Das glaubt ihm daheim keiner. Die Beine sind weg, verschwunden, einfach so. Nur der Oberkörper schaut noch aus dem Schneeteppich, während die Arme ähnlich einem Ruderer versuchen, sich aus dem grundlosen Weiß zu befreien. Der achtjährige Moritz kann es kaum fassen, wie dick die Schneedecke ist. Zu Hause ist er bereits glücklich, wenn die wenigen Schneeflocken ausreichen für den Bau eines kleinen Schneemanns – der spätestens nach ein paar Stunden schon wieder geschmolzen ist. Ganz anders schaut es im Viggartal in den Tuxer Alpen aus, gleich neben dem auf 1720 Metern Höhe gelegenen Meissner Haus. Hier findet man den sehnsüchtig erträumten Sto im Über uss. Kein grauer Matsch wie daheim, sondern locker, flockig, weiß – und über einen Meter dick.
Das ist das Paradies, zumindest kommt es Moritz und den anderen Kindern so vor. Endlich genug Material für eine Schneeballschlacht, eine Schneeburg oder gar eine Schneehöhle. Nur ein paar Meter entfernt steht bereits ein Riesenexemplar eines Iglus, in dem leicht alle Teilnehmer des Wochenprogramms »Winterbergferien für Familien« Platz finden. »Mitte der Woche werden wir im Iglu zu Abend essen«, kündigt Sven Deppe, der Hüttenwirt des Meissner Hauses, bei der Begrüßung der Gruppe und Vorstellung der Aktivitäten an – die Vorfreude ist den Kindern ins Gesicht geschrieben. »Am ersten Tag starten wir mit einer kurzen Schneeschuhtour. Aber keine Angst, es geht um den Genuss und das gemeinsame Erlebnis Schnee, nicht um den sportlichen Aspekt«, erzählt Sven weiter. Die Aktivitäten werden durch eine Wochengeschichte verknüpft, um die Kinder für die Ausflüge zu motivieren – wobei viele bereits mit dem weißen Winterwunderland direkt vor der Hütte mehr als zufrieden sind. Auch weil der Spaß im Schnee am ersten Tag fast etwas zu kurz kam. Nach dem unterhaltsamenen Aufstieg durch das märchenhaft verschneite Viggartal reichte es gerade noch für eine Schneeballschlacht zwischen Kindern und Eltern, ehe sich erste Ermüdungserscheinungen zeigten. Außerdem war der Nachwuchs neugierig auf die Alpenvereinshütte samt ihren Lagern, in denen gleich ausgiebig getollt wurde ...
Am nächsten Tag früh morgens gibt es für die Kids kein Halten mehr. »Augen auf, rein in die dicken Stiefel und warmen Klamotten und raus in den Schnee« lautet das Motto. Doch statt den ausgetretenen Weg hinüber zum Iglu zu nehmen, wählt Moritz eine Abkürzung – und verschwindet unter dem Gelächter der anderen im tiefen Weiß. Kurz darauf stecken alle Kinder im Schnee, nur die Oberkörper mit den bunten Anoraks schauen wie Bojen im weißen Meer noch heraus. Nach der obligatorischen Schneeballschlacht treibt der Hunger die Jugend in die Hütte. Das Frühstück fällt kurz aus, denn draußen bereitet Sven bereits die Schneeschuhe für die Wanderung zur Viggaralm vor. Auf dem Programm steht eine kurze Tour durch eine weiße Winterwunderwelt mit märchenhaft verschneiten uralten Zirben, an deren Ästen malerisch mit Raureif verzierte Flechten hängen, und Baumstümpfen, die dicke Hüte aus Schnee tragen.
