Wenn ich auf der Landkarte eine Ansammlung von unzähligen blauen Farbflecken dicht nebeneinander sehe, ist meine Neugierde geweckt: Wieso samelt sich ausgerechnet dort so viel Wasser an? Ist es von der Natur oder von Menschenhand gemacht? Wie sieht die Landschaft rundherum aus? Dann will ich mir das Ganze in natura ansehen.
Reportage von Svenja Walter
Die Plothener Teiche im Naturpark Thüringer Schiefergebirge/Obere Saale sind so eine Ansammlung von großen und kleinen Teichen, manche nur durch einen schmalen Landweg voneinander getrennt. Ursprünglich waren es tatsächlich einmal über 1.600 Teiche in einem Umkreis von nur fünf Kilometern! Heute sind es immer noch ca. 600, bestätigt mir André Rüdiger, der inmitten dieser Teichlandschaft den Campingplatz des Campingvereins Himmelsteiche e. V. betreibt.
Ich treffe am frühen Abend ein, an der Rezeption herrscht noch reger Betrieb und André ist als Platzwart ein gefragter Mann. Nur einige Minuten später jedoch fährt er mit seinem Fahrrad voraus, ich mit dem Camper hinterher und hinein in eine Waldidylle zwischen den Teichen. Von der großen Campingwiese sind es nur 200 Meter bis zu einer kleinen Badestelle am Hausteich, dem mit 32 Hektar größten der Plothener Teiche.
Das Vogelparadies an den Himmelsteichen
Nach einem abendlichen Bad im Teich bin ich gerade auf dem Weg vom Duschhäuschen zum Camper, als mir André eines der Stand-Up-Paddleboards anbietet, die er an der Rezeption verleiht. Die Vorstellung im blauen Licht der Abenddämmerung noch einmal auf den See rauspaddeln zu können, ist zu verlockend und so klemme ich mir wenige Minuten später das Board unter den Arm und gehe die Zufahrtstraße zum Ufer des Fürstenteichs hinab.
Barfuß trete ich in das nasse Gemisch aus Wasser, Schlamm und Schilfgräsern, setze das Board aufs Wasser, dort wo die Finne frei schwimmen kann, und paddle vorsichtig im Sitzen hinaus. André, der schon auf dem Wasser ist, sitzt ebenfalls rittlings auf seinem Board und wir machen uns heute keine Mühe mehr, im Stehen weiter zu paddeln. Zu schön und einträchtig ist die Ruhe auf dem Wasser. Wäre da nicht das dicht bewachsene grüne Ufer, würde nichts die glatte Wasseroberfläche vom dunkelblauen Abendhimmel trennen. Die Teiche scheinen dem Himmel ganz nah zu sein. Neben uns am Ufer raschelt etwas im Gebüsch. Das ist der Fuchs, weiß André. Schon auf dem Campingplatz habe ich zwei Eichhörnchen um einen Baumstamm jagen sehen, jetzt ein Fuchs. Dann springt hinter mir ein Karpfen aus dem Wasser und wenig später ertönt plötzlich der Ruf von Kranichen. In welchem Naturparadies bin ich hier gelandet?
Die Plothener Teiche liegen am östlichen Rand des Naturparks, sind aber auch als eigenständiges Naturschutzgebiet ausgewiesen. Sie sind ein beliebter Rastplatz bei weitgereisten Vögeln, aber mittlerweile bleiben und brüten manche Kraniche sogar hier, anstatt in die angestammten Brutplätze weiter nördlich zu ziehen, berichtet André. Am anderen Ufer können wir eine kleine Gruppe der beeindruckend großen Vögel im Landeanflug erkennen.
Die ersten Teiche zwischen den Orten Plothen, Debra und Knau wurden ursprünglich im 11. und 12. Jh. von Mönchen zur Fischzucht angelegt. Besonders an den Fastentagen war die Nachfrage nach Fisch groß. Über Abflüsse und Gräben sind viele der Teiche auch heute noch untereinander verbunden und voller Karpfen. Wie bei einer Badewanne kann so das Wasser alle zwei Jahre im Herbst abgelassen werden. Die Plothener Teiche werden allerdings nicht durch Quellwasser gespeist, sondern fast ausschließlich durch Regenwasser, weshalb sie den Beinamen Himmelsteiche tragen.
Im Laufe der Zeit wurden viele kleine Teiche zu größeren Teichen zusammengelegt. Die Kulturlandschaft der Teiche ist ein Hotspot der Artenvielfalt und hält für Naturliebhabende viele Entdeckungen bereit. Zahlreiche Tierarten finden hier Nahrung und ein Zuhause, vor allem Vögel wie Haubentaucher oder Kiebitze – dessen Bestand in Deutschland in den letzten 30 Jahren drastisch zurückgegangen ist –, Blässhühner, die langschnäbligen Bekassinen und sogar Milane und Fischadler. Ein Highlight ist der Starenflug im Herbst, wenn Tausende Stare auf ihrem Weg in den Süden einen Zwischenstopp an den Teichen einlegen und in der Abenddämmerung ihre Schlafplätze in den Schilfhalmen und Uferbäumen suchen.
