Slowenien ist seit 2004 Mitglied der Europäischen Union und seit 2007 in der Währungsgemeinschaft. Was seither in den wenigen Jahren geschaffen wurde und vor allem wie, muss jeden Besucher begeistern. In Verbindung mit der landschaftlichen Schönheit und dem kulturellen Reichtum bietet das Land eine ungewohnte Erlebnisfülle.

Vergleiche ziehen fällt leicht, wenn man in schneller Folge durch verschiedene Länder und Kulturkreise reist. Und in Slowenien haben wir von der Mittelmeerküste bis zum Triglav-Nationalpark, von Maribor bis Piran schon viele Winkel des Landes gesehen. Aber das Steinergebirge oder Kamniško-Savinjske Alpe? Fehlanzeige! Marko Lenarcic muss lachen. „Es geht dir wie den meisten Wanderern und Urlaubern: Ihr fahrt in die Julischen Alpen, den Nationalpark und zum Kajakfahren auf die Söa. Das ist auch völlig in Ordnung, aber du wirst überrascht sein, was alles auf dich wartet“, sagt Marko. Er ist ein begeisterter Outdoor-Sportler und arbeitet seit Jahrzehnten leidenschaftlich für die nachhaltige touristische Entwicklung seiner Heimat. Wir sind verabredet in dem namenstiftenden Ort Kamnik, wo bereits eine Kostprobe von dem zu spüren ist, was noch zu einem Leitmotiv für die Region werden soll. Es gibt nahezu keine Bausünden in der Stadt, es wird und wurde viel renoviert, mit erstaunlichem Feingefühl, Geschmack und Qualitätsanspruch.

Ähnliches lässt sich auch vom kulinarischen Erlebnis im Gostilna Repnik sagen, ein wenige Kilometer entfernter Landgasthof. Das kulinarische Gedächtnis Sloweniens lag schon im Dornröschenschlaf. In Kamnik entschloss man sich zu einer Initiative, alte Rezepte, typische Gerichte samt der verwendeten Produkte in bester Qualität authentisch zu präsentieren. 18 Restaurants beteiligen sich daran, darunter eben auch das Repnik. Ein Hartkäse wird serviert, der mit Verlaub an zwei weibliche Brüste erinnert. Der Gastgeber erklärt, dass er ähnlich wie Parmesan zu gefüllten Teigtaschen in die Butter gerieben wird, aber eine tiefere Bedeutung hat. Die birnenförmige Kugel ist wie Almbutter verziert. Jeder Bauernhof hatte seine eigenen Käsestempel. Vor einigen Jahren gab es in der Umgebung von Kamnik nur noch eine alte Bäuerin, die den berühmten Trnic-Käse herstellen konnte. Eine junge Köchin interessierte sich dafür und gab ihr Wissen in Kursen weiter. Wollte ein junger Mann heiraten, überbrachte er seiner Auserwählten zwei Trnic-Käse. Der Brauch und die Delikatesse existieren nun weiter.

Der Weiterweg zum Hochplateau Velika Planina im Norden von Kamnik führt uns zu den kulinarischen Ursprüngen. Almwirtschaft, Siedlungsform und spezielle Hüttenbautechnik aus vergangenen Jahrhunderten sind hier originalgetreu bewahrt und werden, nicht zuletzt dank der Seilbahn, jährlich von vielen tausend Einheimischen und Urlaubern besucht. Heute zählt Velika Planina zu den beliebtesten Freizeitangeboten der gesamten Region. Für Gastronomie und Unterkunft ist hier oben bestens gesorgt. Mountainbiker müssen je nach Startpunkt etwa 800 Höhenmeter überwinden, bis sie die Aussicht in 1.600 Meter Höhe genießen können. Die besonders günstige Thermik macht das Hochplateau auch zu einem idealen Startplatz für Gleitschirmflieger. Das Plateau schläft nie. Im Winter freuen sich Groß und Klein über die Rodelbahnen, andere fahren Ski.

Wir übernachten in der Appartement-Siedlung der Therme Snovik, der höchst gelegenen Sloweniens. Die für Nachhaltigkeit ausgezeichnete Anlage ist wunderschön eingebettet in die alpine Umgebung, die dichten Wälder und Berghänge. Zahlreiche Wander- und Mtb-Möglichkeiten gibt es von der Haustür weg, immer mit der Möglichkeit, den zusätzlichen Gesundheitswert der Therme jederzeit zu nutzen. Die Thermalwasser in der Region sind weithin bekannt und ihre unterschiedliche Zusammensetzung, Konzentration und Temperatur für jede Art der Anwendung nur nach genauer Auskunft empfehlenswert. Eine Quelle ist so eisenhaltig, dass jeder Kontakt rostrote Spuren hinterlässt, eine andere so wirksam gegen Rheumatismus, dass scharenweise Einheimische mit Kanistern die frei zugängliche Quelle frequentieren. Gesundheit im Überfluss, buchstäblich!

