Beim Öffnen der Landkarte, sei es GoogleMaps oder der Autoatlas, springen uns zuerst die Städte ins Auge, gefolgt von einem Geflecht aus Straßen, das sie verbindet. Doch beim näheren Hinsehen offenbart sich ein weiteres, zarteres Geflecht aus blauen Linien, Farbtupfern und Flecken. Was wäre, wenn sich unsere Reise an den Gewässern, den Teichen, Flüssen und Seen orientieren würde? Meine Campingreise führt mich von Erfurt zu den WasserWelten der Nationalen Naturlandschaften in Thüringen. Jedes dieser acht Gebiete schützt eine besondere Natur- oder Kulturlandschaft, die sowohl für Tiere und Pflanzen als auch für uns Menschen Lebensraum und Rückzugsort sind.
Reportage von Svenja Walter
Thüringens Nationale Naturlandschaften
• Nationalpark Hainich (UNESCO-Weltnaturerbe)
• UNESCO-Biosphärenreservat Rhön
• UNESCO-Biosphärenreservat Thüringer Wald
• Naturpark Eichsfeld-Hainich-Werratal
• Naturpark Kyffhäuser
• Naturpark Südharz
• Naturpark Thüringer Schiefergebirge/Obere Saale
• Naturpark Thüringer Wald
Übernachten auf dem Wasser
Wenn die Tagesgäste den See verlassen, kehrt allmählich Ruhe ein. Die Wasseroberfläche glitzert im warmen Licht der Abendsonne, die Schilfhalme am Ufer und die Masten kleiner Segelschiffe wiegen sich im Wind. Nach der Anreise mit dem Campervan tut es gut, den Blick über die blauen Wassermassen schweifen zu lassen. Die WasserWelten Thüringens lassen sich besonders schön mit dem Campervan oder Wohnmobil erkunden – immer dem Wasserlauf folgend oder von Ufer zu Ufer. Viele Campingplätze liegen in unmittelbarer Nähe von Seen und Teichen oder entlang der Flüsse. Somit kann ich nicht nur den Tag, sondern auch die Nacht am Wasser verbringen.
Für eine Übernachtung direkt auf dem Wasser jedoch lasse ich den Wagen auch mal eine Nacht allein. Auf dem Alperstedter See, dem größten der Erfurter Seen, kann man in schwimmenden Hütten übernachten und so den Tag nach dem Baden, Stand- Up-Paddeln oder Windsurfen auf dem Wasser ausklingen lassen. Die Stimmung am Morgen ist sogar noch ruhiger und bezaubernder. Ich stehe auf dem schwimmenden Steg, an dem die roten runden Holzhäuschen verankert sind, und genieße den Anblick des zu dieser Tageszeit tiefblauen glatten Wassers. Nur das Geschnatter einer Gruppe vorbeifliegender Gänse durchbricht die morgendliche Stille. Zusammen mit einem Frühstück im Café Strandgut 33 ist es ein wunderbarer Start in den Tag, an dem ich mir die Landeshauptstadt Thüringens ansehen will.
Die Gera
Erfurt ist mit seinem großen zusammenhängenden Altstadtkern, den malerischen Gebäudefassaden und imposanten Bauwerken, wie der Zitadelle Petersberg oder dem Erfurter Dom, in jedem Fall einen Besuch wert. Bei einem Stadtrundgang über gepflasterte Marktplätze wie z. B. den Anger oder den Fischmarkt mit dem neugotischen Rathaus sind die gut erhaltene Architektur sowie das Flair der Universitätsstadt und ihre zeitgenössische Kultur an jeder Straßenecke zu spüren.
Wer in Erfurt nach Wasser sucht, wird schnell fündig, denn die im Naturpark Thüringer Wald entspringende Gera fließt in mehreren Wasserläufen verzweigt längs durch die Stadt. Ein Teil dieses Flusssystems ist ein Flutgraben, der die Innenstadt seit Ende des 19. Jh. vor Überschwemmungen schützt. Heute erscheinen die verschiedenen Flussläufe der Gera flach und zahm, sodass Erwachsene wie Kinder an warmen Sommertagen in Shorts oder mit hochgekrempelten Hosenbeinen im Wasser stehen.
