Es gibt viele Gründe, Schottland als Bikepacking-Reiseziel zu wählen. Allen voran macht es der „Scottish Outdoor Access Code“, ähnlich dem „Allemannsretten“ in Skandinavien, möglich, fast überall zu radeln und für bis zu drei Nächte zu zelten.
Markus Stitz lebt und radelt als fast-Schotte seit 16 Jahren in Schottland. Seit 2017 betreibt er Bikepacking Scotland und arbeitet mittlerweile am fünften Buch über das Graveln und Bikepacking in seiner Wahlheimat. In diesem Beitrag teilt er Tipps für ein unvergessliches Radabenteuer und gibt einen Überblick über verschiedenen Radrouten in Schottland.
Radreisen in anderen Ländern, insbesondere auf einer Insel, erfordern immer ein gewisse Planung und Logistik. Wie bekommt man zum Beispiel sein Rad am besten auf die Insel? Um ein paar Bedenken direkt aus dem Weg zu räumen: Für E-Bikes ist die Mitnahme auf der Fähre unkompliziert und für Räder ohne Motor ist auch die Mitnahme im Flugzeug ohne Probleme möglich. Die Radmitnahme in Schottland selbst ist im Zug und Bus dann kostenlos. Wer sich ganz bequem lieber vor Ort ein passendes Rad ausleihen möchte, findet in den größeren Städten, Nationalparks und Mountainbike-Zentren eine gute Auswahl.
→ 5 ausgewählte Radtouren von Markus Stitz findet ihr in: 5 Traumrouten für Bikepacking in Schottland
Entgegen der landläufigen Annahme ist das Klima in Schottland übrigens sehr radfreundlich, ohne extreme Hitze oder Kälte und für Regen gibt es bekanntlich passende Kleidung. Ein ausgedehntes Netz historischer Routen und anderer toller Trails, die atemberaubende Landschaft, das einzigartige Bothy-Netzwerk, eine vielfältige Ess- und Trinkkultur und die Nordlichter runden das Traumziel Schottland ab. Aber der beste Grund für Bikepacking in Schottland sind die netten Menschen. Egal, ob in den Straßen von Edinburgh oder Glasgow oder in einem abgelegenen Highland-Dorf, ein Lächeln und ein herzlicher Empfang durch die Einheimischen ist garantiert.
Inhalt
• Verschiedene Routen-Typen in Schottland
• Scottish Outdoor Access Code
• Unterkünfte
• Zottelige und stechende Biester
• Essen & Trinken
• Toiletten
• Wetter
• Bikepacking mit anderen & Rad-Events
• Literatur
Verschiedene Routen-Typen in Schottland

In Schottland kann man zum Beispiel auf den über 2.600 Kilometern des „National Cycle Network" (NCN) radeln, von denen zirka die Hälfte verkehrsfreie Radwege sind. Diese nutzen einen Mix aus stillgelegten Bahntrassen, Kanalpfaden, Waldwegen und Radwegen und sind durch blaue Schilder gekennzeichnet. In den letzten zehn Jahren hat Sustrans Themenrouten wie den „Caledonia Way“ (von Campbeltown nach Inverness), den „Lochs and Glens Way“ (von Glasgow nach Inverness) und den „Far North Way“ (Inverness nach John o’Groats) geschaffen, die jeweils über ihre eigene Auszeichnung verfügen. In Zusammenarbeit mit VisitScotland ist diese Liste und Übersichtskare mit Fahrradtouren in Schottland entstanden.
Historische Routen: Das Heritage Paths Projekt
Schottland verfügt über ein einzigartiges Netz historischer Wege aus vergangenen Zeiten. Die interaktive „Heritage Paths Map“ von ScotWays bietet Informationen zum Zustand der Wege und ob sie sich besser zum Wandern oder Radeln eignen, aber auch Hintergrundinformationen, um ihre Nutzung besser zu verstehen. Die meisten historischen Routen sind mit grünen Schildern gekennzeichnet, von denen es heute über 4.000 in ganz Schottland gibt.

Darunter sind zum Beispiel:
• Römerstraßen: Die ältesten bekannten Straßen Schottlands wurden zwischen 78 und 185 n. Chr. von den Römern erbaut. Teile der Dere Street existieren noch heute in den Scottish Borders nahe Jedburgh.
• Viehtriebwege (Drovers Roads): Dies waren die „Autobahnen“, auf denen jeden Herbst Tausende von Rindern aus den Highlands zu den Märkten des Central Belt strömten. Zuerst nach Crieff, dann nach Falkirk und von dort weiter über die Grenze nach England.
• Kirk- und Sargwege (Coffin Roads): „Kirk“ ist ein schottisches Wort für die Kirche. Kirk- und Sargwege waren Wegerechte zu Kirchen oder Begräbnisstätten. Die Steinhaufen, auf denen die Sargträger ruhten, sind auf einigen Routen noch zu sehen.
• Militärstraßen: General George Wade baute 1724 erstmals Militärstraßen, um die Highlands zu befrieden und die Kommunikation zu verbessern. Sein Nachfolger, Major Caulfeild, beaufsichtigte die Fertigstellung weiterer Straßen, wodurch insgesamt ein Netz von über 1.600 Kilometern entstand. Viele sind inzwischen unter Asphalt verschwunden und Teil des modernen schottischen Straßennetzes, aber einige wenige sind immer noch in ihrer Urform erhalten.

