Ein riesiges Spielfeld, es ist frisch verschneit – ein großartiger Sportplatz. Die Reflektionen der tief stehenden Sonne geben der Kulisse einen ganz besonderen Glanz. Mittendurch ist eine Loipe gezogen. Gerade sind es minus fünf Grad. Kalt? Nein. Wetten, dass du die Kälte dieses Wintertags nicht spürst? Wie beseelt wirst du durch diese Spur im Schnee gleiten. Und dieser dynamische, emsige, muskuläre Einsatz wird deinen Körper aufheizen, und die Kleidung wird die Wärme speichern. Leise knirscht der Schnee unter den Bret- tern. Dies ist der einzige Laut, der zu hören ist. Ach so, natürlich auch noch dein eigener Atem. Jedesmal beim Ausatmen bläst du kleine Wölkchen in den blauen Himmel. Momente, die dir ganz allein gehören. Du spürst die Natur – deine Natur. Du fühlst die Kraft der Muskeln und Sehnen. Wenn es gut läuft, läuft es ganz von selbst. Oder du kannst planen – den nächsten Schritt im Schnee, vielleicht sogar den nächsten Step im Leben. Langlaufen ist wie ein leeres Blatt Papier, das man vor sich liegen hat, um es zu beschreiben. Der Schnee ist weiß, die Luft ist klar. Da ist viel Platz für neue Ideen, für Pläne, auch für Lösungen.
Skilanglauf ist aber auch der Kampf gegen sich selbst, gegen seine eigenen Schwächen, die Beschränkungen, die Ängste. Wie oft habe ich mich im Wettkampf oder im Training auf halber Strecke gefragt: Wozu machst du eigentlich den ganzen Blödsinn? Warum sitzt du nicht in einem warmen Büro? Doch dann gelang es irgendwie und jedes Mal, diese Gedanken zusammen mit den Skiern in den Schnee zu drücken. Und irgendwann geht alles irgendwie wieder wie von selbst.
Ein angenehmer Bewegungsrhythmus.
Probleme, Schmerzen, Zweifel – sie lösen sich auf im regelma?ßigen Rhythmus der Bewegung. Wenn wir einfach weiterlaufen, produziert der Körper mitunter diese wun- derbaren, körpereigenen Drogen, die nicht krank, sondern stolz und glücklich machen: Endorphine.
Oh ja, Skilanglauf wirkt unmittelbar auf die Seele: Natürliche Freude, Stolz, Selbstbesta?- tigung, innere Harmonie stellen sich ein. Nennen wir es einfach die Überwindung des inneren Schweinehundes – jeder wird dieses »Ich-kann-es-ja-noch«-Gefühl erleben. Plötzlich geht es auch nach fünf Kilometern noch weiter, und du schaffst 15 Kilometer, überwindest Tiefpunkte, mutest dir Anstiege und Abfahrten zu, schaffst sie, triumphierst. Oh ja, dadurch wächst auch das Vertrauen in den eigenen Körper. In einer Zeit, die immer schnelllebiger und bewegungsärmer wird, kann Skilanglauf zu einer elementaren Erfahrung werden. Wertvolle Glücksmomente – bis hin zu einem sanften »Rausch«.
Spiel mit der Gefahr braucht, mag Skilanglauf nicht attraktiv sein. Manche tun diesen Sport ja immer noch als langweilig ab. Das sind aber sicherlich Leute, die noch nie Lat- ten unter den Fu?ßen hatten. So viel steht fest: Skilanglauf ist alles andere als langweilig, es ist Spaß pur. Sportärzte schätzen am Skilanglauf besonders auch das geringe Verletzungsrisiko. Ambitionierte können die Tempobelastung nicht so überziehen wie beim Joggen. Selbst Überehrgeizige können sich beim gema?ßigten Ausdauertraining kaum überfordern, weil die Bretter zu heftige und zu spritzige Bewegungen nicht zulassen. Außerdem gibt es beim Langlauf keine so extremen Herz-Kreislauf- Belastungsspitzen wie beim alpinen Skilauf, wo bei steilen Abfahrten der Puls schon mal auf über 200 Schläge pro Minute hoch- schnellen kann. Wer seinen Körper jedoch mit Verstand und unter fachmännischer Anleitung systematisch und dauerhaft belastet, stärkt Herz und Kreislauf, beugt bekanntlich Bluthochdruck, Infarkt und Diabetes mellitus vor.
In der Ebene und auf dezenten Abfahrten hat man sich und sein Gerät fast immer gut unter Kontrolle. Und wenn es mal zum Sturz kommt, lassen sich die Folgen meist unproblematisch von Jacke und Mütze abklopfen. Bänderrisse, Zerrungen oder Ermüdungsbrüche sind fast nur bei völlig Untrainierten zu beklagen, die sich vermutlich auch verletzen würden, wenn sie eine Kiste Bier die Treppen hochtragen. Beim Skilanglauf sind 90 Prozent der Muskulatur in Aktion – so viel wie bei keinem anderen Sport (außer Nordic Walking). Die Beine werden ständig beansprucht, die Arme und der Rumpf durch zusätzlichen Stockeinsatz weit mehr als beim Laufen. Die Koordination wird gefördert. Hinzu kommt: Durch das Gleiten in der Loipe wirkt Skilanglauf sanfter, die Stauchbelastung entfällt, Sie können länger unterwegs sein.