Wir verlassen das schöne Tuhinj-Tal Richtung Norden und gelangen über abenteuerliche Nebenstraßen nach Sovinja Pec, Gorni Grad und schließlich Lüe, die Wiege des slowenischen Agritourismus. Bereits früh hat man den außergewöhnlichen Wert der Naturlandschaften erkannt, die sich nach Nordwesten über Robanov kot, Matkov kot und Solcava bis zum faszinierenden Logartal erstrecken. Man tut hier viel für die Regionalentwicklung und man macht es richtig gut. 1987 wurde das Logartal zum Landschaftspark erklärt mit sehr strengen Auflagen für jede Art von Eingriff in die Natur. 2005 erhielt die Region den Prestigepreis „Zukunft in den Alpen“ von der Alpenschutzkommission CIPRA. Aneta Siljar vom Informationszentrum in Lüe erklärt uns die Gliederung dieser Naturpark-Region und macht gleich auf kulinarische Spezialitäten wie die besonders schmackhaften Forellen, die in reinstem Gebirgswasser heranwachsen, oder das hochwertige Lammfleisch. Es ist hier alles echt und unverfälscht, weil eben keine großen Busgesellschaften die Täler bevölkern wie in anderen touristischen Brennpunkten, wo man nur mit Massenverpflegung die Nachfrage bewältigt. Wer auf der Solcava-Panoramastraße den Blick auf die grandiose Landschaft genießt und in einen Landgasthof eingekehrt, kann sicher sein, dass alles auf seinem Teller aus der Region stammt und frisch für ihn zubereitet wurde. Das ist woanders nicht selbstverständlich.

Wir kommen in Solcava an und staunen nicht schlecht über das moderne schöne Informationszentrum „Rinka“, wo uns Mateja Brlec durch das spannende Heimatmuseum führt, in dem die ursprüngliche Bauernkultur in Bildserien und Exponaten erklärt wird. Eine eigene geologische Abteilung zeigt erdgeschichtliche Entwicklungen und im Verkaufsraum finden sich schöne Handarbeiten aus den heimischen Hölzern und der Wolle des bereits erwähnten autochthonen Brillenschafs. Ausgesprochen ungewöhnlich ist die öffentlich zugängliche Schmetterlingssammlung eines privaten Sammlers, die jeder staatlichen Sammlung zur Ehre gereichen würde. Daneben die Kirche Maria Schnee reicht bis ins 14. Jahrhundert zurück und beherbergt eine kostbare Marienfigur mit dem Jesuskind im Arm.
Es klingt vielleicht befremdlich, aber hier wirkt alles unglaublich gepflegt, sauber, restauriert, sogar die Durchgangsstraße ist vom Feinsten. Mateja Brlec schmunzelt: „Ich verstehe was Sie meinen. Das ist auch für uns noch ein Problem. Andere Regionen sind fast ganzjährig gut besucht. Wir sind hingegen vor allem bei den Einheimischen bekannt und werden zu regionalen Großveranstaltungen an die Kapazitätsgrenzen gebracht. Inzwischen haben wir mit zahlreichen Themenwegen und markierten Wanderungen beste Möglichkeiten für Bergurlauber. Wir haben wunderbare Einkehrmöglichkeiten, sehr gute regionale Küche und einen unvergleichlichen Erholungswert.“ Dabei spricht Matej Brlec zunächst nur von der Umgebung der Panoramastraße.

Als sich das Szenario des Logartals öffnet, sind wir zunächst doch sprachlos. Wie ein alpines Hochtal mitsamt der Blumenwiesen, Bäche und Baumbestände aussehen kann, wenn man alles für seinen Erhalt tut, ist zutiefst bewegend. Mittendrin, kaschiert von einer Baumgruppe, das wunderschöne Hotel Plesnik. Seit Generationen wird es von der Familie Plesnik geführt, die noch andere Betriebe im Tal betreut und sich mit der besonderen Situation im streng geschützten Naturraum arrangiert hat. „Immer wieder werden wir in die Top Ten der schönsten Boutique-Tagungshotels gewählt. Wir verbinden Yoga, Wellness, Outdoor-Sport und Geschäftshotel auf harmonische Weise, aber alles was sie hier sehen, entstand unter genauen Auflagen der Naturschutzbehörden. Dass wir einen Außenpool in dieser Form mit zentraler Feuerstelle haben, ist ebenso außergewöhnlich wie das Glasfaser-Breitband-Internet, mit dem auch politische Begegnungen auf höchster Ebene übertragbar sind. Dass Küche und Weinkeller auf höchstem Niveau rangieren, muss kaum erwähnt werden.“