Schottlands „Great Trails“ wurden ursprünglich als Wanderrouten geplant, eignen sich mit einigen Ausnahmen aber gut zum Bikepacking. Diese Routen sind mit dem Symbol einer Distel in einem Sechseck gekennzeichnet. Es handelt sich größtenteils um Offroad-Routen, aber die Qualität der Wege kann stark variieren; es gibt keine Qualitätsprüfungen bevor eine Route zum Great Trail erklärt wird. Einige, wie der „West Highland Way“, verfügen aber über eigene Webseiten. Die folgenden Routen sind zum Bikepacking geeignet, jedoch mit geringen Einschränkungen – man sollte sich zum Beispiel darauf einstellen, das Rad über einen Zaun gehoben werden muss. Sie sind aber gut ausgeschildert und bieten komfortable Übernachtungsmöglichkeiten sowie Essensoptionen.
• Great Trossachs Path
• Speyside Way
• Dava Way
• Great Glen Way
• Moray Coast Trail
Weitere Infos: www.scotlandsgreattrails.com
Nach dem Erfolg der „North Coast 500“, die oftmals als Schottlands „Route 66“ bezeichnet wird, wurden zahlreiche weitere Touristenrouten für Autos geschaffen. Da man in der Hochsaison auf einspurigen Straßen oft zusammen mit Wohnmobilen und Sportwagen unterwegs ist, eignen sich diese nur bedingt für Bikepacking, bieten aber dennoch gute Inspiration für die Planung einer eigenen Route.
• Heart 200
• Kintyre 66
• North East 250
• SnowRoads Scenic Route
• South West Coastal 300

Als wenn das alles noch nicht genug wäre, gibt es weitere Routen, die entweder über eine eigene Website verfügen oder als GPX-Datei kostenlos oder gegen eine Gebühr/Spende heruntergeladen werden können. Schottland hat eine sehr lebendige Bikepacking-Szene, und regelmäßig kommen neue hinzu.
• Badger Divide
• Cairngorms Loop
• Highland Trail 550
• Hebridean Way
• Pictish Trail
• West Coast Cycle Trail
Meine Website www.bikepackingscotland.com listet eine Reihe von Routen, die ich über Jahre sorgfältig geplant habe. Wichtig ist mir immer, dass die Routen frei zugänglich sind. Wer mehr Infos braucht, dem empfehle ich mein gleichnamiges Buch „Bikepacking Scotland“, das 20 Traumtouren in Schottland im Detail vorstellt.
Der Schottische Outdoor Access Code
Der Schottische Outdoor Access Code gewährt das Recht, sich mit dem Rad fast überall fortzubewegen und zu Campen, einschließlich privater Straßen, Wege und Pfade. Dieses Recht ist an verantwortungsvolles Verhalten geknüpft. Auch abseits der Wege ist das Fahren erlaubt, allerdings wird empfohlen, nassen, sumpfigen oder weichen Boden zu meiden. Weitere Infos: www.outdooraccess-scotland.scot
Unterkünfte
Schottland bietet Unterkünfte in allen Preisklassen, vom einfachen Campingplatz bis zum Fünf-Sterne-Hotel. Besonders bekannt und beliebt sind die Bothies. Ursprünglich als Unterkünfte für Wanderarbeiter, sind die meisten Bothies alte Cottages in abgelegenen Gegenden, weit entfernt von öffentlichen Straßen. Erwarten darf man nicht viel – oft gibt es eine Holzplattform und manchmal eine Feuerstelle – dafür sind sie kostenlos. Da die Kapazität sehr begrenzt ist, sollte man immer ein Zelt oder einen Biwaksack als alternative Unterkunft mitnehmen. Die meisten Bothies werden von der Mountain Bothies Association verwaltet.
Ein großartiges Netzwerk an Jugendherbergen macht das Bikepacking in Schottland auch ohne Zelt möglich, viele davon bieten Fahrradschuppen, Selbstversorgerküchen und eine Auswahl an Gemeinschafts- oder Privatunterkünften. Hostelling Scotland, Teil von Hostelling International, ist die beste Adresse für eine Übersicht. Wenn man mit dem E-Bike unterwegs ist, ist es ratsam, das Hostel bezüglich einer Möglichkeit zum Akkuaufladen zu kontaktieren. Scottish Hostels ist der Zusammenschluss der unabhängigen Hostels und rundet das Angebot ab.

