanarischen Inseln eignen sich zum Radfahren gleichermaßen gut: Auf Lanzarote und Fuerteventura muss wegen der niedrigen Höhen dauerhaft mit starken Winden gerechnet werden. Auf Gran Canaria und Teneri a türmen sich die Berge im Inselinneren bis zu 2.000 bzw. 3.000 Meter auf und zwingen zu längeren Bergfahrten und auf Gomera führen alle ansteigenden Straßen immer über den feucht-warmen Regenwald im Zentrum der Insel.