OudoorWelten: Sie sind einst mit weniger als nichts aus der DDR geflohen, mit buchstäblich auf der Flucht angeschossener Gesundheit. Wie kämpft man sich da zu einem angesehenen Naturfilmer durch?

Andreas Kieling: Schrittweise. Die Begeisterung war mir wohl in die Wiege gelegt, und das Interesse an Natur und Tieren hat nie nachgelassen. In meiner Heimatstadt Gotha hatten wir ein großes Naturkundemuseum, wo ich so ziemlich jede freie Minute verbracht habe. Der nächste Schritt war das Interesse, viele Bücher zu lesen, Fragen zu stellen, sich profunde Kenntnisse anzueignen. Dann kam irgendwann die Erkenntnis, dass ein gewisses fotografisches Talent bei mir da ist, die Fähigkeit, ein gutes Bild zu erkennen, selbst gezielt eines herstellen zu können, was ja nicht dasselbe ist. Also habe ich mich entschieden, das Handwerk zu lernen. Das war damals ein großer Schritt. Professionelles Equipment kostete mit allem Zubehör gut 100000 Mark. Doch mit Ausrüstung, Leidenschaft und Talent allein kommt man auch nicht weiter. Für die nächsten Schritte brauchte es Geduld, Leidensfähigkeit, Disziplin und harte Arbeit.

OudoorWelten: Wegen der vielen Widrigkeiten und Hindernisse hinter den Kulissen?

Andreas Kieling: Na ja, das sowieso, das bleibt ja keinem Tierfilmer erspart. Nein, ich meine damit die Qualitätssprünge, die Steigerung, das, was dich von anderen abhebt: Wie komme ich von einer Note Zwei zu einer Eins mit Stern?

OudoorWelten: Wie war das bei Ihnen?

Andreas Kieling: Am Anfang waren meine Aufnahmen zu statisch gedreht, zu schwärmerisch. Dann folgt die Auseinandersetzung mit Kritik, Selbstkritik – und irgendwann entwickelte sich im Kopfkino der eigene Anspruch. Ich stellte und stelle mir Fragen, die ich noch nie im Bild beantwortet gesehen habe, ich suche nach Motiven, die schwer zu kriegen sind, und habe eine genaue Vorstellung, wie ein perfektes Endresultat aussehen soll. Die Realität ist dann meist anders: Das Wetter ist schlecht, die Tiere kommen nicht, sie tun nicht das, was sie tun sollen, das Licht ist langweilig.

OudoorWelten: Wie kommt es dann zu diesen Bildern?

Andreas Kieling: Wie gesagt: Geduld, Leidensfähigkeit, Entbehrung – das kann zäh sein. Oft muss ich länger aushalten und verbissener dranbleiben als andere. Früher war die Konkurrenz nicht so groß und das Equipment unver- gleichlich teurer. Die Ansprüche der Auftraggeber waren weniger hoch. Außerdem gab es mehr Zeit für einen Film. Heute ist das Equipment erschwinglicher, die Bilder werden inflationär, und die Technik entwickelt sich rasant weiter. Aber technische Effekthascherei interessiert mich weniger.

OudoorWelten: Was dann?

Andreas Kieling: Ich suche ungewöhnliche Gebiete und Tiere, mit denen ich neue attraktive Aufnahmen realisieren kann, Motive, für die man wirklich hart arbeiten muss, um sie überhaupt zu bekommen. Für wirklich packenden Tierbilder muss ich sehr viel Zeit und Geld in- vestieren.

OudoorWelten: Können Sie ein Beispiel nennen?

Andreas Kieling: Ich hatte davon gehört, dass die Küstenbären Alaskas bei Niedrigwasser ans Ufer kommen und Muscheln auspuhlen. Es gab zwar diese Information, aber niemand hatte das je zuvor gefilmt. Ich habe das beim ZDF und den Leuten von National Geographic erzählt. Die waren begeistert. »Toll, wenn du das filmst, ist das eine Sensation!« Ich musste beim ersten Versuch entnervt aufgeben. Im darauffolgenden Jahr ist es mir gelungen. Das waren die ersten Bilder von den riesigen Küstenbraunbären beim Muschelsammeln überhaupt. Das sind im Film ein paar Minuten – für mich waren es zwei Anläufe mit wochenlanger Vorbereitung. Ähnliches passierte mir jetzt gerade beim Versuch, vor der Westküste Australiens den Walhai zu filmen. Perfekte Vorbereitung: beste Crew, bestes Equipment, Hightechortung und genaues Timing – doch nichts klappte. Die Bilder verwackelt, das Wasser zu trübe – schrecklich! Ich blieb dann gegen jede Vernunft länger, weil ich fest daran glaubte, dass der magische Moment noch käme. Das kostet Zeit, Nerven und vor allem Geld. Aber nach drei Tagen kam dieser Moment ...

OudoorWelten: Sie kommen sehr viel in der Welt herum. Wo geht es den Tieren besonders gut, wo schlecht? Und wie steht Deutschland nach Ihrer Erfahrung im internationalen Vergleich da?

Andreas Kieling: Puh! Das lässt sich nicht einfach mit einem Satz beantworten. Natürlich handeln meine Filme für TerraX, »Ex- peditionen zu den Letzten ihrer Art« davon. An vielen Orten bin ich aber das erste Mal und habe keinen Vergleich. Ich war nach etlichen Jahren wieder in der Namibwüste und positiv überrascht, wie wenig sich dort verändert hat. Oder ich war nach sieben Jahren erstmals wieder in Alaska und ebenso angetan. Natürlich könnte alles besser sein, aber immerhin hat sich die Situation nicht dramatisch verschlechtert. Anders sieht es in Asien aus – entsetzlich, wie dort der Mensch den Lebensraum der Tiere beund zerschneidet. Aber auch wieder verständlich, wenn man die wirtschaftliche Situation der Menschen dort in Betracht zieht. Die haben andere Sorgen als den Tier- und Umweltschutz. Deutschland ist in dieser Hinsicht vorbildlich, nicht zuletzt wegen des großen ehrenamtlichen Engagements. Wir sind hier auf einem wirklich guten Weg.