Das Wildzelten ist in kleinen Gruppen für maximal drei Nächte an einem Ort legal. Eingezäunte Felder mit Tieren sind tabu, und man sollte sich von bewohnten Gebäuden, Straßen und historischen Bauwerken fernhalten. Es gibt eine Ausnahme: Aufgrund der saisonalen Einschränkungen im Loch Lomond & The Trossachs Nationalpark darf man dort in den gekennzeichneten Zonen vom 1. März bis 30. September nur mit einer Genehmigung übernachten.
Zottelige und stechende Biester
Schottland ist ein sehr sicheres Land für Bikepacking, aber die folgenden tierischen Mitbewohner können unangenehm sein:
• Midges: Die Hochlandmücke ist vom Spätfrühling bis zum Spätsommer eine echte Plage. Der beste Schutz gegen Mücken ist schnelles Fahren oder das Tragen von langen Ärmeln und Mückennetzen beim Anhalten. Moskitospray hilft nicht, man kann aber das lokal erhältliche SMIDGE probieren.
• Zecken: Zecken sind in ganz Schottland zu finden, insbesondere in Wäldern, Mooren und hohem Gras. Ein täglicher Check ist empfohlen.
• Kreuzottern: Die Kreuzotter ist auf dem schottischen Festland weit verbreitet, wird aber selten gesehen. Sie ist die einzige Giftschlange in Schottland.
Und dann gibt es noch die anderen Beasties – zumindest nennt man die zotteligen Hochlandrinder oft so. Sie sind eine der ältesten Rinderrassen der Welt. Auch wenn man Felder mit Nutztieren betreten darf, können insbesondere Kühe mit Kälbern, aber auch Pferde, Schweine und Hirsche aggressiv auf Menschen reagieren. Im Zweifelsfall lohnt sich der Umweg!
Essen und Trinken

Gute Restaurants gibt es einige und vegane und vegetarische Optionen sind in Schottland leicht zu finden. Das Land ist ein Paradies für alle, die frischen Fisch und Meeresfrüchte mögen. Wer dennoch Lust auf Kochen hat, findet alle gängigen Campinggaskartuschen in den Geschäften, Schraubkartuschen sind am gebräuchlichsten. Fast überall wird Kartenzahlung akzeptiert, aber es empfiehlt sich, etwas Bargeld als Trinkgeld mitzuführen.
Auch wenn es verlockend ist, aus Bächen zu trinken, sollte Trinkwasser immer aufbereitet werden. Wenn man Flaschen oder Trinkblasen auffüllen möchte, gibt es derzeit 80 Orte in ganz Schottland, an denen man das dank Scottish Water kostenlos machen kann. Das Auffüllen in Pubs und Cafés ist ohne Probleme möglich. Einfach fragen!
Toiletten
Obwohl sie seltener werden, gibt es in Schottland immer noch ein gutes Netz an öffentlichen Toiletten. Es empfiehlt sich aber, eine Schaufel mitzunehmen und sein Geschäft fernab von natürlichen Gewässern zu verrichten, falls es denn sein muss.
Und dann noch etwas: Das Wetter

Schottlands Klima ist milder, als man es aufgrund seines nördlichen Breitengrades erwarten würde. Das Wetter kann in verschiedenen Teilen des Landes oft völlig unterschiedlich sein und auch innerhalb eines Tages sehr wechselhaft sein. Auch wenn ein Schneesturm im Sommer unwahrscheinlich ist, verlässt man sich am besten nicht gänzlich auf den Wetterbericht. Die durchschnittlichen Niederschläge sind im Sommer am höchsten, daher sind Frühling und Herbst die besten Monate für Bikepacking (auch aufgrund der Midges). Die Bergregionen im Westen bekommen am meisten Regen, da die vorherrschenden Winde, die mit Feuchtigkeit vom Atlantik beladen sind, aus Südwest wehen. Ostwinde sind im Winter und Frühling üblich, wenn kalte, trockene Kontinentalluft die Ostküste umgibt. Im Westen ist es dann tendenziell milder. Der Windchill, insbesondere bei Ostwind, kann die Temperatur stark beeinflussen. Die besten Wettervorhersagen stammen vom Mountain Weather Information Service und vom Norwegischen Meteorologischen Institut.
Bikepacking mit anderen & Rad-Events
Geführte Touren bieten unter anderem Saddle Skedaddle und Comrie Croft Journeys an.

Die Dirt Dash Events in Alyth und Dunoon, die von mir organisiert werden, bieten eine gute Möglichkeit andere Bikepacker zu treffen. Man bekommt eine professionell geplante Route, Essen und Campsite für £95.
Literatur
Ich habe vier Bücher geschrieben, deren Routen Inspiration für das eigene Bikepacking-Abenteuer in Schottland sind. Für Gravelbikes empfehlen sich die Bücher „Great British Gravel Rides“ und „Gravel Rides Cairngorms and Perthshire”. Für einen Mix aus Routen speziell fürs Bikepacken empfehle ich „Bikepacking Scotland“ oder „Big Rides“. Alle sind unter bikepackingscotland.com/books erhältlich.
→ 5 ausgewählte Radtouren von Markus Stitz findet ihr außerdem bei uns in dem Artikel: 5 Traumrouten für Bikepacking in Schottland