Wir wollen die Natur in diesem Tal auskosten und wandern zum Rinka-Wasserfall, wie das Logartal eine der wenigen auch international bekannten Sehenswürdigkeiten der Region. Von der Mautstelle des Tals – die Einnahmen dienen dem Naturschutz – bis zum Parkplatz am „Slap Rinka“ sind es sieben Kilometer. Eine wunderschöne Wanderung führt parallel zur Straße dorthin. Große Tafeln vermitteln eine Fülle an Informationen. Vom Parkplatz aus wandern wir auf steilen Serpentinen neben dem Bachbett empor, das jetzt im Herbst trocken gefallen ist und nur Blockwerk bietet. Das wenige Wasser des Rinkafalls tritt erst im Tal an die Oberfläche. Immer weiter geht es hinauf an Bäumen und Buschwerk vorbei, bis rechter Hand die große bewirtschaftete Aussichtskanzel Orlovo gnezdo auftaucht. Auf Stelzen in den Steilhang gebaut, ist es nicht nur für Wanderer ein herrliches Ausflugsziel mit grandiosem Rundblick auf das Logartal, auch Slackline-Spezialisten finden hier eine besondere Herausforderung. Eine etwa 60 Meter lange Highline überspannt das schmale Tal und ist an den Stützen der Hütten und einem Bodenanker gegenüber fixiert. An diesem Tag schafft keiner der Aspiranten den schwierigen Balanceakt und das Publikum wendet sich wieder dem Hauptdarsteller, der schönen Landschaft zu.

Wir verlassen die Grandezza des Logartals und des Hotels Plesnik, um auf der mühsamen Kurverei Richtung Jezersko völlig neue Eindrücke zu gewinnen. Immer dominanter rückt der Kalkstock des Grintovec ins Bild. Das über 2500 Meter hohe Massiv ist ein ernstes Bergsteiger-Revier, das auch die ganz großen slowenischen Alpinisten wie Marko Prezelj als anspruchsvolles Trainingsterrain schätzen. Erst fahren wir den Paulitschsattel hinauf, dann hinunter Richtung Vellach. Beim nächsten Anstieg zum Seebergsattel fallen Strohballen in den Haarnadelkurven auf. Kaum zu glauben, dass Longboard-Fahrer sich die steile Passstraße hinunterstürzen ohne jede Bremsvorrichtung. Nach dem Sattel laden in den Serpentinen immer wieder kleine Parknischen zu einem Kurzstopp ein, um den grandiosen Blick zum Grintovec zu genießen.

Wir besuchen Drejc Karniar auf dem Landgut Senk, eine Mischung aus Bauernhof, Apartmenthaus, Campingplatz, Scheunen, Stallungen und Gasthaus. Seine Familie hat sich ganz den Bergen verschrieben. Sein Bruder Davo ist vom Mount Everest mit Ski abgefahren, gemeinsam mit ihm fuhr Drejc vom Gipfel der Annapurna. Er ist staatlich geprüfter Berg- und Skiführer und gleichzeitig Chef der lokalen Bergrettung. „Leider müssen wir unser Gespräch verschieben, da eine Familie völlig unzureichend ausgerüstet am Klettersteig in Not geraten ist“, ruft Drejc und geht wieder zum Funkgerät. Die Sache verläuft glimpflich, aber immer wieder unterschätzen Wanderer die Berge rund um den Grintovec. Drejc zeigt uns den Hof und die vielen Schlafmöglichkeiten. Wer weder Wohnmobil noch Zelt auf der großen Wiese wählt, kann im Heu schlafen, im Lager oder ein Apartment im neu gebauten Gästehaus mieten. Wanderer haben hier jederzeit die besten Tourenberater zur Hand und sind auch am Grintovec in guten Händen, wo Karmen Karnicar die Ceska-Hütte führt. Die Familie hat mit viel Fleiß und Liebe zur Natur ein Outdoor-Paradies geschaffen, das irgendwie exemplarisch wirkt für alles, was wir in den Steiner Alpen gesehen haben: Das einfache, ursprüngliche und naturverbundene Leben steht hier im Einklang mit unserer modernen technisierten Welt. Das Wesentliche ergreift von uns Besitz und überrascht uns mit einer Intensität, die aus den Ballungsräumen längst verschwunden ist. Dem Naturparadies der Steiner Alpen ist zu wünschen, dass es sich diesen Charakter noch lange bewahrt.

 

Tipps

  • Wichtige Broschüre: Unter dem Motto „Taste of Kamnik“ servieren 18 Restaurants gute regionale Gerichte.
  • Wohnmobile und Camping sind im Logartal verboten, aber beim Hotel Plesnik ist eine schöne Rastanlage eingerichtet.

 

Steiner Alpen

Anreise: Gut erreichbar über Villach, Karawankentunnel (Maut!), Kamnik. Kleine Nebenstrecken sind oft nicht befestigt und schmal, die großen Durchgangsstraßen in Top-Zustand.

Infomaterial und Karten: Die slowenischen Touristinfos sind sehr gut ausgestattet. Es gibt hochwertiges und kostenfreies Karten- und Infomaterial ab 1:25.000.

 


 Infos:

www.kamnik-tourism.si
www.terme-snovik.si
www.velikaplanina.si
www.logarska-dolina.si
www.solcavsko.info
www.tic-luce.si
www.jezersko.info