Wir hören ein leises Donnergrollen in der Ferne und als wir die ersten Blitze am Himmel sehen, verlassen wir das Wasser und ich erreiche gerade noch rechtzeitig den Camper, bevor ein Platzregen einsetzt. So viel Natur um mich herum zu erleben und zu spüren, macht mich einfach nur glücklich. Ich lege mich auf mein Bett im Campervan, höre dem Regen und Donner noch eine Weile zu, bevor ich in den Schlaf eintauche.
Spaziergang im Morgennebel
Am nächsten Morgen dampft der Wald im Sonnenlicht. Ich schnappe mir meine Kamera und mache mich auf den gut acht Kilometer langen 1.000-Teiche-Rundweg, der direkt am Campingplatz vorbeiführt. Ich gehe zwischen den Holzhäuschen und Vorgärten der Langzeitcamper:innen auf der einen und dem Teichufer auf der anderen Seite entlang. Es ist früh am Morgen, die meisten schlafen noch. Birken, Eichen und Kiefern säumen den Weg, vereinzelt liegt ein Kanu oder Boot im nassen Gras und Nebelschwaden ziehen vom Ufer auf das Wasser hinaus. Eine bezaubernde Szene!
Nach einer halben Teichumrundung und einem kurzen Stück Feldweg spaziere ich zwischen zwei Teichen über eine Eichenallee auf das im Wasser stehende Pfahlhaus zu. Seit ca. 300 Jahren steht es hier, war mal Jagdhütte, mal Ausflugslokal, mal Geräteund Futtermittellager. Heute ist es ein Museum für Fischerei- und Teichwirtschaft. Wer es zu welchem ursprünglichen Zweck erbaut hat, darüber gibt es nur Vermutungen. Das Museum ist von April bis Oktober an Sonn- und Feiertagen von 13-17 Uhr geöffnet oder im Rahmen einer Führung nach Voranmeldung in der Touristinformation Plothen.
Ich folge der Allee und gelange zum nächsten Teich und noch bevor ich sie sehen kann, höre ich die springenden Karpfen. Immer wieder schießt irgendwo ein dicker Fisch senkrecht in die Höhe, wackelt kurz in der Luft und landet mit einem Platschen wieder im Wasser. Das geht so schnell, dass ich anfange, wie gebannt die Wasseroberfläche mit den Augen abzuscannen und auf den nächsten Karpfen zu warten. Ich liege auf der Lauer, um Fische springen zu sehen und kann mich einige Minuten nicht losreißen. Als ich den Rundweg dann schließlich fortsetze, bewundere ich die dicht bewachsenen Ufer, ein Fischreiher steht im hohen Schilf und abgesehen von lilafarbenen Blüten ist alles grün, soweit ich sehen kann. Ich habe nur einen Bruchteil der Teiche gesehen und dennoch den Eindruck gewonnen, dass im Land der 1.000 Teiche jede:r einen Lieblingsplatz findet.
Wasserlösliche Gesteine im Naturpark Kyffhäuser/Südharz
Karstlandschaften bestehen aus Gesteinen wie Kalkstein, Dolomit und im Naturpark Kyffhäuser/Südharz vor allem Gips, die sich allmählich in Wasser auflösen und deshalb immer wieder neue und vielfältige Landschaftsformen hervorbringen. Dazu gehören Karsthöhlen, Erdfälle oder Karstquellen. Die Entwässerung dieser Regionen läuft überwiegend unterirdisch ab, aber an der Salzaquelle bei Nordhausen, Thüringens größter Karstquelle, tritt das Wasser aus mehreren Quelltöpfen an die Oberfläche – ein sehenswertes Naturphänomen, das mit seinem klaren Wasser und den leuchtend grünen Unterwasserpflanzen wie eine Welt für sich erscheint. Der 235 km lange zertifizierte und länderübergreifende Karstwandweg führt direkt an der Salzaquelle vorbei.
Tipp: Qualitätsweg Hünenteich Nationalpark Hainich
Der Hünenteich, eigentlich ein Erdfall, in dem sich Wasser angestaut hat, ist eines der wenigen stehenden Gewässer im Nationalpark Hainich. Ein 5,5 km langer Spazierwanderweg führt von einer alten Streuobstwiese durch einen Wald, in dem Menschen nichts mehr zu sagen haben. Im Nationalpark darf die Natur sich so entwickeln, wie es ihr passt. Der darin verborgene Hünenteich ist ein Naturjuwel und Idylle pur.
⇒ Thüringer WasserWelten Teil 3: Paddelabenteuer auf der Werra
⇒ Thüringer WasserWelten Teil 4: SUP-Yoga und Windsurfen auf dem Thüringer Meer
⇒ Thüringer WasserWelten Teil 1: Auf blauen Spuren in Erfurt