Beim Schneeschuhwandern erlebt man die Natur so, wie sie sonst nur Skitourengeher zu Gesicht bekommen. Mit einem großen Unterschied: Bei Tourengehern ist der Gipfel, bei Schneeschuhwanderern der Weg das Ziel. Der Endpunkt ist eigentlich egal, es geht um das Bewegen und um das Erlebnis auf der Tour. Und um den Spaß, der spätestens beim Abstieg kommt. Die Beine in leichter O-Stellung werden die unberührten Tiefschneehänge unter die »Teller« genommen, dass es nur so staubt. So mancher landet dabei vor lauter Übermut kopfüber im eiskalten Schnee, um als Schneemann wieder aufzutauchen. »Die Kinder stellen sich in der Regel fast ge- schickter als die Erwachsenen an«, erzählt Sven schmunzelnd, »auch wenn sie sich immer wieder gegenseitig auf die Schneeschuhe treten«. Erschöpft, aber glücklich versammeln sich im Anschluss alle in der gemütlichen Hüttenstube, die sich bei gefühlt 30 Grad im Umfeld des auf Hochtouren heizenden Kachelofens aus Meissner Porzellan und Außentemperaturen von minus zehn Grad wie eine Dampfsauna anfühlt – was auch an den feuchten Handschuhen, Jacken und Schuhen liegt, die überall zum Trocknen aufgehängt sind. Die von den vielen Schneebällen kalten Hände der Kids umklammern dankbar die Tassen mit der heißen Schokolade, während die roten Backen glühen und die Augen vor Freude strahlen.
»Ein Schneehase!« »Oder ein Reh?« Vielleicht war es aber auch Hüttenhund Feni, der seine Spuren durch den Neuschnee gezogen hat. Schon flitzen die Kinder durch die 40 Zentimeter Neuschnee und überlegen, welche geheimnisvollen Tiere schon so früh am morgen ihre Spuren hinterlassen haben. Wie Wattebäuschchen schweben letzte große Flocken herab, die jedes Geräusch aufsaugen, so still ist es im Viggartal. Zumindest bis der erste Baum sich seiner dicken Ladung Schnee entledigt, die genau in den Nacken von Moritz fällt und für lautes Geschrei sorgt. Bald starten die Kinder in den sehnsüchtig erwarteten Rodeltag. Der Nachwuchs kann es kaum erwarten, die Abfahrt entlang des Hüttenzustiegs unter die Kufen zu nehmen. Und das ist nur der Auftakt, denn im Anschluss folgt eine fast vier Kilometer lange Rodelbahn.
Die Tage auf dem Meissner Haus vergehen wie im Fluge. Neben Schneeschuhtouren gibt es eine Sonnenuntergangswanderung nach Boscheben mit Blick auf die Lichter von Innsbruck. Eine Biologin kommt zu Besuch und löst das Rätsel der nächtlichen Besucher. Der Bau eines eigenen Iglus steht auch auf dem Programm. Eine Gemeinschaftsaufgabe, bei der alle anpacken müssen. Auch die Kinder, bei denen die Motivation allerdings schnell nachlässt. Stattdessen wenden sie sich lieber neuen Projekten zu wie dem Bau einer rasanten Bobbahn, die zu einem echten Härtetest für jeden Schneeanzug wird. Letztlich ist das absolut lawinensichere Umfeld des Meissner Hauses nichts anderes als ein riesiger Sandkasten aus Schnee. Hier werden Erwachsene zu Kindern, und die Kleinsten vergessen vor lauter Spaß die Kälte. Lediglich unter Protest kommen sie zum Aufwärmen in die Hütte, nur um wenige Minuten später schon wieder draußen im Schnee zu tollen.
WINTERBERGFERIEN
Für max. 8 Erwachsene und 8 Kinder ab 7 Jahren.
Tag 1: Gemeinsamer Aufstieg
Tag 2: Erlebnis Schneeschuh, vormittags: Rundwanderung zum Hochleger, nachmittags: Aufstieg Boscheben – Sonnenuntergang und das Lichtermeer Innsbrucks betrachten
Tag 3: Rodelaus ug: Kloster Maria Waldrast, Rücktransport zum Meissner Haus mit SkiDoo. Tag 4: Halbtagesprogramm Naturpädagogik: Lagerfeuer im Winter oder Fackelwanderung
Tag 5: Schneeschuhexkursion‚ Tierspuren im Schnee zu den drei versteinerten Männchen
Tag 6: Abreise nach abschließendem Abrodeln
5 ÜN im Lager, 4 x VP und 1 x HP, Gepäcktransport, Verleih Ausrüstung Schneeschuhe und Rodel. Naturpädagogische Führung.
MEHR INFOS:
Meissner Haus, Sven Deppe/ Silke Rymkuß, Viggar 141/1, A-6083 Ellbögen, Tel. +43(0)5 12/37 76 97; info@meissner-haus.at; www.meissner-haus.at