Naturerlebnis für Jung und Alt. Außerdem bewegen sich Skilangläufer in frischer, kühler und weitgehend abgasfreier Luft. Die Bewegungsabläufe trainieren alle Muskeln gleichma?ßig und sorgen für einen raschen Muskelaufbau. Die Belastungen lassen sich individuell anpassen – für jedes Alter, für jeden Trainingszustand und je nach Motivation. Junge ambitionierte Skilangläufer haben die Möglichkeit, intensiv und systematisch auf eine Leistungssteigerung hinzuarbeiten, für Freizeitsportler reicht es vielleicht schon, sich in der Natur fit zu halten. Der Skilanglauf ist als Ausgleichssport auch deshalb ideal, weil allein schon die Struktur der Landschaft ein natürliches Intervall- training zur Folge hat. Das Geländeprofil gibt den Belastungsrhythmus spielerisch vor. Es gibt ja fast nirgendwo nur flache Strecken – hier geht es bergauf, da bergab. Man kommt also auf ganz natürliche Weise mal außer Atem, mal entspannt man sich, und dann strengt man sich wieder an. Dieser stete Wechsel belastet den Körper optimal. Skilanglauf deckt das ganze Spektrum ab: Er ist Ausdauersport und gleichzeitig – durch das Bewältigen von Anstiegen und den Wechsel von Abdruck- und Gleitphasen – auch Kraftausdauersport. Skilanglauf unterstützt die Entwicklung eines gleichma?ßigen Muskelaufbaus – anders als beispielsweise Eisschnelllaufen oder Radfahren, wo nur einzelne Muskelgruppen trainiert werden. Und der dynamische Bewegungsablauf strafft den ganzen Körper. Alle wichtigen Muskeln der Beine, am Bauch, am Po, am Rücken und an den Armen werden beansprucht. Außerdem werden reichlich Kalorien verbrannt; das hilft, den Körper zu entfetten, und bringt den Cholesterinhaushalt wieder ins Gleichgewicht.
»Der Sport aller Sportarten ...«. »Wenn irgendeiner den Namen des Sports aller Sportarten verdient, so ist es das Schneeschuhlaufen. Nichts stählt die Muskeln so sehr, nichts macht den Körper elastischer und geschmeidiger, nichts verleiht eine gro?ßere Umsicht und Gewandtheit, nichts stärkt den Willen mehr, nichts macht den Sinn so frisch wie das Schneeschuhlaufen!« Diese enthusiastischen Sätze hat Dr. Fritjof Nansen vor 123 Jahren formuliert. Mit seinem Buch »Auf Schneeschuhen durch Grönland« (1891) entfachte der norwegische Forscher allerorts Begeisterung fürs Schneeschuhlaufen. Noch im selben Jahr wurde in Deutschland der erste Verein gegründet: der »Skiclub Todtnau« im Schwarzwald.Die Latten, die sich Nansen und Gleichgesinnte damals unter die Fu?ße schnallten, werden heute als ziemliche Ungetümer bestaunt. Aber seine schwärmerischen Emp- findungen haben sich bis heute kaum verändert. »Kann man sich etwas Frischeres, Belebenderes denken, als schnell wie der Vogel über bewaldete Abhänge dahinzugleiten, während Winterluft und die Tan- nenzweige unsere Wangen streifen? Ist es nicht, als wenn das ganze Zivilisationsleben auf einmal aus unseren Gedanken verwischt würde und mit der Stadtluft weit hinter uns bliebe? «Und heute? Die Glücksgefühle, die sich beim Skilanglaufen einstellen, sind altbekannt und – doch immer neu. Zwei Spuren im Schnee, die glitzern, und sonst nichts als die Stille in der weißen Weite. Majestätische Hänge lassen wir links liegen und Waldstücke hinter uns. Vorbei an vereisten Gebirgsbächen und gezuckerten Zäunen. Hie und da kreuzt eine Tierspur und verliert sich im Unterholz. Wir sind der Natur auf der Spur, unserer Natur. Schritt für Schritt entglei- ten Stress und Hektik. Wir laufen unseren Rhythmus. Nicht ganz gemächlich, aber auch nicht ganz so schnell – so schnell, wie es eben geht. Unterwegs träumen wir vielleicht schon von der Sauna, später im Hotel. Und vielleicht von einer heißen Suppe und einem kühlen Bier. Wir sind eben Genussläufer. Nicht mehr und nicht weniger.
Skilanglaufen ist in den letzten Jahren zu einem Boomsport geworden, der immer neue Anhänger findet. Fritjof Nansens Buch »Auf Schneeschuhen durch Grönland« (1891) löste eine erste Welle der Begeisterung für die neue Bewegung aus.