Das Wahrzeichen der Landeshauptstadt führt direkt über die Gera. Als einzige durchgehend mit Häusern bebaute Brücke nördlich der Alpen vermittelt die Krämerbrücke bei ihrer Überquerung das Gefühl, als schlendere man durch eine schmale Handwerkergasse: Kleine Geschäfte mit antiken Kostbarkeiten, Kunsthandwerk oder Gewürzen aus aller Welt reihen sich aneinander, darüber ragen mittelalterliche Fachwerkhäuser auf. Die Brücke hat sich ihren Charme bewahrt. Der Name Krämerbrücke rührt daher, dass hier schon früher „Kram“ verkauft wurde – oder vielmehr waren es Luxusartikel. Auf ihr ist u. a. auch eine Waid-Manufaktur zu finden. Das sogenannte Erfurter Blau, ein Farbstoff, der aus der Waidpflanze gewonnen wird, brachte Erfurt einst viel Reichtum. Vom 9. bis ins 19. Jh. wurde die Färberpflanze im Thüringer Becken angebaut. In der Manufaktur gibt es allerlei mit Waidblau gefärbte Textilien oder auch die Samen der Pflanze als Souvenir. Nur nicht wundern: Die Blüten der Isatis tinctoria blühen gold-gelb.
Kapitän der Blumenschiffchen
Die Anzahl der Brücken und Stege in Erfurt, es sind um die 245, ist bemerkenswert. Viele von ihnen lassen sich bei einem Stadtspaziergang entdecken. Ich stehe auf der Schlösserbrücke und habe mir gerade ein kleines Wehr mit altem Mühlenrad angeschaut, als ich auf der anderen Seite der Brücke einen Mann mit grüner Schürze mitten im Fluss stehen sehe – nicht mit hochgekrempelten Hosenbeinen, sondern mit Gummistiefeln an den Füßen und einer grünen Gießkanne in der Hand. Immer wieder schöpft er Wasser aus der flachen Gera und gießt es über den metallenen und üppig blühenden Blumenschiffchen aus, die hier verteilt im Fluss stehen. Egon Ehlers ist Diplom-Gartenbauingenieur und war 37 Jahre lang im egapark, der Erfurter Gartenausstellung, tätig.
„Ich habe schon immer lieber Pflanzensamen im Urlaub gesammelt, als im Plattensee zu baden“, erzählt er mir stolz. Die zwölf Blumenschiffchen in der Gera sind „auf seinem Mist“ gewachsen. Seit 2003 ist der heute 85-Jährige ihr Kapitän, könnte man sagen. Er überlegt, welche Pflanzen wie in den Blumenschiffchen arrangiert werden können, weiß um die Besonderheiten bei der Gartenpflege in einem Fluss, etwa dass keine Maschinen mit Motoröl zum Einsatz kommen dürfen, und erteilt gelegentlich Nestbaugenehmigungen für Enten, solange sie seine Blumen nicht abfressen. Mich macht das so neugierig, dass ich kurzerhand zu Egon ins Wasser steige und mir seine Schützlinge aus der Nähe ansehe. Mit triefendnassen Trekkingsandalen setze ich später meinen Stadtrundgang nach Klein Venedig fort, ein kleiner Park mit zahlreichen Flussarmen, Inseln, Brücken und Stegen, der zum Spazieren und Entspannen einlädt.
Tipp: Watwandern in Erfurt
Einen Stadtspaziergang der besonderen Art kann man beim Watwandern entlang Erfurts Wasserwegen erleben. In Wathosen gekleidet stakt die Wandergruppe geführt von Tobias Mindner durch das kühle Wasser der Gera und sieht dabei die bekannten Erfurter Sehenswürdigkeiten einmal aus einer anderen Perspektive. Aber auch Kleinode wie grüne Inseln, ein verlassenes Mühlengebäude oder idyllische Gärten, die den Wandernden trockenen Fußes eher verborgen bleiben, stehen auf dem Programm. Mit etwas Glück findet man auch ein kleines angeschwemmtes Souvenir.
Buchungsanfragen an ideen@medfux.de
⇒ Thüringer WasserWelten Teil 2: Im Land der 1.000 Teiche
⇒ Thüringer WasserWelten Teil 3: Paddelabenteuer auf der Werra
⇒ Thüringer WasserWelten Teil 4: SUP-Yoga und Windsurfen auf dem Thüringer Meer